Sigmund Freuds langer Bart

Fakten und Trends zur Wissenschaftskommunikation. Iris Kern führte ein Interview mit dem Gründer von Science Communications, Bertram Schütz.

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Das vollständige Interview über Formen der Wissenschaftsvermittlung mit dem Kommunikationsexperten Mag. Bertram Schütz.

Was genau kann man sich als Laie unter dem Begriff Wissenschaftskommunikation vorstellen?

Die Vermittlung von (neuen) wissenschaftlichen Inhalten, Forschungsprozessen und Innovationen.

Welches Ziel wird damit verfolgt?

Von der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung über Awareness und Sensibilisierung bis hin zur konkreten Innovations- oder Produkt- oder Standort-PR.

Welche Rolle spielt dabei das Argument der "Standort-Stärkung?"

Ein sehr großes. Je stärker eine Region über innovative Arbeitsplätze und Forschungsplätze verfügt, desto attraktiver ist sie vor allem im internationalen Vergleich. Für junge Menschen genauso wie für innovative Unternehmen. Wissen und Forschung sowie deren dazugehörige Infrastruktur und gesetzlichen Rahmenbedingungen sind ein entscheidender Faktor im internationalen Städtemarketing geworden.

Gibt es konkrete Adressatinnen und Adressaten bzw. Zielgruppen, oder kann man eher von einer "interessierten Öffentlichkeit" sprechen?

Wir sprechen meist von "den Öffentlichkeiten", die alle unterschiedlich zu servicieren sind.

Welches Image hat Wissenschaft in Österreich?

Das Wissenschaftsklima und damit verbunden das Image sind sehr gut, was auch laufende Untersuchungen wie der Eurobarometer bestätigen. Aber es gibt in manchen Bereichen eine gewisse Skepsis, was (technologische) Entwicklungen betrifft, deren Folgen noch nicht abschätzbar sind, beispielsweise bei der Gentechnik, den Nanotechnologien oder im Bereich der Klimaverschmutzung.

Hier gilt es, vorhandene und oft berechtigte Ängste ernst zu nehmen und die Menschen glaubwürdig in einen Dialogprozess einzubeziehen.

In welchen heimischen Medien finden Wissenschaftsthemen besonderen Anklang?

In allen Medien finden sich permanent Inhalte und Artikel, die einen Forschungsbezug haben. Sie sind halt nicht immer mit dem oft abschreckenden Etikett "Achtung Wissenschaft" gekennzeichnet, sondern längst Teil jeder redaktionellen Kultur.

Der Trend zeigt eine immer größer werdende Professionalisierung der Wissenschaft selbst, die aber auf immer weniger "klassische" mediale Vermittlungsformate trifft. Gleichzeitig unterstützt das Web 2.0 neue spannende Vermittlungsformen wie Science-Blogs, die ganz neue Zielgruppen ansprechen.

Paradox: In vielen Ländern entstehen neue experimentelle (TV-)Formate, während uns hierzulande der ORF mit dem wohl weltschlechtesten Wissenschaftsmagazin "Newton" quält.

Inhaltliche Schwerpunkte

Gibt es bestimmte Disziplinen, Forschungsrichtungen, die besonders, auch von Auftraggeberseite in den Vordergrund gestellt werden?

Öffentlichen Auftraggeberinnen und Auftraggebern ist es immer wichtig, dass der "Mehrwert" von Forschung, also "der Nutzen für den und die einzelnen" transportiert wird. Das ist auch verständlich, da die Ausgaben für Forschung und Entwicklung jährlich steigen, und auch gut argumentiert werden wollen. Deshalb haben große Vermittlungsformate wie Events oder Ausstellungen auch immer einen produkt- und anwendungsorientierten Schwerpunkt. Hier sind Innovationen aus den Naturwissenschaften und neue Technologien natürlich leichter darzustellen.

Andererseits bietet vor allem die Grundlagenforschung sehr viel Möglichkeiten, mit neuen experimentellen Ansätzen unter Einbeziehung der Kunst als Vermittlungsform dargestellt zu werden.

Können Sie den Eindruck, dass es eine Gewichtsverteilung zu Gunsten von Naturwissenschaften / Technologie gegenüber geisteswissenschaftlichen Themen gibt, bestätigen?

Ja und nein. Manche Disziplinen sind natürlich aufgrund ihres konkreten Innovations-Charakters leichter zu kommunizieren. Auf der anderen Seite bieten sich vor allem den Geistes- und Kulturwissenschaften durch Interdisziplinarität und die Einbeziehung neuer Technologien viele spannende Perspektiven. Archäologen arbeiten heute bei der Vermittlung z.B. mit spektakulären 3D Modellen, die unglaubliche Zeitreisen ermöglichen.

Neue Formate

Es werden neben klassischer PR viele weitere Wege zur Wissenschaftsvermittlung beschritten. Welche Formate sind Ihrer Meinung nach besonders innovativ und effizient?

Der Trend geht erstens eindeutig zum Auf- und Ausbau von kontinuierlichen Programmen, die Forschung und Schulen miteinander vernetzen. Hier haben wir gegenüber anderen Ländern noch immer einen enormen Aufholbedarf.

Das zweite Format, wo ich noch großes Potential sehe, sind professionelle Publikums-Events, abgestimmt auf regionale Besonderheiten. Hier steht vor allem be-greifbare Innovation im Vordergrund.

Die vermehrte Einbeziehung des Web 2.0 öffnet weitere kostengünstige Schnittstellen mit neuen Zielgruppen.

Und in der vermehrten Einbeziehung von experimentellen und künstlerischen Vermittlungsformen liegt für mich auch noch ein riesiges Potential.

Zur Person

Mag. Bertram Schütz ist seit 2000 Gründer und Geschäftsführer von Science Communications.

(Detailinfos zu den Projekten und der Agentur: www.science.co.at)

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