Kaffeesatzlesen aus den Byte-Trümmern der Zukunft. Electronic Task Force bringt News aus Techno, Bass, Beats, House und der elektronischen Avantgarde. Obacht!
Einen Jahresrückblick haben wir wieder nicht geschafft. Auch egal. Unsere Prognosen haben wir an anderer Stelle (hier und hier) abgegeben. Und wie stets um den heimischen Sound sonst so? Verdammt gut. Warum? Genau, hier steht es.
Do Easy
Do Easy Records wirft ihre bis dato stärkste Platte ins Rennen. Der hierzulande recht unbekannte Londoner Voigtmann liefert zwei klug arrangierte Techno-Tracks ab. Unterkühlt und wuchtig klingt das Titelstück “5000 Shades of Grey“. Stilistisch könnte es den rumänischen Wunderknaben von Arpiar zugerechnet werden. “Part Mute“ fokussiert ebenfalls auf einen reduzierten Überbau und der Remix der A-Seite von SIT rollt verspielt dahin mit einem Augenzwinkern Richtung frühe Perlon Releases.
Leap
Leap Records besinnt sich hingegen in ihrem dritten Release auf Deephouse. A:lex und Phil Madeiski, beide schon auf den ersten zwei Platten zu hören, zeigen sich für die drei bzw. fünf Tracks verantwortlich (drei Tracks wurden uns zugesandt, im Press-Release stehen fünf). Der Opener “9987“ kommt mit wenig aus: Satte Bassline, durchschleifende Hihats, Synth-Streicher und einem Wu-Tang Vocal. Durch das Arrangement erhält der Track seinen lässigen Groove, der von Anfang an nach Ghetto klingt. “Untiteld“ ist da um einiges braver und deeper. Die dubbigen Chords mit dem auf- und abschwellenden Subbass sind hier die tragenden Elemente. Den Schluss macht Phil Madeiski mit “Over Me“. Ein Killer-Soul-Sample, perfekt gechopped und unendlich gut in Szene gesetzt. Da stehen die Auspizien gut für die eine oder andere Chartplatzierung.
Affine
Aus einem ganz anderen musikalischen Eck kommt die neue EP auf Affine Records. Zanshin verhökert unter dem Titel “Swings & Roundabouts“ seine nerdigen Dancemaniatracks für Hornbrillenträger. Als Schwergewicht an komplexen Pattern und verschachtelten Grooves zentriert er seine gesamte Energie wie ein Wurmloch auf die Tanzfläche. Keine Kost für ausgetrocknete MDMA-Leiber. Dafür ein Zyklon der nördlichen Hemisphäre, der von Wien aus jedem beim Donner-Wetter-Blitz eiskalt erwischt. Persönlicher Hit der EP: “Chance Ain’t Counting The Daze“. Zieht euch warm an!
Luv Shack
Zum wohl erstaunlichsten Label der Alpenrepublik hat sich Luv Shack Records gemausert. Die achte Runde bestreitet „Head honcho“ Simon Lebon; auf jedem der vier Tracks in Kollaboration mit seinen Kollegen Jakobin, LeSale, Lee Stevens und Domino (hier sind nur drei angekommen). Gewohnt solider Nusoul-House, der vor Samples nur so strotzt. Wo die Jungs ihr Ausgangsmaterial herbekommen, wollen wir an dieser Stelle gar nicht wissen (Sample-Clearing ftw). Unterm Strich bleibt richtig guter House in der Tradition dessen, Erfolg gibt ihnen sowieso Recht.
Ghost Capsules
Ein komplett neues Projekt mit internationalem Hintergrund bildet Ghost Capsules. NME-Cover-Pelzmützenträger und Mittlerweile-Wiener Bomb The Bass hat mit Schlagzeuger Roman Lugmayr, Keyboard-Virtuosen Georg Lichtenauer und der Sängerin Laura Gomez ein Electro-Quartet gegründet. Ihre Sinlge “Inside“ erscheint mit einem Remix von Lupo, The Third Mind und einem Remake von Makossa & Megablast. Das Stück erinnert aufgrund der Stimme ein wenig an Alisons Goldfrapp, ist aber in der Ausführung weniger bratzig und das Video macht wunderbar Appetit auf eine dreckige Feierei bis ins Morgengrauen; und das im März kommende Album sowieso.
HVOB
HVOB haben mit Stil vor Talent ein passendes Zuhause für ihren popversetzten Househybriden gefunden. Zwei Einträge im De:Bug-Jahrespoll nach nur einer EP sollten Grund genug sein, um jetzt die Ohren zu spitzen. Ihre neue Single “Jack“ lebt von kaugummirosa Vocals, bizarr-schönen Harmonien, melancholisch untermalten Piano-Stabs und einem perfekt abgestimmten Video von Lichterloh. Ein Vorbote auf ihr Debüt-Album, welches am 8. März erscheint.
Luma.Launisch
Luma.Launisch drehen auf ihre Art den Spieß um und liefern mit “Collaborations“ ein 54-minütiges, audiovisuelles Meisterwerk ab. In drei Teile gesplittet offenbart das Duo eine umwerfende Kollage aus bewegten Bildern, die dermaßen mit den musikalischen Stücken verschränkt sind, dass beim Betrachten und Hören dessen nicht ausgemacht werden kann, was zuerst da war. Hier verschmelzen handwerkliche Techniken, Momentaufnahmen und Emotionen zu einem empathischen Gesamteindruck zwischen digitaler Malerei, schablonenartiger Kollagierung und modernem Musikvideotum. Ein Gustostück für die Sinne.
Schland-Streiflicht
Dass beim großen deutschsprachigen Bruder viel passiert, muss hier nicht erwähnt und trotzdem soll ein Release herausgegriffen werden. Lofile Records aus Bayreuth veröffentlicht Mitte Februar ihre dritte EP von Labelmitbetreiber Marbod. “Turdus Merula“ beinhaltet vier Tracks mit einem Gedanken: Deephouse mit Seele, Tiefgang und Niveau zu verbreiten. Jedem Ton wird genügend Raum und Zeit gegeben, um sich optimal in Szene zu setzen. Marbod klingt dabei nicht überbordend oder fordernd, sondern wie ein sanfter Hirte in einem Meer aus umherdriftenden Pads und gerinnenden Chords. Thomas Stieler – verantwortlich für den Remix von “Youth“ – greift die Grundidee auf und verpasst ihr eine Spur Leichtigkeit, wodurch das Stück an Frohsinn und Leuchten gewinnt. Einmal im Plattenkoffer, bekommt man diese EP dort nicht mehr so schnell raus.