In »Happyland« erzählt Evi Romen von einer Frau, die in ihre Heimat zurückkehrt und auf ihre Vergangenheit blickt. Ein Film über verpasste Chancen, Familie und Musik.

Eigentlich hätte ihr Leben anders verlaufen sollen: Helen (Andrea Wenzl) ging nach London, für die Musikkarriere, die dann doch nicht so verlief, wie sich das vorgestellt hatte. Also wieder ab nach Hause und in das von ihrer Mutter (Michaela Rosen) geleitete Freizeitzentrum Happyland. Auf dieses soll sie eine Weile ein Auge haben. In der Heimat trifft sie auf alte Bekannte, auf einen jungen Mann mit Pferd – und sie wird mit einem lange gehüteten Geheimnis konfrontiert.

Dein erster Film »Hochwald« spielt in Südtirol. In »Happyland« ist das gleichnamige Freizeitzentrum in Klosterneuburg Ort des Geschehens. Was hat dich an diesem Setting interessiert?
Evi Romen: In Klosterneuburg habe ich ein Sommerhaus, so habe ich das Freizeitzentrum auch entdeckt. Zuerst war ich skeptisch, warum so ein wenig einladender Bau den Namen Happyland trägt, aber schnell merkte ich: Die Einwohner*innen lieben ihr Happyland. Das Zentrum ist gut besucht – ein Herzstück der Stadt. In meinem Film haben wir es aber etwas umgestaltet und trister gemacht. Die Suche nach einer zur Geschichte passenden Location gestaltete sich schwierig, umso mehr freuten wir uns über die Unterstützung vonseiten der Betreiber*innen des originalen Happylands.
Dich scheinen die Themen Heimat beziehungsweise Heimkehr zu beschäftigen. Warum?
Die Suche danach, woher ich komme und wohin ich gehe, ist ein grundlegender Wesenszug von mir und wurde mir als Südtirolerin wohl in die Wiege gelegt. Für mich ist Heimat ein Begriff, der immer wieder malträtiert wird, ein kleines, zerbrochenes Souvenir, etwas das man gesundpflegen muss. Mein Verhältnis zur Heimat hat sich auf jeden Fall verändert. Beim Dreh zu »Hochwald« in einem kleinen Ort in Südtirol spürte ich die Kraft meiner Jugend. Für »Happyland« haben wir quasi vor meiner Haustür gedreht und da dachte ich mir: »Das ist mittlerweile meine Heimat.« Beim ersten Film hat mich die Heimat interessiert, aus der man stammt, nun beim zweiten Film, die Heimat, die man sich ausgesucht hat. Denn meine Protagonistin Helen ging ja nach London, aber sie war nicht erfolgreich darin, dort Heimat zu finden. Sie merkt, dass ihr Leben nicht so verlaufen ist, wie sie es sich vorgestellt hatte und daher kehrt sie nach Hause zurück.
Helen, gespielt von Andrea Wenzl, ist eine Frau in den Fünfzigern. Als sie nach Österreich zurückkehrt, trifft sie auf alte Freund*innen und Weggefährt*innen. Wie ist Helenes Blick auf diese Menschen beziehungsweise wie sehen diese sie?
Ich würde es eine Wechselwirkung der Überheblichkeit nennen. Helen blickt auf ihre alten Freund*innen etwas verächtlich, gleichzeitig erinnert sie sich gerne an die Zeit zurück, als sie mit ihrer damaligen Band The Leftovers Erfolg hatte. Sie fragt sich mitunter auch, wie ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie in Österreich geblieben wäre und so gelebt hätte wie ihre ehemaligen Freund*innen. Ihre alten Bandmitglieder fragen sich wiederum, was gewesen wäre, wenn sie mit Helen nach London gegangen wären und sie gemeinsam als Band Erfolg gehabt hätten. In ihren Augen ist Helen eine Verräterin. Sie sind neidisch auf ihren Mut, die Heimat zu verlassen. Ob man sich traut, einen großen Schritt zu machen, das ist dann doch meistens eine Charaktereigenschaft, die man hat oder eben nicht.
Du meintest einmal in einem Interview: »Ich mag einfach gescheiterte Menschen und ich beobachte gerne gescheiterte Menschen.« Inwiefern sind Helen sowie ihre (ehemaligen) Freund*innen und Bekannten gescheitert?
Was ich sehr interessant finde, sind Figuren, die in sich Zweifel haben, die von sich selbst glauben, dass sie gescheitert sind. Das war schon bei Mario in »Hochwald« so und so ist es nun bei Helen, die sich auch selbst eingestehen musste, dass sie als Musikerin vielleicht nicht gut genug ist. Das ist aber ein sehr liebevoller Blick von mir, das hat nichts mit Zynismus oder Häme zu tun. Es rührt mich eher. Das Scheitern zieht sich ja durch alle Gesellschaftsschichten, auch vermeintlich erfolgreiche Menschen scheitern. Das Scheitern ist wie ein innerer, kleiner Eiterpickel, der immer wieder ein bisschen aufplatzt. Es war mir wichtig zu schauen, was speziell mit einer Frau in der Menopause passiert, wenn sie ihren Träumen nachgejagt ist und sich diese nicht hat erfüllen können.

Musik spielt in »Happyland« eine zentrale Rolle. Warum war es dir wichtig, deinen Figuren diese Leidenschaft für die Musik mitzugeben?
Ich hatte selbst mal ein Record Label mit meinem damaligen Freund Sebastian Brauneis. Wir haben versucht, uns in diesem Milieu durchzuschlagen. Das hat nicht funktioniert – wir wurden beide Filmemacher*innen. Bei den Leuten, die ich damals kennengelernt habe, habe ich über die Jahre beobachtet, was aus ihnen wurde. Ein Vorbild für Happyland war dabei zum Beispiel Naked Lunch, denn die hätten beinahe international großen Erfolg gehabt, aber dann wurde – ohne ihren Erfolg schmälern zu wollen – doch nichts draus. Viele dieser kreativen Menschen kommen früher oder später nach Hause, aber oft ist es dann zu spät, um noch einmal neu zu beginnen.
Aber Naked Lunch finde ich auch ohne internationalem Durchstart eine großartige Band, daher wollte ich Oliver Welter in meinem Film haben. Alicia Edelweiss kam erst spät zum Projekt, ursprünglich wollte ich eine junge Punkerin zeigen, aber die Geschichte wurde immer märchenhafter und da passte Alicia dann gut. Am meisten Spaß beim Dreh hatte ich mit der Band The Leftovers, dieser Drehtag ist mir gut in Erinnerung geblieben. Diese Kraft der Jugend, die ist schon unschlagbar. Umso mehr finde ich »Happyland« wichtig, denn da geht es auch darum, dass diese Kraft der Jugend verloren geht, und man sie nicht zurückholen kann.
Wie siehst du die Verbindung zwischen familiären Verpflichtungen und den Träumen, die diese Figuren ausleben wollten – und nicht immer konnten?
Eigentlich ist es ein Menopausenfilm. Bei den Testscreenings zeigte sich, dass sich besonders diese Gruppe mit dem Film stark identifizieren kann. Mit Ende 40 – so meine Erfahrung – ziehen die meisten Resümee. Man weiß dann: Bestimmte Dinge werden sich im Leben nicht mehr ausgehen. Ich habe damals meinen Beruf gewechselt.
Helens Vater ist früh gestorben und ihre Mutter ist nicht besonders liebevoll. Sie kommt also nicht an einen heimeligen Ort zurück. Wenn man ein Star werden will, dann kappt man ziemlich leichtfertig Wurzeln, vielleicht weil sie einen belasten oder man sich schämt. Zudem gibt es Hindernisse, über die man springen muss, damit man etwas aus seinem Leben machen kann. Ob man dann in einer neuen Familie leben wird oder nicht, das steht in den Sternen. Ich denke auch, dass die klassische Kleinfamilie passé ist. Das haben nahezu alle Menschen aus meinem Umfeld und auch ich selbst erlebt. Ich denke aber nicht, dass Familie ein Grund ist, keine Karriere zu haben. Allerdings weiß ich, dass Künstler*innen nicht unbedingt einfache Menschen sind. Das eigene Leben ist oft unbeständig und die Seele ein weites Land. Wenn man nun die Familie in »Happyland« betrachtet, ist da wenig Wärme und Halt zu spüren, einzig das Freizeitzentrum selbst gab Halt. Die früheren Bandmitglieder von Helen haben auch nicht alle Familie, nur Helens ehemaliger Freund. Das Familienglück hat in dieser Geschichte keiner gefunden, aber das Hinterfragen dieses Konzepts hat bei allen sehr viel Raum eingenommen.
Diese Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit scheint Helen schlecht auszuhalten. Sie wirkt eher wie ein Mensch, der den Angriff nach vorne bevorzugt und weniger die innere Reflexion. Siehst du das auch so?
Helen geht mit einem unglaublich schlechten Gewissen durch diese Geschichte. Sie hat Dreck am Stecken, das soll man spüren. Sie kommt nach Hause wie ein geprügelter Hund. Sie hat viel aufs Spiel gesetzt, für etwas, das nicht funktioniert hat. Das macht schwach und Schwäche macht arrogant. Sie setzt daher quasi eine Maske auf, um sich nicht verletzlich zu geben. Da habe ich mich, so glaube ich, weit hinausgelehnt, denn Helen ist auf den ersten Blick nicht wirklich likeable. Das war von Anfang an Thema: Ist die Figur sympathisch? Frauen müssen ja oft Superheldinnen sein. Aber es ist eben nicht jeder Mensch super oder sympathisch. Ich zeige lieber eckige Figuren, mit denen man trotzdem sympathisieren kann. Helen ist sehr lost, hat aber nicht mehr den jugendlichen Charme, um das wettzumachen. Sie ist eine durchaus frustrierte Frau – warum sollte man das nicht auch zeigen?
Zwei weitere wichtige Symbole, die den Film begleiten, sind einerseits das Wasser sowie andererseits Pferde. Letztere gelten unter anderem als Symbol für das Unbewusste, Stärke oder Mut. Was hat dich am Wasser beziehungsweise an den Pferden interessiert?
Beide Symbole waren von Anfang an zentral. Ich arbeite meist so, dass ich mir ausgehend von einem Bild die Geschichte erarbeite. Das erste Bild war das Auf und Ab des Wassers an der Donau, das spiegelt den Fluss des Lebens wider. Das zweite Bild war ein Pferd, das im Wasser steht und auf dem ein eher femininer Mann sitzt. Beides hat für mich irgendwie zusammengepasst für eine Geschichte über eine Frau. Pferde und Weiblichkeit werden ja oft romantisiert gedacht, aber ich wollte das ein wenig verdrehen.
Vor deiner Arbeit als Regisseurin und Drehbuchautorin warst du vor allem als Editorin tätig. In einem Interview meintest du einmal, dass die Tätigkeit im Schnitt die »fantastischste Arbeit von allen beim Film« sei. Wie hat deine ehemalige Arbeit als Editorin deine jetzige als Regisseurin und Drehbuchautorin beeinflusst?
Ich vermisse das Schneiden sehr, weil es wirklich eine schöne Tätigkeit ist. Aber durch meine lange Laufbahn als Editorin weiß ich auch wie wichtig es ist in der Schnittphase kompetente Begleitung zu haben. Daher nahm ich mir die für mich beste Kollegin (Karina Ressler) für die Montage. Ich hatte viel Vertrauen in sie. Als der Film fertig war, merkte ich aber schon, dass mir das Spielen mit dem Material, diese Ruhe alleine mit dem Film zu sein, fehlt. Vielleicht schneide ich beim nächsten Film doch wieder ein bisschen selbst. Der Film beginnt im Schnitt zu atmen, das ist sehr schön. Der Dreh selbst ist meist stressig und man muss viel organisieren und improvisieren. Der Schnitt ist ein viel poetischerer Prozess. Meine frühere Arbeit hat mir als Regisseurin bisher aber sehr geholfen. Vor allem die Emotion muss man einfangen. Wenn einem das gelungen ist, ist die technische Schneidbarkeit von Material Nebensache, dennoch natürlich wichtig.
Welche Themen interessieren dich als Regisseurin noch?
Mich interessieren immer der Mensch und sein vermeintlich inneres Scheitern, die dunkle Seite sowie die Heimat in Hell und Dunkel.
»Happyland« von Evi Romen ist im Rahmen der Diagonale am 29. März um 16 Uhr im Schubertkino 1 sowie am 31. März um 10:30 Uhr im KIZ Royal Kino 2 zu sehen.