#wahlkampfimnetz

Plakatwahlkampf war gestern – während sich die österreichischen Kandidaten lang auf die großflächigen Sujets konzentrierten, werden Themen wie Big Data, verschiedenste Soziale Medien, Crowdfunding, Imagevideos und Gifs immer mehr zum Thema.

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2016. Wenn die Zeit im Bild an manchen Tagen mehr User auf Facebook als Zuseher im Fernsehen erreicht, wird Politikern vielleicht ebenfalls klar, dass ein guter Auftritt in einer TV-Diskussion, ein Lächeln von einem Plakat und das Verteilen von Feuerzeugen vermutlich doch zu oldschool ist, um damit alle Alters- und Bevölkerungsschichten anzusprechen. Gleichzeitig hat Facebook in Österreich laut eigenen Angaben fast drei Millionen täglich aktive Nutzer – und übertrifft dabei sogar die Kronen Zeitung mit 2,3 Millionen Lesern (lt. Mediaanalyse). Wahlkampf im Netz ist – spät, aber doch – auch in Österreich angekommen. Während die New York Times den US-Wahlkampf erstmals zum Gif-Wahlkampf erklären, haben es die Parteien hierzulande zumindest geschafft, einen digitalen Fußabdruck in Form von Youtube-Videos zu hinterlassen. Damit hinkt die österreichische Politik, was die digitalen Möglichkeiten und die Partizipation betrifft, dennoch weit hinterher. Wie es anders funktionieren kann, zeigte Obama schon vor vier Jahren.

Yes, we can #bigdata

Obama hat mit dem Internet – wie Kennedy schon 1960 das Fernsehen – ein neues Medium und damit auch neue Wähler für sich gewonnen. Das US-Magazin Time schrieb seinen Sieg bei der Wiederwahl letztlich seinem Datenverarbeitungsteam zu. Vorhandene Daten wurden analysiert und genutzt um Wähler und Spender persönlich anzusprechen und das richtige Wording und den richtigen Kanal zu treffen. Obama hatte bereits im Wahlkampf 2008 insgesamt 34 Millionen Facebook-Fans und 23 Millionen Twitter-Follower – damit waren 98 Prozent der US-amerikanischen Facebook-Nutzer mit jemandem befreundet, der, zumindest online, ein Obama-Fan war. Auf Facebook hatte man erkannt, dass politische Inhalte von Usern besser aufgenommen werden, wenn sie von bekannten oder befreundeten Personen weitertransportiert werden. Dies wurde durch die App »Obama for America« forciert – ein Klick und eine Bestätigung, danach erschien auf der Pinnwand ein Logo der Obama-Kampagne und eine Meldung, dass die betreffende Person die Kampagne unterstützt. Mehr als eine Million Unterstützer benutzten die App und gaben dabei gleichzeitig das Einverständnis, dass auf ihre Daten wie beispielsweise die Freundesliste zugegriffen werden darf. Insgesamt sahen 72,7 Millionen Amerikaner Barack Obamas Facebook Content in der Woche vor der Wahl. Die Kommunikation über soziale Netzwerke war allerdings nur ein kleiner Punkt der digitalen Strategie. Die Daten der Wahl 2008 wurden in einer Datenbank mit potenziellen Wählern, Fundraiser und Social Media-Kontakten zusammengefasst. In Verbindung mit demografischen Daten und dem Konsumverhalten erstellte man Profile und konnte sehr genau einschätzen, wen man online besser erreichen würde, für wen Briefe und Zusendungen interessant sind und wer ein potenzieller Wahlkampfmitarbeiter wäre. Im Zuge der weitreichenden Kampagne nutzte Obama auch Nischen – so stand er beispielsweise eine halbe Stunde auf Reddit für ein »Ask me anything« Frage und Antwort, um zusätzliche potenzielle Wähler zu erreichen. Ein wichtiges Tool für das Funding waren Newsletter, die je nach Profil mit verschiedenen Absendern und unterschiedlichen Wordings kontaktiert wurden, um zur optimalen Response zu kommen – via E-Mail konnte so auch ein Großteil des Kampagnen-Budgets von einer Milliarde Euro akquiriert werden.

Can we? #heifi2010

Die erste größer angelegte Social Media-Kampagne in einem österreichischen Wahlkampf startete Heinz Fischer mit seinem Team zur Wiederwahl vor sechs Jahren. 2010 hatten erstmals auch 16- und 17-Jährige bei der Bundespräsidentschaftswahl die Möglichkeit, ein Kreuzerl zu machen und bildeten ein Sechstel der Wahlberechtigten. Als 71-Jähriger Jungwähler anzusprechen ist keine einfache Sache – das Team um den Bundespräsidenten setzte dabei auf eine verhältnismäßig aufwendige Social Media- und Onlinekampagne, mit eigenem Fokus auf jüngere Wähler. Etwa ein Zehntel des Wahlkampfbudgets wurde in Online-Aktivitäten investiert, zusätzlich zur klassischen Homepage wurde mit heifi2010.at eine Plattform speziell für Jugendliche eingerichtet. Zwei Kanäle, zwei Wordings, zwei Zielgruppen. Zusätzlich tourte Fischer mit einer »mobilen Hofburg« durch ganz Österreich und lud junge Menschen ein, ihre eigene Rede an die Nation zu halten. Veröffentlicht wurden die Reden der Jugendlichen dann auf heifi2010.at. Dass sich der damals amtierende Bundespräsident selbst nicht zu ernst nahm, bewiesen er und sein Team durch die Applikation »FischerYourself«, bei dem die Nutzer die markanten Augenbrauen und Frisur auf ihr Profilbild übertragen konnten. Eine Innovation war diese Kampagne damals vor allem, weil Social Media zuvor noch nie so intensiv genutzt wurde, meint Philipp Maderthaner, der 2011 mit dem Campaigning Bureau die erste Campaigning-Agentur in Österreich gegründet hat, die gleichzeitig als Europa-Partner von Barack Obamas Kampagnen-Agentur Blue Star Digital agiert. »Natürlich ging es da auch um Effekthascherei – das ist aber nicht unbedingt negativ gemeint. Niemand hatte zu dieser Zeit ein Youtube-Video oder einen aufwendig bespielten Social Media-Kanal, mittlerweile ist das allerdings Standard und sorgt für weniger Aufsehen, wie man bei den aktuellen Kandidaten sieht.«

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