»Wien ist anders« sagt der Volksmund. Trifft das auch auf Wiens Clubs zu? Was unterscheidet die Clubs der österreichischen Hauptstadt von Tanztempeln in anderen Metropolen? Welchen Einfluss haben sie auf die heimische Clubkultur? Wir haben vier ausgewählte Clubs zu Wort kommen lassen.
Club-Statements FLEX Peter Schachinger
Peter Schachinger und Rudi Wrany, Flex: Was unterscheidet Wiener Clubs von Clubs in anderen europäischen Metropolen? Wiener Clubs sind nicht ganz so High-Tech ausgestattet wie beispielsweise Londoner Clubs, sie sind kleiner, überschaubarer und undergroundiger. Was haben die Wiener Clubs anderen europäischen Clubs voraus bzw. wo besteht Aufholbedarf? Soundmäßig sind wir in Wien auf gutem Niveau, die Visuals und die Gastronomie hinken etwas hinterher. Aufholbedarf gibt es keinen großen – es kann nicht überall ein Berghain geben. In Wien scheitert es oft auch an den Möglichkeiten. Gibt es ein Wien-spezifisches Merkmal, das sich durch die Clublandschaft zieht wie zum Beispiel Techno und Afterhour in Berlin? Wien hat noch erstaunlich viel Drum’n’Bass zu bieten. Im Four-to-the-floor-Bereich hat sich ein eindeutiger Hang zu mehr Deepness entwickelt, der leider manchmal etwas affektiert wirkt und nicht ganz mit dem Geschmack der Klientel mithalten kann. Was hat sich in der Wiener Clublandschaft in den letzten fünf Jahren verändert? Im Guten wie im Schlechten? Man merkt einen gewaltigen Zuwachs an Clubs, Crews, Veranstaltern und Locations. Das ist durchaus gut, führte aber leider auch zu unkoordiniertem Wildwuchs und »Wettbuchen« balearischen Musters. Ein Hauptproblem ist, dass man permanent internationale Acts bringen muss, um im Geschäft zu bleiben. Auf welchem Platz würdet ihr die Wiener Clubszene in internationalen Clubcharts vermuten? Sicher weiter vorne – Berlin, Barcelona, London und Amsterdam liegen wohl noch weiter vorne. Dann kommt aber schon Wien. In Zürich nervt die Soundlimitierung und in Paris oder Rom geht beispielsweise kaum etwas.
Club-Statements Morisson Javier Mancilla
Javier Mancilla, Morisson: Was unterscheidet Wiener Clubs von Clubs in anderen europäischen Metropolen? Wien ist nicht Berlin oder London. Allein aufgrund der Einwohnerzahl ist Wien auf eine kleinere Szene limitiert, deshalb sind Wiener Clubs ein wenig trashiger und schnelllebiger. Was haben die Wiener Clubs anderen europäischen Clubs voraus bzw. wo besteht Aufholbedarf? Aufholbedarf würde bestehen, wenn wir krampfhaft versuchen würden, aus jedem Club einen Großkonzern zu machen und damit die Entwicklung zu stoppen, in der sich Wien gerade befindet. Natürlich kann man mit viel Geld jede Venue High-Tech ausstatten, um den Clubstandard zu erhöhen, aber es ist wichtig, dass dieser spezielle Wiener Charme erhalten bleibt. Gibt es einen spezifischen Wiener Sound? Zurzeit zeigen die Jungs von Affine Records am meisten Eigenständigkeit und Potenzial. Es tut sich was. Was hat sich in der Wiener Clublandschaft in den letzten fünf Jahren verändert? Im Guten wie im Schlechten? Positiv ist, dass sich viele neue und vor allem kleinere Locations im stärker werdenden Konkurrenzkampf durchsetzen konnten. Negativ ist, dass es mittlerweile mehr Promoter als Hausmeister in Wien gibt und jedes zweite Beisl seinen Keller für Partys anbietet. Wie könnte man das Publikum in den Wiener Clubs am besten beschreiben? So wie die Clubs entwickelt auch ein Teil des Publikums den Anspruch auf mehr Qualität, was Musik und Service betrifft. Unserer Erfahrung nach ist man auch immer mehr zu Exzessen bereit.
Club-Statements Pratersauna Hennes Weiss Stefan Hiess
Hennes Weiss und Stefan Hiess, Pratersauna: Was unterscheidet Wiener Clubs von Clubs in anderen europäischen Metropolen? Clubkultur ist immer ein Zusammenspiel vieler lokaler Faktoren. Das macht es spannend und einzigartig. Die Wien-spezifische und nach wie vor viel zu konservative Sperrstunde, der Mangel an coolen Off-Locations, die viel zu strengen behördlichen Auflagen der MA 36, sowie die doppelte Steuerbelastung durch Vergnügungssteuer und die sogenannte Ausländersteuer (Vorzugssteuer auf internationale DJs) ersticken ein großes Potenzial, am internationalen Tanz-Parkett weit vorne mitzuspielen, sofort im Keim. Was haben die Wiener Clubs anderen europäischen Clubs voraus bzw. wo besteht Aufholbedarf? Die relativ geringe Dichte an Clubs mit regelmäßig anspruchsvollen Bookings ist schon spezifisch. Wien ist als Studentenstadt ja auch mit einer starken Kreativszene gesegnet. Vergleiche mit anderen Metropolen wie etwa Berlin haben sowieso keine Aussagekraft. Der musikalische Output spielt natürlich auch eine wichtige Rolle in der Positionierung Wiens als kompetitive Partymetropole. Während die letzten Jahre im elektronischen Bereich bis auf einige Ausnahmen etwas verschlafen wurden, befindet sich die Wiener DJ- und Produzentenszene endlich wieder auf der Überholspur. Eine überdurchschnittliche Dichte an guten elektronischen Festivals in Österreich im Vergleich zur Einwohnerzahl kommt auch nicht von irgendwoher. Auf welchem Platz würdet ihr die Wiener Clubszene in internationalen Clubcharts vermuten? Bei elektronischer Tanzmusik sind wir vorne mit dabei. Würdet ihr sagen, in Wien gibt es viele Club-Institutionen oder ist das Angebot, was gut besuchte und gehypte Clubs angeht, eher dürftig? Bezogen auf die Größe der Stadt hat Wien kein schlechtes Angebot. Auch wenn die Art der Clubs und Veranstaltungen noch etwas breiter gefächert sein könnte.
Club-Statements Volksgarten Kaveh Ahi
Kaveh Ahi, Volksgarten: Was unterscheidet Wiener Clubs von Clubs in anderen europäischen Metropolen? Nicht in den Clubs ist der Unterschied zu suchen, sondern im Wiener Publikum. Es macht Spaß, ein spezieller Wiener Club für das spezielle Wiener Publikum zu sein. Was haben die Wiener Clubs anderen europäischen Clubs voraus bzw. wo besteht Aufholbedarf? Der Anspruch in Wien ist viel höher. In Wien gibt es viele, verschieden aufgestellte Clubs, das ist zugleich ihre Stärke. Aufholbedarf gibt es nicht. Wien ist individuell. Was hat sich in der Wiener Clublandschaft in den letzten fünf Jahren verändert? Im Guten wie im Schlechten? Schlecht: Der Markt wurde durch zu viele Veranstalter kaputt gemacht. Positiv: Das Publikum hat ein gutes Angebot zu vernünftigen Preisen und langsam tritt eine Konsolidierung unter den Veranstaltern und Clubbetreibern ein. Auf welchem Platz würdet ihr die Wiener Clubszene in internationalen Clubcharts vermuten? Es ist falsch, sich mit so großen Städten und Party-Orten wie Ibiza zu vergleichen. Wien leistet eine saubere Arbeit und braucht sich nicht vergleichen.
Flex und Pratersauna sind von 28. September bis 2. Oktober Locations beim Clubfestival Waves Vienna (www.wavesvienna.com).
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