Ein bisschen (queerer) Spaß muss sein – Vienna Drag Festival im Dschungel Wien

Anfang Oktober fand erstmals das Vienna Drag Festival im Dschungel Wien statt und bot eine Bühne für Queerness in all ihrer Vielfältigkeit.

© Theodor Moise

Dass Drag viel mehr ist als die weit verbreitete Vorstellung einer binären Travestie, beweist das Vienna Drag Festival bereits bei seiner ersten Ausgabe höchst eindrücklich. Mit vier Vorstellungen innerhalb von drei Tagen zeigen Athene Atlas, die Initiatorin und Mutter des Festivals, und ihr Team eine große performative Bandbreite von Drag – wie ich beim Besuch von »High Society«, »Die Miss*ter-Drag-Festival-Vienna-Wahl« und das als artsy Drag bezeichnete »Drag-ée« selbst feststellen darf.

Vielfältige Figuren, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der sexuellen und geschlechtlichen Normen zu verorten sind, entzücken hier mit Kreativität, Emotionalität, Nacktheit und Unmengen an Humor. Das Vienna Drag Festival bietet einen Raum des künstlerischen Ausdrucks, in dem queere Menschen mit Repräsentationsfreiheit experimentieren können. So treten auf der Bühne des Dschungel Wien unter anderem musizierende Knödel auf – die selbst gar nicht so genau wissen, welche Knödel sie eigentlich sind –, wendige (vogelartige) Tierwesen, aber auch eine konservative Politikerin, die eigentlich auf dem Weg zur Wiener Wiesn war. Trotz der umfangreichen Diversität an Dragfiguren, zieht sich durch alle Performances eine emanzipierende Queer Joy, die das ganze Festival grundlegend zusammenhält.

Spaß als Essenz

Da es im Drag (fast) kein richtig oder falsch gibt, entziehen sich die einzelnen Performances traditionellen Bewertungssystemen. Vielmehr ist – wie ich von der Jury der »Miss*ter-Drag-Festival-Vienna-Wahl« lerne – der Spaß die Essenz von Drag. Das gilt auch für die Zuschauer*innen, die explizit dazu aufgefordert werden, sich lautstark zu beteiligen. Als Teil des Publikums fühle auch ich mich als aktive*r Akteur*in. Gemeinsam mit den Künstler*innen produziere und empfinde ich Queer Joy. So entwickelt sich im Zuge des Festivals ein Gefühl von solidarischer Kompliz*innenschaft, bei der ich nicht bloß über das Aufgeführte, sondern vielmehr gemeinsam mit den Performer*innen lache.

Von weiterer Kompliz*innenschaft am Festival zeugt auch, dass bei jeder Aufführung zwei Personen des Awarenessteams im Bühnenraum anwesend sind. Sensibilität für diverse Bedürfnisse macht einen Raum inklusiver und erlaubt, dass möglichst viele dort Spaß haben können. Das Vienna Drag Festival versteht Drag somit auch abseits der Bühne als politische Praxis, bei der queere Räume des Zusammenkommens geschaffen werden.

Gerade im Hinblick auf diese politische Praxis bleibt mir jedoch noch, einen finalen Gedankenanstoß zu geben: Ob der institutionalisierte Rahmen des Festivals sowie die Kommerzialisierung durch Sponsoring dem antikapitalistischen Widerstandsgedanken, der Drag meiner Meinung nach zugrunde liegt, wirklich entsprechen, könnte durchaus kritisch hinterfragt werden.

Das erste Vienna Drag Festival fand von 2. bis 4. Oktober 2025 statt. Interesse an einer zweiten Ausgabe wurde bereits mehrfach geäußert.

Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit dem Dschungel Wien entstanden.

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