Transparenz etabliert sich als neuer politischer Wert, Daten sind der neue Rohstoff politischer und gesellschaftlicher Diskurse. Hier leaken Dokumente, dort erhalten Entscheidungsprozesse durch öffentlich zugängliche Daten neue Grundlagen. Nicht jeder, der mit solchen Daten operiert, ist ein Spion. Die etablierten Kräfte zeigen sich dennoch abwartend. Vor allem in Österreich.
Aufbruchsstimmung in vielen Demokratien der Welt: Open Government und Open Data heißen die Versprechungen, die die Leistungen von Politik und Verwaltung denen wieder näher bringen sollen, die mit ihren Steuergeldern auch dafür bezahlen. Die Obama-Administration hat hier innerhalb kürzester Zeit viel bewegt. In Großbritannien gibt es bereits über 100 Web-Anwendungen, die diesem Bereich zuzurechnen sind. Die EU-Kommission hat sich im Dezember klar und deutlich zu Open Data bekannt und ein Portal angekündigt, über das zahlreiche Datensätze für die weitere Bearbeitung zur Verfügung gestellt werden. Diesen Entwicklungen liegt ein Wert zugrunde, der im politischen Diskurs immer mehr an Bedeutung gewinnt: Transparenz. Der Ruf danach wird immer lauter. Und zwar abseits aller Ideologien.
Auch hierzulande formiert sich eine Open Data-Szene. Erstmals sind Open Data auch Thema in einem (Stadt-)Regierungsprogramm: Rot-Grün will in Wien eine Expertengruppe einsetzen, die ein Konzept dafür ausarbeitet. Im Juni soll im Rahmen der Open Government Data Konferenz ein entsprechendes Weißbuch vorgestellt werden. Laut Thomas Thurner von Open Government Data Austria könnte sich heuer sogar noch die Ausschreibung eines Applikations-Wettbewerbs ausgehen. Damit würden auch Anreize für die heimische IT-Landschaft gesetzt.
Zwei Seiten der Transparenz
Das Misstrauen gegenüber politischen Entscheidungsträgern und Verwaltungen wird größer, der Ruf nach wirksamen Kontrollmechanismen immer lauter. Das resultiert in zwei Phänomenen. Das erste findet in WikiLeaks seinen sichtbarsten Ausdruck. In einem Akt zivilen Ungehorsams wird an die Oberfläche gebracht, was die Eliten mit allen Kräften geheim halten wollen. Die Konsequenzen sind bekannt: Julian Assange wird wie ein Spion verfolgt.
Für Albert Steinhauser, den grünen Abgeordneten und Justizsprecher ist klar, dass dieser »Tabu- und allfällige Gesetzesbruch« Veränderungen bewirken kann, aber eben ein rebellischer Akt ist. Die politische Forderung, die er daraus ableitet, ist simpel: eine radikale Einschränkung des Amtsgeheimnisses. Auch Georg Holzer, der Kärntner Journalist und Betreiber des Polit-Watchblogs www.k2020.at, schlägt in dieselbe Kerbe. Politik und Verwaltung sollen alle ihre Daten offen legen. Nur in begründeten Fällen (Persönlichkeitsschutz, Gefährdung von Amtshandlungen) sei es gerechtfertigt, Daten nicht zu veröffentlichen. Holzer ist überzeugt: »Mit der Offenheit der Daten steigt die Qualität des politischen Diskurses.« Phänomen Nummer zwei: Verwaltungen veröffentlichen ihre Daten selbst – zumindest in Teilbereichen. Die Bürger erhalten detaillierte Informationen, was mit ihren Steuergeldern geschieht und über neue Services auch neue Möglichkeiten für Partizipation.
Der österreichische Weg
Obwohl grundsätzlich kaum Zweifel darüber bestehen, dass Bürger das Recht auf vollständige Information haben, gibt es auf dem Weg zu Open Government und Open Data eine ganze Reihe von Hindernissen auszuräumen. Ein Beispiel: Die Wiener Linien haben einen barrierefreien Zugang zu ihren Verkehrsmitteln nahezu vollständig realisiert. Wenn ein Lift ausfällt, ist das grundsätzlich auch bekannt, aber nur telefonisch (in den Amtsstunden) zu erfragen.
Martin Ladstätter vom Verein Bizeps hat daher die Initiative gestartet, die Informationen auch online zugänglich zu machen. Der Verein Open3, ein offenes Netzwerk, das Open Data hierzulande forciert, hat die Plattform www.ubahnaufzug.at entwickelt, die diese Lücke schließt. Allerdings nicht mit den Daten der Wiener Linien, sondern mit Informationen, die die Fahrgäste selbst posten. Die Wiener Linien »beobachten das Projekt mit Interesse«. Aus der Begründung, warum die Verkehrsbetriebe ihre Daten noch nicht zur Verfügung stellen, lässt sich aber auch eine Schwierigkeit mit dieser neuen Form der Transparenz ablesen. »Mit der Bereitstellung von Daten für die weitere Bearbeitung gibt es grundsätzlich auch mehr Raum für deren Interpretation. Daraus entwickelt sich ein neues Verhältnis zwischen Bürgern, Verwaltung und der Politik«, meint Carl-Markus Piswanger von Open3. Bei den Wiener Linien wird das Thema so gesehen: »Für uns muss im Sinne der Fahrgäste an allererster Stelle die Datenqualität liegen.«
Die Schwierigkeit der Interpretation
»Grundsätzlich hat die Verwaltung kein Problem, ihre Daten zur Verfügung zu stellen«, sagt Wolfgang Keck, Projektkoordinator und Mitglied mehrerer Arbeitsgruppen im Bereich eGovernment und eHealth. Schließlich können diese ihre eigenen Leistungen so auch entsprechend darstellen. Vorbehalte gibt es einerseits, weil man die Interpretationshoheit nicht abgeben will und andererseits auch, weil mit Daten auch Geschäft gemacht wird (wie etwa mit Grundbuch-Abfragen).
Partizipations-Experte Piswanger ist allerdings überzeugt, dass eine grundsätzliche Offenheit nicht nur neue Möglichkeiten für die Bürger bietet, sondern auch für die Verwaltung selbst. Die hat nämlich bedeutend weniger Spielraum, neue Dinge auszuprobieren als es Applikations-Entwickler haben. EU-Kommissarin Kroes sieht in dem Bereich ein beträchtliches Geschäftspotenzial für Entwickler und Anbieter neuer Services. Gerade bei Location-Based Services und Smartphone-Apps bieten eGovernment und Daten von öffentlichen Institutionen eine große Spielwiese für neue Anwendungen und attraktiven Mehrwert für bestehende Services. Ein solcher Entwickler ist Robert Harm (ebenfalls von Open3). Von ihm stammt die Visualisierung des Sparpakets der österreichischen Bundesregierung. Diese klickbare Budgetdarstellung speist sich zwar nicht aus maschinenlesbaren Daten, zeigt aber trotzdem eindrucksvoll, welche Möglichkeiten der Arbeit mit Daten sich abseits der journalistischen Aufbereitung bieten.
Serviceanbieter, Bürgerjournalisten oder Spione?
Die Globalisierungskritiker von Attac begrüßen klarerweise die Entwicklungen in Richtung Open Data. »Gerade im Bereich der Steuerpolitik und Vermögensverteilung ist Transparenz ein wesentliches Mittel, um eine Verschleierungspolitik im Interesse der Vermögenden wirksam zu verhindern«. Die Veröffentlichung von Landwirtschafts-Subventionen der EU habe etwa aufgezeigt, dass die Empfänger nicht immer Landwirtschaftsbetriebe, sondern auch Exporteure von Agrarprodukten sind. Von Finanzdaten der EU bis hin zu sehr spezifischen regionalen Informationen wie etwa den Aufzugsdaten tut sich ein weites Feld von potenziellen Anwendungen auf.
Entlang dieser entstehen auch neue Rollen. Service-Anbieter und Entwickler, die das Rohmaterial in Anwendungen aufbereiten, übernehmen Aufgaben, die bislang primär im Journalismus lagen. Bürger, Steuerzahler und Endanwender treffen auf Basis dieser Informationen Entscheidungen oder erleben neue Formen der Interaktion mit Behörden und Verwaltung. Um dieses System nachhaltig zu leben, ist ein anderer Umgang mit Fehlern erforderlich. In Klagenfurt arbeiten einige Programmierer an schandfleck.in. Über eine mobile Applikation können Schandflecken an die jeweils zuständigen Behörden gemeldet werden. Das sei kein moderner Pranger, sagt Georg Holzer. »Die Behörden können nicht überall sein. Die Bürger sind es.« Carl-Marcus Piswanger hegt die Hoffnung, dass der Staat neue Dynamik gewinnt und die Menschen sich wieder stärker mit öffentlichkeitsrelevanten Themen auseinandersetzen, wenn man solche Anwendungen gezielt für die Kollaboration verwendet.
In Einzelfällen werden auch Whistleblower wie etwa die WikiLeaks-Informanten nötig sein. Wer auf eklatante Missstände aufmerksam macht, soll das auch ohne Anzeige zu erstatten tun können, fordert Albert Steinhauser. Dafür braucht es entsprechende Schutzmechanismen im Arbeitsrecht und im Beamtendienstrecht. Vor allem aber ein entsprechendes gesellschaftliches Klima. Das ist scheinbar im angloamerikanischen Raum eher gegeben als hierzulande.
Open Data sind auch Thema bei der nächsten Veranstaltung von twenty.twenty, einer Diskussionsreihe von A1 Telekom Austria und The Gap.
»Open Data. Open Rules?« findet am 23. Februar 2011 im Wiener Hub statt. Mehr dazu auf www.twentytwenty.at