Ein Experiment ist es nur, wenn man nicht weiß, was rauskommt

Eine Band The Twentieth Century zu nennen, klingt erstmal anachronistisch. Das Verhältnis zu Zeit und Zeitgeistigkeit, das ihrer Musik eingeschrieben ist, lässt sich aber besser als Achronismus beschreiben.

Wenn man mit Loops arbeitet, muss man sich ja auch ein passendes harmonisches Konzept zurecht legen. Wie geht ihr damit um?

Sehr unkompliziert. Was wir machen könnte harmonisch nicht einfacher sein. Für einen Drone genügt auf der harmoniebezogenen Ebene die Ansage einer Tonart und die kurze Phase des Überlegens was da denn jetzt für Töne dabei sind. Um Harmonien und im übertragenen Sinn Harmonie geht es uns nicht. Im Moment zumindest.

Welche Bedeutung haben für dich erweiterte Spieltechniken am Cello?

Seit meiner allerersten Cellostunde erweitere ich meine Spieltechniken am Cello ständig. Natürlich hat das eine große Bedeutung für mich. Was ich damit sagen will ist, dass der Blickwinkel aus dem du die Frage, glaube ich, stellst, zwar ein nach wie vor gängiger, aber für mich schon lange überholter ist. Dass es nicht nur die Möglichkeit, dem westlichen harmonischen System zuordenbare Töne zu erzeugen gibt, ist jetzt schon jahrzehntelang keine Neuigkeit mehr. Die Erkenntnis war und ist dennoch selbstverständlich für einige Entwicklungen innerhalb des musikalischen Ausdrucks sehr wichtig. Für mich persönlich natürlich auch.

Das heißt, die Suche nach neuen klanglichen Ausdruckmöglichkeiten ist ein konstantes Bemühen?

Natürlich entdecke ich immer noch für mich neue Möglichkeiten, neue Klänge, da würde ich auch diverse elektronische Veränderungs- und Erweiterungsmöglichkeiten des Instruments hineinnehmen. Aber diese Klänge bzw. das Erzeugen dieser Klänge dürfen kein bloßer Selbstzweck sein. Sie sollen auch nicht zur ‚Attraktion‘ werden. Sie gehören einfach zum Ausdrucksrepertoire und müssen sinnvoll eingesetzt werden. Sinnvoll in Hinblick auf musikalische Wirkung oder eine inhaltliche Notwendigkeit. Die durchaus militante ‚ich darf keinen geraden Ton spielen, um einen künstlerischen Anspruch zu erheben – Phase‘ habe ich hinter mir gelassen. Missen will ich sie aber nicht.

Arbeitest du auch mikrotonal bzw. ist das noch eine Option, die man weiter erforschen könnte?

Mit Mikrotonalität habe ich in eigenen Stücken noch nie gearbeitet. Nicht im Sinne einer Skala die Vierteltöne oder ähnliches beinhaltet oder Mikrotonalität die sich aus Obertonspektren herleitet. Im Moment sehe ich auch keine Notwendigkeit dafür. Als ‚anschrägende‘ Einfärbungen setzte ich sie ein, das hat mit der Idee von Mikrotonalität nichts zu tun, könnte man nur ähnlich notieren, kommt aber eher einem dreckigen Bending auf der Gitarre nahe.

Ist das Spielen bei 20th Century eine Form der Abwechslung zu deinen anderen Projekten? Nimmst du da Sounds und Spieltechniken in andere Projekte mit?

Jedes der Projekte von denen ich ein Teil sein darf stellt eine Abwechslung zu den jeweils anderen dar. Ich liebe und pflege Vielfalt und will sie auch fördern. In der Musik, der Kunst allgemein, unter Menschen, in der Gesellschaft. Grenzen nehmen einfach nur Platz weg. Auf der Landkarte aber vor allem auch im Kopf. Und natürlich beeinflusst, im besten Fall bereichert, das Eine das Andere und man findet neue Lösungen indem man andere Klangvorstellungen und Techniken ‚mitnimmt‘. Die verschiedenen KollegInnen und ihre Art des Musikmachens und -denkens bringen mich weiter und manchmal vielleicht auch umgekehrt. Weil eben Platz dafür da ist.

Wien ist natürlich schon bekannt als Homebase für avantgardistischere Klänge. Gibt’s so etwas wie eine Szene für eure Musik?

Ich nehme die Szene in Wien, und noch mehr auf ganz Österreich bezogen, als sehr überschaubar wahr. Klub Moozak im fluc fällt mir natürlich gleich als ‚Szenetreffpunkt‘ ein, aber auch das rhiz, das seit jeher massenuntauglicher Musik gegenüber sehr aufgeschlossen ist, oder das mo.e. Wobei es im Grunde nicht um einzelne Lokalitäten geht. Ich glaube, ich werde durch dieses Projekt erst noch viele neue Menschen aus der Szene kennenlernen und dann eine solche wahrnehmen. Das macht neue Projekte für mich mitunter auch sehr reizvoll. Ich habe aber schon festgestellt, dass es eine recht große internationale Festivalszene gibt. Aufgrund des positiven Feedbacks und der guten Reviews aus dem Ausland versuchen wir auch da und dort spielen zu dürfen.

Wie geht’s weiter mit eurem Projekt? Ergänzung mit anderen Medien vielleicht. Film drängt sich da ja ein bisschen auf.

Das Projekt ist noch so jung, dass wir zunächst einmal dran sind das, was jetzt entstanden ist einem interessierten Publikum zugänglich zu machen. Also Gigs aufstellen. Aber darüber hinaus spuken natürlich Gedanken in unseren Köpfen herum wie zum Beispiel: das Ganze ohne elektronische Gerätschaften rein mit InstrumentalistInnen zum Klingen zu bringen. Oder wie du schon ansprichst zu einem Film oder mit Visuals. Wobei mitunter das Kopfkino des Publikums darunter leiden kann. Auch eine Kooperation mit TänzerInnen wäre reizvoll. Vieles ist möglich, einiges angedacht, manches auch mehr als nur vage, aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts konkret. Wir bleiben spontan.

Lukas Lauermann spielt unter anderem mit A Life, A Song, A Cigarette, Donauwellenreiter, Soap&Skin, Der Nino aus Wien, Mimu und in nächster Zeit da:

20.12. Vienna (Mo.e), AT w/ irgendetwas.schönes + Solo

25.12. Vienna (Porgy&Bess) w/ Donauwellenreiter

soundcloud.com/the-twentieth-century

www.mosz.org/TTC.html

lauermann.tumblr.com

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