Harvest Of Art Vienna 2016 – nicht mehr in Wiesen, aber nicht weniger gut geht das Festival in seine fünfte Runde. Am Freitag gab es etwa exklusiv PJ Harvey in Wien zu sehen. Heute geht’s auf der Burg Clam weiter.
Es gibt riesig große und winzig kleine, es gibt welche mit Bungeekränen und andere mit Yogaklassen, es gibt die, die irgendwie schon immer da waren, und es gibt die, die sich nach längerer Abstinenz wieder zurückmelden. Es gibt auch welche, die groß auf die Pauke hauen, aber dann wieder heimlich verschwinden. Das Harvest Of Art ist keines jener Festivals, auf denen man umringt von Hunderttausenden verzweifelt angetrunken nach der ewig vermissten „Helga“ ruft, aber auch keines von denen, wo zwischen den musikalischen Einlagen Töpferkurse und Poetry-Slams abgehalten werden. Beim Harvest Of Art geht’s um handgemachte Musik für Liebhaber von Indie, Folk und Co.
Von den Wurzeln gelöst, aber genauso gut
In seiner fünften Auflage hat sich das Festival von seinen Wurzeln im burgenländischen Wiesen endgültig gelöst und wurde verlegt: Am ersten Juli-Wochenende findet es einerseits auf der oberösterreichischen Burg Clam (heute, 9. Juli) statt und am gestrigen Freitag gab es eben ein Gastspiel in der Marx Halle in Wien. Geladen dazu waren die unvergleichliche Rock- und Songwriter-Ikone PJ Harvey, die melancholische deutsche Pop-Rock-Instanz Element Of Crime, der irische Singer-Songwriter Glen Hansard, die Schweizer Multiinstrumentalistin Sophie Hunger sowie Matt Corby aus Australien und Lola Marsh aus Israel.
Geboten wurden die Musikerinnen und Musiker den Schwärmern für und Liebhabern der eher sanften Klänge dann in exakt umgekehrter Reihenfolge. Zwar spendete die Marx Halle Schutz vor der brütenden Nachmittagssonne, jedoch blieb man auch im Schatten nicht vor Schweißausbrüchen am ganzen Körper verschont. Erst zu den Klängen von Sophie Hunger – oder vielleicht auch mit der sich allmählich nach Westen ziehenden Sonne – stellte sich auch eine erste Unruhe, vielleicht auch Vorfreude, ein. Die Schweizerin, ebenso entzückt vom Publikum wie das schwitzende Publikum von ihr, lieferte ein makelloses Set und rückte – zurecht – ihr kleines Ensemble an Vollblutmusikern dabei erfolgreich in den Vordergrund. Während die Festivalbesucher sich im Außenbereich umringt von „Rockfood“ und „Braualtar“ den Schweiß von der immer noch intensiven Sonne trocknen ließ, überlegte sich Glen Hansard schon seine kleinen Unterhaltungseinlagen zwischen den Folksongs. Eine halbe Stunde waren Fußballfans glücklich, dass auch Hansard lieber Frankreich auf dem EM-Thron sehen würde, und Musikliebhaber über ein heimliches Cover von Nick Drakes „Northern Sky“.
Die geladene Stimmung, die die Dämmerung mit sich brachte, wussten schließlich Sven Regener und seine Element Of Crime für sich zu nutzen. Doch auch wenn es schon vor ihr so einiges zum Hören und Staunen gab – gekommen war man für PJ Harvey, die unangetastete Königin dieser heißen Sommernacht. Sie marschierte mit zehnköpfiger Band auf, bereit ihren Protest, ihre Wut, aber auch ihre geradezu laszive Freude in einem Schwall an Energie auf das begeisterte Publikum loszulassen. Fast überfahren von Pauken, vielstimmigen Schlachtgesängen, Marschtrommeln und jeder Menge Inszenierung brauchten die erschöpften Zuhörer allerdings ein wenig, um sich gänzlich auf Ms Polly Jean einzulassen. Waren die anfänglichen Schüchternheit und das Herantasten an das neue Material von „The Hope Six Demolition Project“ jedoch erst überwunden, sang, räkelte und marschierte PJ Harvey über das sich bereitwillig ergebende Publikum hinweg.