Ein Monat ohne Gesicht

Wie aus einem Facebook Kommentar eine Erkenntnis wurde.

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Ich konnte wieder einmal meine Klappe nicht halten. Da schreibt der Kollege Weber dass er jetzt ein Monat ohne Facebook gewesen wäre, und wie sich denn das so angefühlt hätte, und ich antwortete dass das ja eh sehr interessant sei, aber der Kollege nun mal Journalist sei und darob einen wohl etwas speziellen, von der Allgemeinheit unterschiedlichen Zugang zu dem Medium hätte. Und es mich eher interessieren würde wie sich das für den viel zitierten Otto Normalverbraucher entwickeln würde. Klugschiss Ende, und ich scrolle weiter und habe es auch schon wieder vergessen. Doch weit gefehlt, der Kollege antwortet und sagt, da hast du natürlich völlig recht, und ich solle mich doch beim Herrn Redakteur melden.

Und nun sitze ich Anfang Jänner da, habe mich zum ersten Mal überhaupt aus FB ausgeloggt (ich bin einer von den Faulen) und die App vom Handy gelöscht. Und ich warte ob irgendetwas anders ist, was ich wohl verpassen werde, und ob mich das jucken wird. Eine kurze Abwesenheitsnotiz hängt da jetzt im Äther rum, und damit diese Notiz auch ganz oben auf meiner Pinnwand bleibt, habe ich noch schnell die Sicherheitseinstellungen geändert, niemand kann posten, niemand kann mich einchecken, niemand kann mich taggen. Es lärmt die Stille.

Zunächst ist gar nichts anders

Davor war ich irgendwo zwischen Poweruser und Lurker – phasenweise mit mehr als einem Post pro Tag, phasenweise mit nur einem pro Woche. Ich reise viel und bin ausgewandert, meine Familie ist weitgehend auf Facebook, meine Freunde freuen sich über ein Lebenszeichen von mir.

Aber gelesen hab ich immer, endlose Scroll- und Refresh-Sessions während derer mir schon vor dem Abschalten bewusst war, dass es wohl eine Zeitfressmaschine ist. Ich habe mir dann eingeredet – und ein paar Funken Wahrheit werden schon dabei sein –, dass meine Freunde wahnsinnig geistreich sind und man recht schnell Mechanismen entwickelt über die Katzenfotos und Selbsththilfe-Sonnenuntergangs-Sinnsprüche hinwegzuscrollen.

Irgendwann dämmert es mir: Ob mich wer vermissen wird, und es kommen auch recht schnell die Meldungen im Sinne von “Na geh, wie soll ich denn jetzt Kontakt halten zu dir?”. Also, gezählte zwei derartige Meldungen, in einem Monat. Ich verkneife mir meine zynischen Reflexe ("Ist dein Telefon kaputt?" "Buschtrommeln?") und antworte: "Ist ja nur ein Monat".

Blau-Gelb statt Blau-Weiß

Und so vergehen die ersten beiden Wochen weitgehend ereignislos. Bei den Besuchen bei Freunden findet man sich immer wieder in Gesprächen wider, ob man denn dieses oder jenes Post gesehen … ach, ja, du bist ja auf Facebookpause. Worum es denn in diesem Post gehen würde, darauf wird abgewunken. Ach, gar nichts eigentlich, nur ganz witzig, Situationskomik, neinnein, du verpasst eh nix.

Ich beginne mich zu wundern, ob man sofort ausgeschlossen wird aus der Familie (the first rule of Facebook is, you have to be part of it), oder ob es genau umgekehrt ist – der Familie wird erst halbwegs bewusst, was sie da tun, wenn sie es einem Außenstehenden erklären müssen.

Die Zeiten, in denen ich jetzt nicht in das Blau-Weiß von Facebook starre, verwende ich um Italienisch zu lernen, etwas was ich schon immer tun wollte. Und so starre ich eben ins Blau-Gelb von Rosetta Stone, allerdings doch deutlich interaktiver, und – wie mir scheint – auch produktiver.

Bild(er) © Facebook
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