Fickende Zombies

Leichenschändende Zombies, todbringende Autoreifen und brutale Wikinger gab es heuer beim ersten /slash Filmfestival im Wiener Filmcasino. /slash Festivaldirektor Markus Keuschnigg (Bild Mitte) plauderte mit The Gap über den Zombie-Flashmob, die unorthodoxe Film-Auswahl und seine romantische Beziehung zu Zelluloid.

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Ein kurzes Resümee aus Veranstaltersicht?

Sowas stinkt ja immer schnell nach Selbstlob, aber ja, wir sind sehr zufrieden, wie sich /slash 2010 entwickelt hat. Vor allem sind wir glücklich, dass das Kernanliegen des Projekts aufgegangen ist: für uns stand immer die Wiederbelebung der Fan-Community im Mittelpunkt, dass man die Leute dazu bekommt, wieder aus ihren Wohnzimmern rauszugehen und zu uns ins Kino zu kommen. Diesbezüglich war die Resonanz überschwänglich. Gleichzeitig kann und darf es aber nicht darum gehen, immer nur Vertrautes zu servieren.

/slash will Fankulturen nicht einfach nur abfüttern. Dann sind sie nämlich tot. Wir wollen mit einem unorthodoxen Film-Mix herausfordern, diesen Organismus stimulieren. Am Beispiel von “L.A. Zombie”, dem neuen Film von Bruce La Bruce konnte man das besonders gut sehen: das Filmcasino war angefüllt mit feierwütigen Leuten, viele davon sind davor schon beim Zombie-Flashmob (organisiert mit Monochrom) dabei gewesen und haben sich vielleicht einen leichter verdaulichen Film erwartet. Dann setzt es einen so gut wie dialogbefreiten, sehr melancholischen, radikal politischen Zombiefilm mit expliziten schwulen Sexszenen: einige sind zwar gegangen, viele sind aber geblieben. Genau diese Stimmung mag ich. /slash soll auch irritieren.

Wie waren deine Erwartungen im Vorfeld und wurden sie erfüllt? Sind weit über 3.000 Besucher viel?

Die Erwartungen waren, vorsichtig formuliert, nüchtern, da es in Wien noch nie ein ähnlich gestimmtes Projekt gegeben hat. Und sie wurden bei weitem übertroffen. Wir zählten letztendlich über 3.600 Besucher und Besucherinnen, sehr viel, wenn man nur einen Saal mit 250 Sitzplätzen bespielt. Dass große Filme wie “The Road” oder “Monsters” ausverkauft sein werden, haben wir uns erhofft. Dass aber selbst bei den Hardcore-Screenings, die erst um 02:00 Uhr früh begonnen haben, noch hundert Leute auftauchen, das hat mich umgehauen.

Abgesehen von kleineren Retrospektiven gab es in Wien nie jemanden, der etwas Ähnliches wie das /slash auf die Beine stellte. Woran liegt das deiner Meinung nach?

Das hat sicherlich vielerlei Gründe. Einer davon ist jedenfalls, dass so ein Projekt kostspielig und für alle Beteiligten erst mal ein großes Experiment ist. Man hat es ja heutzutage mit einem Publikum zu tun, das durch das Internet sehr gut Bescheid weiß über neue Filme: das heißt, man muss diesem Publikum dann auch etwas bieten können. Und das kostet viel Geld und viel Überzeugungskraft. Ein anderer Grund ist sicherlich auch, dass dem Genrekino immer noch mit mehr Skepsis begegnet wird, als dem, was man Autorenkino nennt, obwohl ich jede Unterscheidung diesbezüglich für lächerlich halte. Unser Festival trennt nicht zwischen Autoren- und Genrekino, sondern spannt ganz einfach eine thematische Klammer, nämlich die des fantastischen Films.

Ist es denkbar in Zukunft regelmäßige "/slash-Feiertage" zu veranstalten? Also regelmäßiges Mitternachtskino euerseits?

Diesbezüglich sind wir schon in Gesprächen mit dem Filmcasino. Da wir alle vom Erfolg von /slash überrascht gewesen sind, haben wir gute Chancen /slash Weekenders übers Jahr verteilt umsetzen zu können. Ich habe auch schon erste Ideen.

Du hast Wert darauf gelegt, die Filme als 35mm-Rollen zu bekommen und nicht wie heute üblich digital zu projizieren. Ist das mit mehr Aufwand und höheren Preisen verbunden?

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Als wir uns dazu entschieden haben, das /slash-Projekt gemeinsam mit dem Filmcasino umzusetzen, war uns bewusst, dass wir damit auf gewisse projektionstechnische Annehmlichkeiten, die ein Multiplex bieten kann, verzichten müssen. Dafür aber dürfen wir die Patina und Geschichte dieses großartigen Kinos für uns nutzbar machen; und das war uns wichtiger. /slash soll persönlich sein, angreifbar und nicht in einem 30-Saalkino im Saal 5, zweiter Stock, hinten links stattfinden. Da ich selbst aber ohnehin eine sehr romantische Beziehung zum Zelluloid unterhalte, habe ich aus der Not eine Tugend gemacht und dann wirklich versucht, wo möglich, Filmkopien aufzustellen; auch wenn das mit Mehrkosten verbunden ist.

Wie siehst du die Entwicklung hin zu 3D Kino und Digitale Projektion? Ist das nur ein Blockbuster-Thema oder beschäftigt das auch die Subkultur. Was könnte diese Tendenz in ferner Zukunft für Genre-Filme bedeuten?

Der eingeschlagene Weg ist ganz klar und wird bis zum Ende gegangen werden: Zelluloid wird in Zukunft ein Nischenphänomen sein, ähnlich den Trägermedien, die man zu Hause noch per Hand in den DVD-Player schieben muss. Selbstverständlich müssen sich auch Programmkinos mit dieser Entwicklung auseinander setzen, gerade große internationale Studios bieten ihre Filme fast nur mehr als digitale Projektion an. Gerade im Genrebereich begegnet man immer wieder unabhängigen Produktionen, die natürlich bereits digital gedreht worden sind und nicht mehr für teures Geld auf Film ausgespielt werden.

Wenn wir dann mit unseren veralteten Geräten dasitzen und nicht weiter investieren, dann werden wir diese Filme irgendwann gar nicht mehr oder nur in nicht zufrieden stellender Qualität zeigen können. Da muss man gegensteuern, auf eine Symbiose zwischen den verschiedenen Medien hinarbeiten. Der 3D-Bewegung, der misstraue ich hingegen noch ein wenig. Ich glaube nicht, dass viele Leute zu Hause mit einer lästigen Brille vor dem Fernseher versumpfen wollen, zudem lösen nur geschätzte 10 Prozent aller 3D-Filme das Versprechen ein, einem wirklich neue Dimensionen damit zu eröffnen. Alle anderen sind Blender; und ich bekomm Kopfweh.

Für das /slash werden wir 2011 aber jedenfalls nach einer zusätzlichen Spielstätte suchen, die wir bei Bedarf auch mit 3D-Filmen bespielen können. Ansonsten müsste ich all diese Filme kategorisch aus unserem Festival ausschließen. Und das will ich nicht.

Was hältst du prinzipiell von anderen Filmfestivals? Wo kann man sich eine Scheibe abschneiden, welche Fehler möchte man nicht begehen? Hast du konkrete Beispiele oder Tipps für uns?

Ich fahre jährlich auf circa 10 Filmfestivals, mal mehr, mal weniger. Am uninteressantesten ist für mich die Berlinale: eine aufgeblasene, pseudopolitische Veranstaltung, die fast nur tote Filme zeigt. Da geht es längst nicht mehr um Kino als gemeinsames Erlebnis, sondern um Kino als ein öffentlichkeitswirksames Konstrukt, eine Idee, die jedwede Kraft verloren hat. Am liebsten fahre ich immer wieder nach Venedig und Sitges: zwei Festivals, die es verstehen, bewusste Kontrapunkte in ihrem Programm zu setzen, die aufregend und überraschend bleiben, obwohl beides Großveranstaltungen sind.

Wir hatten das Gefühl, dass der Vorführer hinter dem Projektor teilweise Probleme hatte – beim Screening von „Phase IV“ zum Beispiel. Woran lag das? Sind die Vorführer etwa keine 35mm Projektoren mehr gewohnt?

Lustig, dass du das erwähnst. “Phase IV”, im Übrigen eine 16mm-Kopie, war eine problemlose Vorführung, die einzige Unterbrechung war eine geplante und angekündigte und resultierte daraus, dass wir zwischen den Akten einen Rollenwechsel vornehmen mussten, da das Filmcasino zum einen nur über einen 16mm-Projektor verfügt und es sich bei der Kopie um eine Archivkopie gehandelt hat, deren Akte wir nicht verbinden durften. Aber es stimmt schon, es gab einige technische Probleme, die es allerdings auch auf anderen Festivals gibt: zum einen kommt es im normalen Kinobetrieb nicht häufig vor, dass man für ein Screening mit mehreren Formaten hantieren muss – zum Beipsiel Trailer von DVD, Sponsorentrailer auf 35mm, Hauptfilm von Digibeta – zum anderen ist der Vorführer des Filmcasinos nach unserem Eröffnungsabend erkrankt. Das Kino hat dann für die restlichen Tage Ersatzpersonal verpflichtet, allerdings immer wechselndes, die mit den Geräten noch nicht so vertraut gewesen sind. Für den Ausnahmezustand haben wir das, denke ich, ganz gut hingekriegt.

Was war dein persönliches Highlight?

Das war tatsächlich der von uns und der Künstlergruppe Monochrom organisierte Zombiewalk am Freitag mit dem anschließenden “L.A. Zombie”-Screening, da dabei meine Vision vom /slash Filmfestival am perfektesten aufgegangen ist. Party mit Irritationen, Fankultur trifft auf Widerhaken. Man leidet und feiert gemeinsam. Und wächst daran.

Wie wird es mit dem /slash-Filmfestival weitergehen?

Es wird weiter gehen. Wie genau, wissen wir noch nicht. Wir haben in Kürze eine Debriefing-Sitzung, in der wir besprechen werden, welche Anpassungen und Verbesserungen wir für das nächste Jahr umsetzen werden. Es wird viele Neuerungen geben, da bin ich mir sicher. Denn genau genommen war /slash 2010 für alle Beteiligten ein Testballoon, ein Versuchslabor. 2011 kann es jetzt wirklich los gehen.

Das erste /slash-Filmfestival fand heuer von 23.09. bis 30.09. im Filmcasino Wien statt. Weitere Information und Neuigkeiten zu weiteren Veranstaltungen findet man unter i>http://slashfilmfestival.com

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