Events sind zu Fixpunkten geworden, die in keinem Terminkalender fehlen. Und sie werden immer mehr. Was bringt die Eventisierung der Ereignisse und wem bringt diese Tendenz etwas?
Hirner Herbert
Alle! – Als soziale Wesen Als soziale Wesen sind Menschen daran interessiert, sich mit anderen auszutauschen. Gesellschaftliche Ereignisse eignen sich dafür besonders gut. Egal, ob wir gemeinsam bei sportlichen Großveranstaltungen mitfiebern, beim Business-Get-Together unsere Geschäftspartner kennenlernen oder mit Freunden weggehen –viele verbinden mit dem Begriff hauptsächlich sogenannte Society-Events.
Und das, was uns da tagtäglich von unterschiedlichen Kanälen als »Gesellschaft« präsentiert wird, regt eher zu innerem Diskurs über den Entwicklungsgrad der Menschheit an als es dazu beiträgt, Events als kulturelle Errungenschaft zu verstehen. Wer dabei die Nase rümpft, ist sich oft nicht gewahr, dass es bei derartigen Veranstaltungen eben genau darum geht: Dass Prominente »a dabei« sind und durch ihre Präsenz einen medialen Mehrwert für eine Veranstaltung erzeugen. Und dass in einem kleinen Land wie Österreich die Zahl echter Celebrities recht überschaubar ist, führt zwangsläufig zu einem immer Mehr von immer Demselben. Abseits dessen haben Events aber auch recht praktische Funktionen. Im Geschäftsleben eignen sie sich als PR-Instrumente gut zu Kontakt- und Imagepflege. Im Privaten findet man sich bei Events schnell wieder bei den Themen Mode und Lifestyle. Der positive Charakter von Events liegt ja im Neuen, im Überraschenden. Gerade bei Veranstaltungen und Präsentationen diffundieren Trends aus der Independent-Szene ins Kommerzielle, finden sich wirklich kreative Ideen und Konzepte, die natürlich auch von der Wirtschaft absorbiert werden. Denn unsere sogenannte hedonistische Kultur, die Spaß und Genuss propagiert und sich gleichzeitig mit alkoholfreiem Bier und fettarmem Schlagobers selbst betrügt, giert nach Austausch und nach neuen Zugängen. Und das ist gut so. Denn der Mensch ist ein soziales Wesen. Und braucht Events.
Herbert Hirner, 41, ist Geschäftsführer der Kommunikationsagentur Projektblatt, und war davor bei ORF Enterprise u.a. für Events zuständig. www.projektblatt.at
Josef Schartner
Größe und Promis Wer braucht Events? Offensichtlich fast jeder. Live-Konzerte erfreuen sich quer durch alle Genres trotz enorm gestiegener Eintrittspreise eines ungebrochenen Zulaufs, während Musik aus der Konserve quasi zur Gratisware verkommen ist, seit mit dem Weitergeben einer Festplatte oftmals mehr Song-Titel getauscht werden als der durchschnittliche Hörer in seinem ganzen Leben je hören wird. Aber auch abseits der Musik – von der Produkteinführung bis zur Bekanntgabe neuer Firmenzahlen –scheint die Größe eines Events und der damit verbundene Hype oft wichtiger und interessanter zu sein, als der Inhalt selbst. Und nicht selten trägt erst das Lancieren von Namen prominenter Eventbesucher sowohl für die Medien als auch für potenzielle Besucher dazu bei, eine oftmals durchschnittliche Veranstaltung tatsächlich zum »Event« zu machen.
Josef Schartner, 47, ist seit 20 Jahren auf Kultur- und Musikevents spezialisierter PR-Berater. Als „Celebrity Provider“ bietet seine Firma Release PR ein VIP-Einladeservice für Veranstaltungen an. www.celebrityprovider.com
Reinhard Neussner
Inhalte sind austauschbar Events sind Treffpunkte! Treffpunkte für die verschiedensten Gesellschaftsschichten und Kulturen, an den verschiedensten Orten, zu den unterschiedlichsten Zeiten und mit austauschbaren Inhalten. Ob Pressekonferenz, Fashion Show, Konzert, Ball, Kinopremiere, Party, Rave, Afterhour, Stadtfest oder Art-Performance – alle Events haben eines gemeinsam: jeder Besucher ist Teil des Events und hat Einfluss auf den Verlauf, die Stimmung und das Geschehen vor Ort. Das wichtigste bei sind deswegen die richtigen Gäste! Was nützt schon die geilste Party mit den besten DJs, der schrillsten Deko und den feinsten Drinks, wenn nur Langweiler abhängen? Leider agieren nicht alle Veranstalter nach diesem Motto und kümmern sich dementsprechend nicht sorgfältig genug um die Auswahl Ihrer Gäste. Was dann passiert ist klar – außer Spesen nicht gewesen! Und dann bleibt die Frage: Wer braucht schon Events? Dabei wäre es so einfach gewesen.
Doch immer wieder kommen neue Veranstalter mit tollen Ideen und dem Zugang zur richtigen Klientel. Und was würden wir denn alle ohne Events tun? Zuhause sitzen? Wo würden wir den unsere Freunde treffen und neue kennenlernen? Also: Raus aus der Bude! Ganz nach dem Motto »Unterhalten statt nur Unterhalten lassen« – denn wenn Du als Besucher eines Events nichts mitbringst, wirst du auch nichts mitnehmen können.
Reinhard Neussner, 36, ist als Kreativberater im Bereich Kommunikation, Eventdesign, Markenimage und Markenpflege bei Courage PR tätig, sowie einer der Veranstalter der 36-Stunden-Party im Wiener Volksgarten. www.36stunden.com
Ausbruch aus dem Alltag
Ausbruch aus dem Alltag Was früher eine Veranstaltung, ein Konzert oder ein sportliches Ereignis war, wird heute als Event zelebriert. Events wollen ein bestimmtes Bild vermitteln: Nämlich die Illusion von etwas noch nie Dagewesenem. Der Eindruck eines außergewöhnlichen Ereignisses soll hervorgerufen werden. Imagination und Inszenierung spielen eine große Rolle, da kann die Kulisse ruhig schöner und beeindruckender sein, als die Wirklichkeit. Besondere Attraktionen sollen das Ereignis unvergleichlich und einmalig machen. Der Kick des Überraschenden und Unvorhersehbaren wird gefeiert.
Um die Illusion des Besonderen und Einzigartigen zu wecken, werden Events bis ins kleinste Detail geplant. Nichts wird dem Zufall überlassen, alles muss perfekt organisiert sein. Dazu gehört im Vorfeld eines Events auch die entsprechende Vermarktung: Ein Ereignis wird mit Hilfe von Werbung und Medien zu etwas Einzigartigem hochstilisiert. Die Vorstellung soll bei den Menschen geweckt werden, dass alle bei diesem Event dabei sein werden und dass man etwas verpasst, wenn man nicht dabei ist. Hier setzt schon die Inszenierung ein: Aus einer Veranstaltung wird ein Event gemacht, bei dem man nicht fehlen darf. In den Menschen soll der Wunsch und das Bedürfnis nach einem außergewöhnlichen Erlebnis geweckt werden. Es wird mit der Hoffnung gespielt, der Normalität des Lebens entfliehen zu können. Es wird suggeriert, dass ein Ausbruch aus dem Alltag zumindest für einige Stunden gelingen kann.
Ein Event verspricht somit schon vor dem eigentlichen Ereignis viel. Es bleibt die Frage, ob diese Versprechungen auch gehalten werden. Was passiert, wenn sich das versprochene einzigartige Erlebnis nicht einstellt? Die mögliche Enttäuschung der Besucher kann zum Problem für die nächsten Events werden: Wer einmal enttäuscht wurde, überlegt es sich, beim nächsten groß angekündigten Ereignis wieder dabei zu sein.
Eine übersteigerte Inszenierung des immer Neuen und Außergewöhnlichen birgt die Gefahr in sich, dass das Wesentliche verloren geht: nämlich Authentizität. Ein Erlebnis muss trotz Inszenierung und Illusion auf die Menschen ehrlich und echt wirken.
Sonja Mayrhofer, 29, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wiener Institut für Freizeit- und Tourismusforschung. www.freizeitforschung.at
Birgit Hinterhofer
Mittel gegen schlechte Nachrichten? Neben Besuchern – von jung bis alt, arm oder reich – können sowohl Wirtschaft als auch Medien von der Arbeit heimischer Event- und Festivalveranstalter profitieren. Ob der Fremdenverkehr in Regionen, die sonst wenige Anreize bieten – wann waren Sie das letzte Mal der Erdbeeren wegen in Wiesen? – oder Sponsorenleistungen, die neuartige Konzepte erst realisierbar machen. Braucht der Mensch die ganze Veranstaltungspalette, um zufriedener zu sein? Ein unverbindliches: Ja! Ohne Schwarz sehen zu wollen, aber was bleibt neben verallgegenwärtigter Wirtschaftskrise, Umweltkatastrophen und täglich schlechten Nachrichten? Richtig. Events, bei denen wir uns wenigstens für ein paar Stunden sorgenfrei amüsieren können: beim Konzert mit Golden-Ticket, Festival oder bei Bier und Frühschoppen im nächsten Ort.
Birgit Hinterhofer, 26, ist Presse- und PR-Beauftragte des Urban Art Forms Festival. www.urbanartforms.at
»Ein Event ist kein Allheilmittel, aber mit einem Event kann man aber sehr viel erreichen, wenn er richtig umgesetzt ist«, sagt Gregor Almassy. Die Bandbreite an Events an die sich der Marketingexperte erinnert, ist in erster Linie offen und groß: »Events, bei denen die ganze Welt zugesehen hat und Events, mit gerade mal zwei Besuchern. Teure, günstige, geschmackvolle und in jeder Hinsicht billige; Events, auf denen die Besucher nach einer Stunde besinnungslos waren und welche, bei denen du froh warst, nach einer Stunde ein Wasser zu bekommen, Events, von denen ich heute noch erzähle und Events, an die ich mich zum Glück nicht mehr erinnern kann.«
Unumstritten gibt es seit rund einem Jahrzehnt einen Trend zum Event, wobei augenscheinlich ist, dass dieser mit gezielteren Vermarktungsmaßnahmen und begleitenden hohen PR-Aktivitäten zu tun hat. Die Notwendigkeit aufzufallen ist offensichtlich enorm. Dies lässt wenig überraschend immer wieder Stimmen laut werden, die bedauern, dass alles zum Event wird, und ehemals entscheidende Inhalte und der ursächliche Grund, um überhaupt zusammenzukommen – Musik etwa oder sportliche Leistungen – nicht mehr die gleiche Beachtung bekommen. Dass es eigentlich um nichts mehr gehe.
Gleichzeitig nutzen Werber und Vermarkter Events als Plattform, um Produkte einzuführen, Aufmerksamkeit auf Marken zu legen oder ein bestimmtes Image zu verbreiten. Eine Entwicklung, die auch die Parteipolitik seit vielen Jahren kennt und die mit vielerlei Events ihrem Image verschiedene, regional passende Anstriche verpassen will. Ein Angebot, dass nicht nur in Wien beim Donauinselfest gerne angenommen wird. Denn auch wenn manche raunzen, nur die wenigsten verweigern sich komplett. Events bleiben somit ein gern angenommenes Angebot und in ihrem Schein, ihrem Glamour und dem Image, das sie auf die Gäste übertragen – und umgekehrt – steckt für viele ein schwer zu beschreibender Mehrwert.