Die norwegischen Kammerpopper Highasakite vertonen das Schweigen als Strafe, bleiben dabei sympathisch und musikalisch flexibel.
Dass in Beziehungen die anfängliche rosarote Brille auch mal von einem grauen Schleier abgelöst werden kann, ist jetzt keine Überraschung. Einer der beiden im Alltag versumperten Partner wendet, wenn sich der graue Schleier besonders heftig über den Haussegen gelegt hat, dann gerne die Methode des Silent Treatment an: Man bestraft den Lump mit Schweigen. Das ist sozusagen die Fortführung der mütterlichen Allzweckwaffe jeder Kindheit: "Ich bin nicht böse, ich bin nur enttäuscht." Na bumm.
Verkapptes Debut
Eine, die das Schweigen als Druckmittel vertont und offenbar mehrere Lieder davon singen kann, ist die Norwegerin Ingrid Helene Håvik, ihreszeichen Sängerin der Osloer Kammer- und Indiepopper Highasakite. Ihr von der Plattenfirma als Debutalbum bezeichnetes, aber eigentlich schon zweites Album, "Silent Treatment", legt davon eindrucksvoll Zeugnis ab.
Die Ursprünge von Highasakite finden sich im Trondheimer Jazz Konservatorium. Wie bei nicht wenigen Bands der letzten Jahre entwuchs die Renaissance von Kammerfolkpop mit Indietouch also einer Musikhochschule. Eigentlich wollten Håvik und ihr Bandmate/Lover/Drummer Trond Bersu zu zweit ein paar Songs aufnehmen. Durch den personellen Zuwachs in Form von von Øystein Skar (Synth), Marte Eberson (Synth) und Kristoffer Lo (Gitarre, Flugabone, Perkussion) wurde daraus 2012 das erste Album "All That Floats Will Rain". Obwohl es Platz 16 in den regulären Popcharts Norwegens erreichte, wurde es im europäischen und amerikanischen Ausland leider nicht veröffentlicht. Die EP "In And Out Of Weeks" wurde 2013 dann schließlich doch auch für den Export produziert. Ein Jahr und einige Auftritte bei wichtigen Festivals später kommen jetzt gänzlich neue Songs auch zu uns.
Auf "Silent Treatment" geht es, wie sollte es anders sein, um Beziehungen hinter verschlossenen Türen. Darum, wie Menschen unter der titelgebenden Machtdemonstration leiden, auch wenn sie noch so romantisch verbrämt ist. Schweigen als Strafe ist nie das Ende, sondern gewissermaßen ein Fishing For Compliments.
Komplimente mit Abstrichen
Komplimente kann man Highasakite durchaus aussprechen. Musikalisch hat das verkappte Debüt doch einiges zu bieten. Die nuanchenreiche, zwischen piano und forte umherspringende Stimme erreicht hohe Lagen, der sympathische Akzent Håviks trägt sein Übriges dazu bei, dass man von der Stimme zu keinem Zeitpunkt unangenehm berührt ist. Denn sie ist nicht so überkandidelt quirky wie bei – hust – Kate Nash oder – würg – Lena Mayer-Landrut.
Dennoch bewegt sich das ganze Album auf einem etwas ausgelatschten Pfad. Auch wenn man dagegen ankämpft, wird man das Gefühl nicht los, dass es sich bei "Silent Treatment" um eine abgespeckt-zärtliche, weibliche Version eines Albums von Mumford & Sons handelt.
Man kann "Silent Treatment" durchaus als Kammerpop bezeichnen, der Indiepop-Einschlag ist aber allgegenwärtig. Die Instrumentierung oszilliert zwischen äußerst orchestralen Synth-Arrangements wie beim Opener "Lover, Where Do You Live" und Klavier-Stomp-Beat wie bei "I, The Hand Grenade". Der beste Song des Albums inklusive Ohrwurmpotenzial bleibt aber das euphorische "Leaving No Traces". Die erste Single "Since Last Wednesday" ist gewissermaßen ein Ausreißer: Als einziger der Songs des Albums schafft er es, sich nahtlos in jede 08/15-Hipster-Party-Playlist einzufügen.
Insgesamt bleibt "Silent Treatment" ein sehr solides, durchschnittliches Album, das niemanden stört. Man wird zwar nicht "high as a kite", Lust auf Drachensteigen macht "Silent Treatment" aber durchaus. Gerne auch zu zweit. Anschweigen kann man sich dabei ja trotzdem.
"Silent Treatment" von Highasakite erscheint am 28. Februar 2014 via Propeller Recordings. Im April geht die Band auf Europa-Tour. Österreich wird dabei aber geflissentlich ausgelassen.