Neue industrielle Revolution, ausgedruckte Waffen und ausgedruckte Schnitzel – Zwischen Skandalstorys, harmloser Spielerei für Geeks sowie Konsum- und Erlöserfantasien ist jede Menge Platz für Spekulation über die Zukunft des 3D-Drucks. Aber was bleibt vom Hype unterm Strich übrig?
3D-Druck, früher ein Nischenthema, machte in den letzten Monaten einen medialen Looping nach dem anderen. Zunächst war die Rede davon, wie praktisch es sein könnte, sich in Zukunft ein Kunststoff-Ersatzteil für einen Geschirrspüler auszudrucken. Dann wurden die Baupläne für die »erste funktionierende Waffe« ausführlich diskutiert (böse!), und hinterher war von ganzen ausgedruckten Häusern, Nahrungsmitteln oder Organen die Rede – in letzterem Fall folgte dann meist der obligatorische moralische Hinweis auf Frankenstein, Orwell oder irgendein anderes apokalyptisches Szenario.
Die Aufregung hat einen realen Hintergrund: Innerhalb kurzer Zeit hat sich die 3D-Drucktechnik rasant weiterentwickelt, die Preise für Drucker fallen, deren Qualität steigt – Entwicklungen, die uns von CD-Brennern, Kameras oder Handys bekannt vorkommen. Am auffälligsten konnte man das in der Modebranche sehen, allen voran bei der niederländischen Designerin Iris van Herpen. Vor drei Jahren präsentierte sie mit »Crystallization« die erste 3D-Print-Kollektion, die in der Modewelt wie eine Bombe einschlug. Mit Björk oder Lady Gaga als Kundinnen braucht sie sich um ihre Pension keine Sorgen mehr zu machen. In einem Interview meinte sie: »Ich hatte früher immer etwas Dreidimensionales im Kopf und musste es in eine zweidimensionale Skizze bringen, um es präsentieren zu können. Doch das fühlt sich wie alte Schule an. Jetzt kann ich meine Idee in ein 3D-Computermodell umwandeln und dann gleich mit dem Drucker Realität werden lassen.«
Und für Laien?
Die Preise für leistungsfähige Geräte sind allerdings noch astronomisch. Helmut Eder etwa, Betreiber eines Copyshops in der Burggasse in Wien-Neubau, hat 85.000 Euro dafür bezahlt. Damit könnte man sich das viel zitierte Ersatzteil für den Korb des Geschirrspülers zwar ausdrucken, aber funktionstüchtig ist es nicht, denn es würde zerbrechen. Gedruckt wird nämlich mit einem gipsähnlichen Pulver, das mit einer Art Superkleber überzogen wird. Objekte mit einer Größe von 28 mal 38 mal 20 cm sind möglich, aber belastbar sind sie nicht. Während Helmut Eder die Technik erklärt, entstehen langsam rund 20 verschiedene Entwürfe eines Henkels für eine Tasse, im Auftrag eines Caterers. Anschauungsmodelle, keine Funktionsmodelle. Richtig leistungsstarke Druckmaschinen, die zum Beispiel voll funktionsfähige Teile aus Kunststoff produzieren können, spielen in einer anderen Liga. Sie kosten gleich rund eine halbe Million.
Für die Aufregung um billige Heimdrucker hat Eder insofern nur ein Lächeln übrig: »Das ist Blödsinn. Ich hab mir selber gerade so ein Gerät um 2000 Euro zum Spaß zugelegt. Man kriegt nichts Brauchbares dabei heraus, grobe Strukturen gehen zwar halbwegs, schwierige Geometrien kannst du vergessen. Ich kann mir aber vorstellen, dass es in drei bis fünf Jahren tatsächlich soweit sein könnte, dass man damit auch etwas zustande bringt.« Bei einem Hersteller, der schon 22.000 dieser Drucker verkauft hat, heißt es deshalb vorsichtshalber auf der Website: »Warning! Patience, know-how and a sense of adventure required«. Zu Deutsch: Laien sollten die Finger davon lassen. Wer es andrerseits als Erstes sinnvoll und leistbar hinbekommt, eine leicht verständliches Interface mit einem leistungsfähigen Drucker zu verbinden, könnte wie Steve Jobs mit iTunes und iPod für die Mobilgeneration bald schon als neuer 3D-Guru gelten. Oder überhaupt irgendwann als Pionier des aus »Star Trek« bekannten Replikators.
Die neue industrielle Revolution
Chris Anderson, ehemals Chefredakteur der Technologie-Zeitschrift Wired, hat für die 3D-Bewegung bereits die passende »Bibel« geschrieben. Andersons Buch »Makers. The New Industrial Revolution« ist heute das, was vor zehn Jahren für die Kreativindustrie Richard Floridas »The Rise Of The Creative Class« war: ein ebenso erhellendes wie manchmal fast schon befremdlich optimistisches Buch, das den US-amerikanischen Pioniergeist in sich trägt.
»Der Schritt vom Erfinder zum Unternehmer ist so klein, dass er kaum mehr existiert. Tausende Unternehmen entstehen heute aus dem Maker-Movement und industrialisieren den DIY-Geist. Heute kann jedermann mit einer Erfindung oder einem guten Design ein File uploaden bei einem Hersteller, der das Produkt in kleinen oder auch großen Mengen produziert. Letztlich ist die größte Veränderung nicht die, wie die Dinge gemacht werden, sondern wer sie macht.« Die Revolution findet statt, hier und jetzt – das ist die Kernaussage des Buches. Für den Amerikaner Anderson wie für Präsident Barack Obama spielen hier auch handfeste nationale Interessen eine große Rolle: Beide sehen in der neuen digitalen DIY-Welle eine Möglichkeit, verlorene Produktionskapazitäten wieder ins Land zu bekommen: »Jedes Land, wenn es stark bleiben will, braucht eine Produktionsbasis. Eine Wirtschaft, in der Dienstleistung eine große Rolle spielt, schön und gut, aber wenn man die Produktion weglässt, bist du eine Nation aus Bankern, Burger-Machern und Tour-Guides«, postuliert Anderson. Der Journalist sieht die Zeit gekommen, zu den Wurzeln des amerikanischen Traums zurückzukehren: etwas zu schaffen.
»Wir können heute den Weg zurück finden, aber nicht, indem wir zu den großen alten Fabriken zurückgehen, sondern indem wir eine neue Wirtschaftsproduktion schaffen, die eher wie das Internet selbst funktioniert: von unten, weitverzweigt und sehr stark vom Unternehmergeist beseelt.« Als wesentlichen Erfolgsfaktor sieht er das Teilen der Entwürfe im Netz. Damit sind wir bei einem Thema, das in Sachen 3D-Druck noch für Diskussionen sorgen wird: dem Copyright. Ähnlich wie beim Kopieren von Musik werden Produzenten eifrig an Softwarelösungen basteln, die Missbrauch verhindern, indem z.B. ein 3D-Drucker kopiergeschützte Dateien nicht ausdrucken kann. Doch was ist, wenn man Gegenstände mittels 3D-Drucker einscannt und danach ausdruckt? Man darf gespannt sein, wie’s diesbezüglich weitergeht.