Ein Bericht über die Wiener Vorentscheidung des „Scientific Starmania“.
Donnerstag, 15.04.2010, Wien
Im Kuppelsaal der TU Wien sammeln sich die die 14 Kandidatinnen und Kandidaten zur Vorausscheidung von Fame Lab, eines Wettbewerbs, in dem die rhetorischen Qualitäten von jungen Forschenden im wahrsten Sinne „zur Schau“ gestellt werden. Die Spielregeln: Auf einer Fläche von 1×1 Metern soll ein wissenschaftliches Forschungsthema ohne elektronische Unterstützung unterhaltsam vorgetragen werden, dafür sind Anschauungsbeispiele mehr erwünscht denn nur erlaubt. Zeitrahmen: 3 Minuten, die Analogie zur Länge von guten Popsongs wurde schon in der Einführung erwähnt, („Velvet Underground“ kam dem Sprecher der einleitenden Worte dann doch eher holprig als authentisch über die Lippen). Das Ziel: Wissenschaft für eine breite Masse unterhaltsam aufzubereiten, die Präsentationsskills von Forscherinnen und Forschern zu stärken und dies mit dem Vehikel eines Pop-angehauchten Wettstreits zu erreichen.
Austrias Next Zeilinger
Das Format der Castingshow für Wissenschaftskommunikation, oder eher Wissenschaftscommedy kommt aus England. 2005 für Natur-und Technikwissenschaft vom British Council konzipiert, findet die Österreichische Adaption heuer zum 3. Mal statt. Die Vorrunden des internationalen Wettbewerbs laufen gerade in Wien, Innbruck, Graz. Als diesjährige Neuerung wurde den üblichen Castinghowformaten entsprechend, zusätzlich zum Juryurteil ein Publikumsvoting eingeführt. Die „crowdgesourcete“ Entscheidungsgewalt im Kuppelsaal ist durch mangelndes Publikum nicht so ganz gegeben. „Bei den Finalrunden ist der Publikumsanteil deutlich höher“, meint Pressebeauftragte Lydia Steinmassl dazu.
Durch den Event führt Bernhard Weingartner. Selbst als ehemaliger Teilnehmer aus dem Fame Lab hervorgegangen, scheint der Physiker in seiner Moderatorenrolle eine wahre Erfüllung zu sehen. Seine Ankündigung auf Titelnennungen zu verzichten, erntet Beifall.
Unterhaltsamer Anschauungsunterricht
Den Einstieg macht Tamara Pinterich. Anhand eines gebastelten Modells erklärt sie den Einfluss von Aerosolpartikeln auf Wolkenbildung. Die Dissertandin vermittelt einen Vorstellungsrahmen über deren Größe und Entstehung und referenziert auf die aktuelle Feinstaubdebatte. Nach drei Minuten fühlt man sich als Zuhörerin deutlich klüger und nicht nur das, Tamara lässt Physik wirklich liebenswert erscheinen.
Gleichzeitig legt sie die formalen Kriterien vor: Die Formel: Anschauliches Gimmick + Alltagsverweis + Fachwortbefreite Theorieableitung zieht sich auch durch die Folgevorträge. Da werden Zeitreihen mit Mammutzeichnungen, Vererbungen mit Matruschka-Puppen und Computer mit Taschenlampen verglichen.
Der gewählte Sprachstil, vor allem der männlichen Kandidaten, ist weitgehend commedyhaft. Der Veterinärmediziner René Arnour hantiert mit Stoffmäuschen und changiert in seiner Rhetorik zwischen kabarettistischer Ironie und der Kunst des Witze-erzählens in fröhlichen Geburtstagsrunden.
Die meist gelungenen Bestrebungen der Vortragenden nach Vereinfachung von Sachverhalten, übrigens eines der 3 Bewertungskriterien, „Clarity“ neben „Content“ und „Charisma“, gehen häufig auf Kosten der Authentizität. Oft scheint die Leidenschaft fürs Performen die Lust am Wissen in Schatten zu stellen. Nora Lawo rückt die schauspielerische Komponente ihres Referates über die Gefahren der Reblaus auf die Rebwurzel so stark ins Zentrum, dass man sich als Publikum in die Loge eines Avantgarde-Theaters gebeamt fühlt. Die Forscherin, die weiss wovon sie spricht, nimmt man ihr kaum mehr ab. Ihre Chancen beim österreichsichen Finale damit zu punkten, stehen trotzdem hoch.
Die inhaltlichen Exoten gehen leer aus, weder das Plädoyer für den Status der Philosophie von Florian Schmidsberger, noch die „Subjektivisierungs- und Kollekivierungsmechanismen“ von Markus Hafner schafften es in die zweite Runde. Vielleicht eignen sich die Geisteswissenschaften auch einfach nicht dazu in humorvolle Metaphern gegossen zu werden, oder die Forschenden dieser Gebiete nicht dazu, als Popstars stilisiert zu werden.
Coaching im Schnellverfahren
Nach schillerden Popsternchen suchte die Jury allerdings nicht, und wer jetzt an vernichtende Bösartigkeiten ala Dieter Bohlen oder Psychokilling Marke Heidi Klum denkt, irrt. Die Jury, unter anderen besetzt von Ursula Brustmann (BMUKK), Peter Illetschko (DerStandard, Forschung Spezial) und Gabriele Singer (APA, ZukunftWissen) glänzt durch qualifiziertes Feedback. Die Fähigkeit der Jurymitglieder auf die Vortragenden einzugehen wird auch von den Teilnehmenden geschätzt. „Hier wird niemand verrissen“ kommeniert René Arnour die Arbeit der Jury. Das positive Feedback der Juroren über ihre Leistungen freut auch Tamara. Sie gehen beide motiviert und auch leicht nervös in die nächste Runde und können sich am Ende des Tages zu den 5 Finalistinnen und Finalisten der Wiener Vorausscheidung zählen.
Die eigenen Themen einem fachexternen Publikum zu präsentieren, wird unter den Teilnehmenden durchgehend als interessant und spannend empfunden. An Feedback jenseits der disziplinären Dimensionen herrscht Bedarf. Ob dazu ein Wettstreit der ideale Rahmen oder das notwendige Übel ist, ist schwer zu beurteilen. Der fahle Beigeschmack von „Vorführen der Nerds“ schwindet im Laufe des Events, denn die Scientific Community unterhält sich selbst. Der Mehrwert des schnellen, unkonventionellen Coachings in Sachen Präsentationstechnik überwiegt dem aufflammenden Vorurteil gegenüber dem Ene-Mene-Mu-Spiel.
Am 8. Mai findet das Finale im Technischen Museum Wien statt. Auf i>www.famelab.at ist die Reservierung von Karten ab sofort möglich.