Ein Stoiker mit falschem Bart

Get Well Soon alias Konstantin Gropper über den Affenzirkus Musikbusiness, das Konzeptalbum und falsche Wahrnehmung.

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Der deutsche Sänger weilte am FM4 Geburtstagsfest in Wien, wo er erstmals sein neues Album „Vexations“ live präsentierte. Im Vorfeld des Abends sprach er mit Barbara Schellner unter anderem über sein Image als musikalisches Wunderkind, Vorteile des Konzeptalbums und warum er sich nicht gerne mit fremden Lorbeeren schmückt. Und über das Texten mit falschem Bart.

Dein neues Album „Vexations“ dreht sich im Grundthema ja um Zitate von Seneca bis Satre und wird gerne als Konzeptalbum bezeichnet und darauf reduziert. Stört dich das?

Nein, das einzige was mich daran stört ist, dass in der Info zum Album nur Stoizismus als Konzept hervorgehoben wird. Das Konzept dahinter war eher die Arbeitsweise, ich habe meine Texte an die Themen und Ideen angelehnt, die ich vorher hatte und dazu recherchiert, eine Art Stoffsammlung erstellt und daraus dann Collagentexte gemacht. Daher stört mich auch die Bezeichnung Konzeptalbum nicht. Ich wollte das bewusst öffentlich machen, denn sonst ist es ja sozusagen Texten mit falschem Bart. Ich wollte mich nicht mit fremden Lorbeeren schmücken und nur Name Dropping machen, sondern einfach verdeutlichen, wen ich auf „Vexations“ zitiere. Sonst wär es ja nur geklaut.

Deine Arbeitsweise hat sich im Vergleich zum letzten Album auch verändert. „Vexations“ wurde gemeinsam mit anderen Musikern aufgenommen, nicht im Alleingang, und war auch deutlich schneller fertig.

Naja, das Texten hat doch lange gedauert, allerdings habe ich mich diesmal sehr intensiv mit den Texten beschäftigt, der größte Unterschied zum ersten Album ist aber, dass ich diesmal alles an einem Stück gemacht habe, also zuerst Texte, dann Musik, dann Aufnahmen. Die Musiker sind erst dazugekommen, als ich alles schon fertig hatte. Ich habe quasi eine Rohfassung an die beteiligten Musiker verschickt und dann sind wir ins Studio gegangen, wo dann alles eingespielt wurde. Tatsächlich ist der Entstehungsprozess jetzt gar nicht so groß anders gewesen. Richtig im Studio waren wir nur eine Woche.

Heute wirst du das erste Mal das neue Material live spielen und das auf einem Open Air Konzert bei Minusgraden, bist du eigentlich noch aufgeregt vor Auftritten?

Erstaunlicherweise geht es, nur bin ich grundsätzlich eher wegen der Veröffentlichung des neuen Albums nervös. Beim ersten Album war ich noch unschuldiger, aber jetzt wo ich weiß, wie der ganze Affenzirkus läuft, ist es natürlich was anderes. Aber Angst vor der Kälte habe ich ein bisschen. Wir werden heute allerdings nur die schnellen Songs spielen, also so schnell es halt geht bei uns.

Liegt dir das „auf Tour gehen“ am Herzen oder siehst du das eher als Teil des Jobs?

Das auf Tour gehen liegt mir sehr am Herzen, als Job sehe ich eher die Unannehmlichkeiten, die damit verbunden sind. Wenn man sowas nur aus Spaß machen würde, wäre man wahrscheinlich freiwillig nicht sechs Wochen am Stück unterwegs, sondern hier drei Konzerte, dann heimfahren. Denn im Grunde ist so eine Tour harte Arbeit und anstrengend. Aber die Konzerte selber sind natürlich super. Und wir sind wieder mit einem großen Nightliner unterwegs. Das ist weitaus angenehmer als die ewigen Hotels. Mit dem Bus hat man so quasi jede Nacht eine „Homebase“ und weil man schon morgens in der Stadt ankommt, kriegt man auch was von der Gegend mit.

Du lebst momentan in Berlin?

Eigentlich in Mannheim, aber auch Berlin. Im Jet-Set muss man ja mindestens zwei Wohnorte haben.

Aber du hast auch lange in Irland und England gelebt? Oder wieder eine falsche Info?

Ich habe gerade ein halbes Jahr in Dublin gelebt, das wars auch schon. Dieses Weltbürgermäßige wird mir immer gerne angedichtet, genauso wie eine klassische Ausbildung, ich war auf der Jugendmusikschule und das wars.

Du wirst auch gerne als musikalisches Wunderkind dargestellt…

Instrumente kann ich auch nicht spielen, das ist auch nicht richtig. Ich spiele die zwar, aber ich kann es nicht. Aber das ist ja auch so eine Erfahrung mit dem Affenzirkus, die ich beim letzten Album gemacht habe. Was geschrieben wird und wie ich dargestellt werde, hat nicht zwangsläufig viel mit mir zu tun, aber das find ich auch gut so.

Es gibt also so eine Art Kunstperson von dir?

Ja, genau. Das ist ja auch beruhigend zu wissen, dass die Leute denken, eine Person zu kennen, die ich aber nicht bin. Ich sehe mich auch ungern als Privatperson in der Öffentlichkeit. Aber tatsächlich ist dieses ganze Zitatverfahren, im Nachhinein betrachtet, auch eine Reaktion auf die Tatsache, dass ich auf einmal so in der Öffentlichkeit stehe. Vielleicht ist das so eine Strategie, das einfach zu relativieren.

Vielleicht willst du dich auch als Privatperson schützen, wenn du die Worte Anderer in deinen Songtexten verwendest.

Ich glaube, dass das unbewusst eine Motivation war. Es war schon ein Experiment, zu sagen, ich selbst bin ja sowieso nie allein der Autor von irgendwas. Diese postmoderne Theorie, dass der Autor und seine Biographie bitte herausgehalten werden soll aus der Interpretation, das klingt alles sehr gut für mich, kann aber in der so Popmusik nie funktionieren, weil man will sich immer identifizieren, man will immer über die Gefühlswelt des Autors Bescheid wissen. Ich versuche da ein bisschen dagegen zu wirken. Das machen alle, ich mache das nur öffentlich und die Zitate vorzuschieben. Da fällt mir Element of Crime dazu ein. Sven Regner ist ja jemand der sehr realistische Texte schreibt, die er sich natürlich auch ausdenkt. Ich mag die Texte sehr gerne, aber ich könnte solche Texte nicht schreiben. Die Texte sind auf eine Art schon sehr egozentrisch, das ist nicht so mein Ding. Da muss man einfach sagen, das wirkt sehr authentisch, ist es aber nicht. Kann ja sein, dass Sven Regner das alles erlebt hat, ich kann es mir nur nicht vorstellen. Oder Tocotronic. Die haben sich ja auch sehr entfernt von diesem „Ich beschwere mich über die Welt, konkret über die Fahrradfahrer“, sondern das ist jetzt alles auch sehr märchenhaft. Jedenfalls wollte ich mich anscheinend unterbewusst durch das Zitieren schützen, weil ich auf einmal unvorbereitet in der Öffentlichkeit gestanden bin.

Aber hat dich nicht gerade die Popakademie, an der du in Mannheim studiert hast, auf genau sowas vorbereitet?

Eigentlich total, das war auch das Zentrum der Ausbildung, vielmehr noch als das Musikalische. Aber ich war trotzdem vollkommen unvorbereitet. Vor allem weil ich gar nicht damit gerechnet habe, dass das ausgerechnet bei mir so läuft. Ich hatte dort tatsächlich Interviewtraining, trotzdem fühlt man sich ins kalte Wasser geschubst. Man kann es ja nie so genau abschätzen, wie es wirklich läuft.

Was hättest du denn getan, wenn es mit der Musik nichts geworden wäre?

Ich habe ursprünglich begonnen Lehramt zu studieren, das habe ich dann aber wieder aufgehört, weil ich an die Popakademie gegangen bin. Ich habe mir auch gedacht, wenn ich es mal irgendwie schaffen will, dann muss ich mich auch hundertprozentig darauf einlassen. Und das hat sich ja auch tatsächlich bewahrheitet. Sonst wäre die Musik mit Sicherheit ein Hobby geblieben. Also ist Lehramt nach drei Semestern konkret kein Plan B. Wenn es mit der Musik also nicht mehr hinhaut, muss ich mir was überlegen. Im Moment läuft es ja sehr gut, ich habe mir auch mit Filmmusik noch ein bisschen ein zweites Standbein aufgebaut. Ich habe mittlerweile schon bei fünf Filmen mitgemacht, unter anderem für „Palermo Shooting“ und aktuell für „Same Same But Different“ von Detlev Buck, der gerade in den Kinos läuft. Da habe ich ein bisschen den Fuß in der Tür, es macht großen Spaß und bringt Abwechslung.

Wie läuft das mit Filmmusik machen denn konkret für dich ab?

Das erste Treffen ist meistens in einem Stadium, wo es nur sehr sehr rudimentär Filmmaterial gibt. Bei „Same Same But Different“ habe ich davor zehn Minuten Filmmaterial gesehen und der Rest wurde mir mündlich erzählt. Dann habe ich einen kompletten Schuss ins Blaue abgeliefert und der war dann auch total falsch, den Auftrag habe ich aber trotzdem bekommen. Es ist halt eine ganz andere Arbeitsweise. Für mich neu ist natürlich, dass man im Dialog mit dem Regisseur arbeitet und Kompromisse eingehen muss. Normalerweise arbeite ich ja sehr isoliert, da gab es einiges zu lernen. Aber es macht sehr großen Spaß.

Das Album „Vexations“ ist am 22. Jänner via City Slang / Universal erschienen.

Get Well Soon Live:

20.2. Weekender, Innsbruck

21.2. Rockhouse, Salzburg

22.2. PPC, Graz

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