Game-Story-Autorin Margaret Robertson kommt als Speakerin zur Stag Conference. Vorab sprachen wir mit ihr über die Notwendigkeit und Eigenheiten von Storys in Computerspielen.
Was macht grundlegend eine gute Story aus und wie wichtig ist es, wie sie erzählt wird?
Darauf gibt es nicht die eine richtige Antwort. Es gibt zu viele verschiedene Geschichten und noch mehr Arten diese zu erzählen. Als Beispiele: Ganz aktuell lese ich gerne »Tristram Shandy«: Die Geschichte riesig, verschachtelt, selbst-referenziell, dicht und bahnbrechend. Oder auch wortlose Geschichten wie die Fotostory auf dieser Seite – über Schweine im All. Gute Geschichten brauchen Balance und Zusammenhang, sie müssen sich ihrer eigenen Ziele und Stärken bewusst sein. Es gibt gute Geschichten, die beinahe ohne Plot auskommen, ohne Charaktere, die nur deswegen gut sind, weil sie gut erzählt sind oder auch welche, die auf 100 verschiedene Arten erzählt werden können.
Wozu brauchen Games eine Story? Soll diese den Spieler motivieren? Ihn emotionalisieren?
Auch darauf gibt es nicht nur eine Antwort. Geschichten geben Entwicklern viele Möglichkeiten, um mit dem Spiel in die Gänge zu kommen. Außerdem lassen sich durch eine Story oft die Spielregeln vermitteln. Hat ein Kampfspiel etwa keine Story, aber zehn verschiedene Waffen, so kann der Spieler Waffe A von Waffe C und D womöglich schwer unterscheiden. Eine Weltkriegs-Setting mit Waffen, die Sniper-Rifle oder Pistole genannt werden, macht die Sache schon einfacher. Und ja, Storys können den Spieler motivieren und eine emotionale Verbindung herstellen. Wichtig ist auch, dass sie Humor und Pointen ermöglichen. Man kann gar nicht genug über Humor sprechen, wenn man über Storys spricht.
Du warst auch als Spieletesterin tätig. Warum sind die meisten Geschichten in Computerspielen es eigentlich nicht wert, erzählt zu werden?
Es stimmt schon, dass die meisten Geschichten nicht gut wegkommen, wenn man versucht, sie außerhalb des Spiels nachzuerzählen. Das mag manchmal an den schlechten Storys liegen, aber es ist auch wichtig zu erwähnen, dass die Storys hier außerhalb ihres Kontextes funktionieren sollen. In Spielen ist die Geschichte nur ein Teil der Erfahrung, die in Büchern oder Filmen eine größere Gewichtung hat. Ich denke, es macht eher Sinn, hier Games mit der Oper zu vergleichen – auch dort ist die Story nur ein kleiner Teil dessen, worum es geht. Die Geschichte von »Figaro« ist schwach und klischeebeladen – aber sie hilft wunderbar, um die Musik zu unterstützen. Manche Geschichten in Spielen klingen ebenso schwach, erfüllen ihre Aufgabe innerhalb des Spiels aber ganz hervorragend.
Aktuell entwickelst du bei Hide & Seek Games für öffentliche Plätze. Ist es schwieriger, hier eine Story zu erzählen, da man mitunter weniger Kontrolle über den Spieler hat?
An manchen Plätzen funktioniert es ganz hervorragend zu kontrollieren, wohin sich die Spieler bewegen und was sie sehen. Ebenso wie es digitale Spiele gibt, die dem Spieler erstaunliche Freiheit geben und es sehr schwer machen, eine Geschichte zu erzählen. Generell ist es aber sicher richtig, dass offene Plätze es schwerer machen zu kontrollieren, dass der Spieler an einem bestimmten Punkt ankommt und was er auf seinem Weg dorthin erlebt. Menschen sind glücklicherweise grundsätzlich geschichtsorientiert und meist freiwillig bereit, Dinge die sie sehen und die passieren mit dem Story-Rahmen in Verbindung zu setzen. Gerade deswegen geht es häufig darum, diesen Rahmen so zu entwickeln, dass er den Spielverlauf unterstützt.
In welcher Weise kann dann der Spieler als Autor der Geschichte angesehen werden?
Der Spieler muss ohne Zweifel als Autor der einen Geschichte, die er spielt, betrachtet werden. Es gibt immer die erzählte Geschichte des Entwicklers und die erlebte Geschichte des Spielers –es gibt also nie nur die eine Geschichte in einem Spiel. Spieler verbinden das in Spielen erlebte auch mit ihren eigenen Erfahrungen und ergänzen diese – sie haben ihre eigenen Anekdoten. Spiele haben immer mehrere Story-Ebenen die gleichzeitig passieren – das ist einer der Gründe, warum Spiele so reichhaltig sind und gleichzeitig die extrahierbaren Geschichten so dünn.
Die Stag Conference Stories & Games beschäftigt sich mit verschiedenen Formen interaktiven Storytellings, bietet internationale Speaker und findet am 27. September im Wiener Naturhistorischen Museum statt. stagconf.i>com