Einreiseverbot im Erdbeerland

Warum auch immer, es wurde mir vor einigen Tagen ein Mail zugespielt, indem zu lesen stand, was ein feministisches Popkulturmagazin in seiner kommenden Ausgabe als Leitthema für sein Heft plant.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Ich war sofort begeistert und verrate wohl nicht zuviel, wenn ich sage, dass es dabei um »Haare« gehen soll. Ein bisschen mehr, aber noch immer nicht zuviel verrate ich, dass ich mit dem Gedanken spielte, der mir völlig unbekannten Chefredaktion eine hingesuderte Jeremiade über männlichen Haarausfall zu schicken.

Ich ließ es aber bleiben. Erstens will so etwas ja niemand lesen und zweitens – viel wichtiger – will ich Derartiges eigentlich gar nicht erst schreiben. Das geht mir jetzt zu nah. Denn während im Frühling die Natur zu neuer Pracht erwacht und alles grünt und geil austreibt, stirbt mein spärliches Kopfhaar und sagt meiner Schädelhöhe für immer adieu. Selbst die allseits bekannte und angeblich auch wissenschaftlich überprüfte Wahrheit »Männer mit Bart und Glatze, sind gut auf der Matratze«, ist nur ein sehr schwacher Trost für dieses wiederkehrende Ereignis. Leider. Zudem beschlich mich auch das heimliche Gefühl, dass ein feministisches Popmagazin vielleicht nicht der richtige Ort ist, einen Text über genetisch bedingten Haarausfall beim Mann zu platzieren.

Nein, nein, da müsste man ein anderes Thema finden, das alle interessiert und dennoch spezifisch ist. Irgendwas mit Sex oder Körperflüssigkeiten. Zum Beispiel eine Hintergrundreportage darüber, wer denn die Menschen sind, die pornografischen Machwerken das Prädikat »Female Friendly« verleihen? Ich hab da einmal wo gelesen, dass sich Frauenrunden einmal monatlich im Bürokomplex von PornHub in Montreal treffen und basisdemokratisch dem gesichteten Material die Pink Venus verleihen. Aber mir schwöbe auch ein journalistischer Do-It-Yourself-Bericht vor, bei dem ein Mann seiner Freundin Binden, Tampons oder Menstruationsbecher bastelt, das testen lässt und die positiv bewerteten Basteleien bei lässigen Craft-Party-Nights dann ultranachhaltig an die Frau bringt.

Mir fällt in diesem Zusammenhang gerade meine Austropop-Lieblingszeile ein. Sie stammt von Peter Cornelius und ist grammatikalisch von prickelnder Knusprigkeit. Ein echtes Ding für Feinspitze: »Du hast das Recht so zu leben, denn du hast nur das eine, ok«, singt er in »Segel im Wind« und setzt sich mutig über sprachliche Gepflogenheiten hinweg. Denn der im ersten Satzteil verwendete Infinitv »zu leben« wird im zweiten Teil wieder aufgenommen und nominal gebraucht. Cool, ein echter Syntaktik-Punk. Wie dieser rhetorische Kunstgriff heißt, weiß ich jetzt leider nicht, er scheint mir aber ziemlich eng verwandt mit dem Zeugma bzw. der Syllepsis zu sein. Ein E-Mail an drei Sprachwissenschafter hab ich aber bereits verschickt, bei Interesse und Nachfrage kann ich das dann gerne mal wohin posten.

Was ich im Mail an die Experten verschwieg, hier aber erklären sollte, da man sich sonst zurecht wundert, wie ich von selbstgebastelten Monatshygieneartikeln auf Peter Cornelius’ »Segel im Wind« komme, ist ein akustisches Missverständnis, das oft mit dieser schönen Zeile einhergeht. Nicht selten versteht man bei ungenauem Hinhören nämlich: »Du hast das Recht so zu leben, denn du hast nur das eine, O. B.!« Da tut sich nun ein neues, weites Feld für tolle Überlegungen auf. Nur soviel: Der selbstgebastelte Menstruationsbecher wäre wohl wiederverwertbar, was völlig neue Rechte und Pflichten in Sachen Lifestyle mit sich brächte.

Egal. Gedacht hab ich in letzter Zeit übrigens auch öfters auch an Günter Grass. Letzterer hat es ja geschafft, mit seinem in vier Tageszeitungen gleichzeitig erschienenen Gedicht »Was gesagt werden muss« ordentlich Diskursprügel und ein Einreiseverbot in Israel zu kassieren. Was man aber in der ganzen Affäre positiv vermerken sollte, ist die tolle Begleiterscheinung, jetzt jeden Kommentar, Meinung oder Belanglosigkeit als schlechtes Gedicht verpacken zu können. Es muss sich nicht einmal mehr reimen.

Ich hätte da zum Beispiel ein Frühlingsgedicht im Angebot, das ich schon einmal vorab socialmediamäßig getestet habe. Es geht um Bärlauch:

Bärlauch,

Du Langos der Auen und Wälder!

Der Westwind treibt Deine Knoblauchrülpser

an mein Zimmerfenster.

Stirb als Knödel

oder Pesto.

Ähnliches hab ich auch mit Spargel gemacht. Ich schätze ja dieses Gemüse und gehöre zu jenem Prozentsatz der Menschen, deren Lulu nach Verzehr der phallischen Feldfrucht nicht nach Schwefel riecht. Ich bin anscheinend genetisch nicht dazu in der Lage, irgendwas aufzuspalten. Ein Enzym, oder eine Säure oder was Ähnliches fehlt mir. Man wird leider nicht ganz schlau aus den Internetartikeln darüber, ob das nun gut oder schlecht sei. Der Tenor sagt, es sei egal, ich glaub das aber nicht. Das Gedicht jedenfalls, das ich darüber verfasste, könnte ein Problem werden.

Grün und weiß

ich liebe dir, du Spargel

stach und schälte dich

wie eine Banane mit Eichel

eingemacht verzehrt in Vereinsfarben

beim Fußballspiel zu Hanappi.

Aber nicht in der Fankurve.

Dort stink es nach Schwefel auch ohne dich

und nicht nach Rosen und Veilchen, wie bei mir.

Ich hätte auch noch einige Zeilen zum Erdbeerland im Talon. Aber ich will kein Einreiseverbot dorthin riskieren. Erdige Hände und Hintern in luftigen Höhen finde ich zu reizend, leider.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...