Der einzigartige Andreas Dorau begeht seine ersten 50 Jahre mit einer Retrospektive und frischem Material. Standortbestimmung, obwohl er es gar nicht wollte. Man darf dankbar sein für dieses Original von einem Künstler.
Wie sind die solche Phasen der Reise zu sehen?
Als ich zum Beispiel anfing, mich für Dance zu interessieren, wurde ich sehr schief angeguckt. Dance und Deutsch! Dann habe ich versucht, möglichst nur mit Vocal Samples oder loopartigen Texten zu arbeiten. Stellte fest, das geht. Aber man möchte eben ungern dasselbe Lied zweimal schreiben. Es geht weiter. Was durchgängig ist, dass es bei mir keine Demos gibt. Kein Blueprint. Eine Spur, eine zweite und mehr, irgendwann verdichtet sich das. Dann sing ich was drüber, nehme wieder was weg, arrangiere anders. Es sind meist gar keine Songs, sondern Tracks die durch Strophe und Refrain wie solche wirken. Obwohl ich ja an sich ein kontrollierter Mensch bin, lasse ich mich da treiben. Aber nicht zu lange, lange kann ich das nicht. In einer halben oder dreiviertel Stunde bin ich fertig. Das geht bei mir sehr schnell, nachdem die Textfragmente da sind. Auch wenn ich mich mit jemandem zum Musikmachen treffe, gehe ich auch nach zwei Stunden nach Hause. Das geht nicht die ganze Nacht. Da bin ich dann ausgebrannt und gehe. Musik ist nun mal sehr persönlich, obwohl ich das eigentlich möchte. Leider ist es das doch. Obwohl ich nicht viel preis gebe, habe ich das Gefühl. Das braucht auch seelischen Ausgleich.
Der Faktor Band hat „Aus der Bibliothèque“ sehr gut getan.
In erster Linie habe ich damals mit Band aufgehört wegen dem Reisen mit Gruppe. Dieses Ding Jungsausflug mit Rockismen, wo man nach ein paar Tagen an der Bundeswehr-Grenze ist. Nicht meine Sache. Insofern hatte ich auch Angst vor der Sache mit Aufnahme. Funktionierte aber unheimlich gut. Ich hatte vorher überlegt, wenn sich das nach drei Tagen schlecht anfühlt, zieh ich die Reißleine. Die Endentscheidung lag bei mir, ganz klar. Ich kannte die Jungs vorher und die hatten sich vorbereitet, on mir kamen vorbereitete Loops. Aufgenommen haben wir es zusammen live. Für mich war spannend, weil ich das Singen über die Gitarre nicht mehr kannte. Die schwingt einfach mehr im Vergleich zum Synthie und ich bin nicht gerade der tongenaueste Sänger. Fühlte sich gut an und ich konnte dadurch freier mit den Vocals arbeiten. Über die Jahre habe ich mir angewöhnt, die Stimmen ganz früh aufzunehmen. Das ist stimmiger im Endeffekt, auch wenn es nicht tonal perfekt ausgearbeitet ist. Es gibt zwei Möglichkeiten, einen schlechten Sänger aufzufangen. Entweder ganz minimal, damit er mit Nichts in Konkurrenz ist oder einfach so ein fettes Backing mit Chören und Bläsern drunter zu legen, dass er nur mehr drüber segeln muss.
Was bedeutet das für die anstehenden Konzerte?
Laptop, Synthesizer, Gesang und Schlagzeug. Keine riesige Jungstruppe, die durch die Lande zieht. Ich möchte auch die älteren, elektronischen Stücke spielen, deswegen mein langjähriges Setup. Nicht Marke Super Collider, für die hab ich auch mal einen Mix gemacht. Aber Jamie Lidell möchte ich nicht in der Band haben. Das sind ja Jazzrock-Typen, Hardcore-Virtuosen, so gut sind die. Dieses Solieren will ich auf der Bühne nicht. Minimalismen reizen da mehr.
Wie trennst du den privaten Dorau vom Künstler?
Indem ich Pausen mache. Als Mensch sage ich jetzt keine anderen Sachen. Diese Rolle des Musikers oder des Kunstschaffenden mag ich nicht. Das Ergebnis schon, aber die Person in der Drucksituation und der Überheblichkeit ist mir nicht geheuer. Damit gehe ich sehr vorsichtig um. Als ich anfing, war ich eigentlich nicht an Musik interessiert, sondern an Tonträgern und Musikmanipulatoren. Später machte es doch Spaß.
Dürfte man sagen, dass du dich mit dem Schaffensprozess besser arrangiert hast?
Ja. Früher waren meine Krisen und Selbsthass weitaus größer. Vielleicht kann ich das mit dem Alter besser.
Du hast dich ja sehr lange monolitisch bewegt in der Szene. Siehst du vergleichbar parallele Linien im Umfeld?
Das versuche ich auch weiterhin. Meistens ist es ja so, dass wenn man anfängt Musik zu machen, mit einem gewissen Klang oder Szene nach oben kommt und assoziiert wird. Also in meinem Fall das Missverständnis mit der Neuen Deutschen Welle. Ich die ganze Zeit am Rechtfertigen war, nachdem ich die nicht kannte. Leidige Geschichte. Insofern ist mein Abgrenzungsverhalten wahrscheinlich ausgeprägter als bei anderen. In meinem Umfeld durchgängig aktiv über die Jahre fallen mir nur F.S.K. ein.
Und nach der Tour auf Urlaub?
Mit Spanien kannst du mich jagen, war ich zwei Mal. Dieses Müssigtum. Ich mag tatsächlich keine Sonne, oder besser die Hitze. Steh auch nicht auf Urlaub, soll aber nicht länger als eine Woche sein. Am Strand dreh ich dir nach einer halben Stunde durch. In meiner Kindheit waren das Museen und Kirchen. Goethes Kulturreisen brauch ich nicht. Es reicht mir, wenn ich die Dinge vom Auto sehe. Mal Aussteigen, mal Schauen und gut isses.
Sollte man noch Etwas wissen?
Nein, nein. Das war viel.
Stimmt.
Andreas Dorau spielt am 3. Mai live im Brut Wien. "Aus der Bibliothèque" wie die Retrospektive "Hauptsache Ich!" sind auf Bureau B / Indigo erschienen.