Die Schule Kubelka für unabhängigen Film feiert dieses Jahr ihr 10-jähriges Bestehen. Anlässlich des Jubiläums haben wir den Leiter Philipp Fleischmann zum Gespräch über analoge Filmkunst und den österreichischen Film gebeten.
Der österreichische Film wird ja gerne als Aushängeschild der österreichischen Kulturszene betrachtet – besonders dann natürlich, wenn er messbare Erfolge einfährt. Die Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film, die dieses Jahr ihr 10-jäghriges Bestehen feiert, sezt es sich aber zum Ziel, angehende FilmemacherInnen zu fördern und miteinander zu vernetzen. Der Unterricht wird dabei von verschiedenen RegisseurInnen gestaltet, die alle unterschiedliche Zugänge zum Film haben. Im Interview mit The Gap verrät der Schulleiter Philipp Fleischmann, was für die Schule der Begriff "unabhängig" bedeutet, wieso analoger Film für ihn noch immer bedeutend ist, wie sich der Unterricht gestaltet und welche österreichischen FilmemacherInnen von ihm besonders geschätzt werden.
Bei der Gründung der Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film meinte Kubelka selbst: "Ich fand’s notwendig, dass es eine Schule zum unabhängigen Film gibt. Gerade in Wien!" Was bedeutet das Adjektiv unabhängig im Sinne Ihrer Schule?
Das Filmemachen ist ja oft mit der Vorstellung verknüpft, man bräuchte viel Geld, teures Equipment, ein ausgeklügeltes Drehbuch, und ein großes Team. Die großen Mühlen des industriellen Films können schnell einschüchtern, wenn man sich selbst daran macht, Filme zu drehen. An der Schule geht es darum zu sehen, dass es natürlich möglich ist, selbstständig, auf sich gestellt ganz persönliche Filme zu machen – und zwar so, wie man sie wirklich machen möchte. Um einen Workshoptitel aus dem Unterrichtsjahr 2011 der französischen Schauspielerin und Filmemacherin Jackie Raynal zu zitieren: "How to make a good movie that will last a long time with a budget next to nothing."
Die Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film legt ihren Fokus mitunter auf analoge Filmkunst (Super-8 und 16mm Film). Wieso ist analoger Film im Jahr 2016 von Bedeutung?
Ich würde den analogen Film als eine eigenständige Kunstform bezeichnen. Die Frage der Aktualität ist natürlich immer zu stellen. Weniger als Frage nach der Daseinsberechtigung, sondern als produktive Diskussion. Die Filmindustrie hat sich aktuell vom analogen Film verabschiedet, die unabhängigen Filmemacher_innen und Bildenden Künstler_innen allerdings noch lange nicht. Gerade in Wien meine ich, dass der analoge Film aktuell stark diskutiert wird. Das zeigen Spezial-Programme bei der Viennale und im Österreichischen Filmmuseum beispielsweise, Underground-Screenings in Off-Spaces, Filminstallationen in Galerien oder zahlreiche analoge Projektionen im Mumok Kino. Wie kann man die Eigenheiten und spezifischen Historien von Super-8 und 16mm Film künstlerisch für sich neu interpretieren? Mit gegenwärtigen Themen verknüpfen? Muss ich mit meinem Tun überhaupt Aktualität behaupten? Diese Diskussionen sind natürlich zentral in jedem Schuljahr.
In Ihrer Schule lehren unterschiedliche internationale FilmemacherInnen. An anderen künstlerischen Hochschulen unterrichten ja ebenso Regisseure bzw. Drehbuchautoren. Welchen Zugang haben Ihre Lehrende? Inwiefern unterscheidet sich der Unterricht an Ihrer Schule von anderen künstlerischen Studiengängen?
An der Schule für unabhängigen Film unterteilen wir den Unterricht zum Film bewusst nicht in Departments wie Regie, Produktion, Kamera, Drehbuch oder Schnitt. Diese Aufteilung denkt eher an ein Berufsbild im industriellen Film. Wir sehen Film als Kunst an. Ob dieser 20 Sekunden lang, 24 Stunden oder ein Loop ohne Anfang und Ende ist: Alles hat die gleiche Berechtigung und Wertigkeit. Wenn man sich von vorgegebenen Standards befreit – und oft sind es ja zunächst die eigenen gedanklichen Grenzen, die es zu überwinden gilt – produziert man schnell an einer direkten Verwertbarkeit vorbei. Das hat aber auch was unglaublich Befreiendes! Weil man es vielleicht geschafft hat, für das eigene Anliegen auch eine formal eigenständige Lösung gefunden zu haben. Die Filmemacher_innen, die an der Schule unterrichten, sollen genau diese unbedingt notwendige Eigenständigkeit vorleben. Im Vergleich zu filmischen Studiengängen an anderen Hochschulen sind wir mittlerweile die einzige Schule in Österreich, die weiterhin anhand der analogen Medien Super-8 und 16mm unterrichtet – aus der Überzeugung, dass das selbstständige Kennenlernen und Arbeiten mit Film als Film essentiell ist, um sich den „Bewegten Bildern“, ihrem Wesen und ihrer Geschichte, ernsthaft anzunähern.
Die Ausbildung an der Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film dauert ein Jahr. In dieser Zeit sollen die Studierenden lernen, sich eine eigene filmische Haltung anzueignen. Welche Fächer gibt es genau an Ihrer Schule? Und funktioniert es wirklich, dass jemand nach einem Jahr seine/ihre eigene Handschrift vorweisen kann?
Sich eine eigene filmische Haltung anzueignen, erfordert Hingabe, Leidenschaft, Arbeit und vor allem Selbstständigkeit. Innerhalb eines Schuljahres hören die Studierenden von den Künstlerlehrenden viele, sich teils vehement widersprechende, Auffassungen, was Film überhaupt ist. All diese starken Meinungen sollen anspornen und ermutigen, die eigene Haltung zu schärfen und dem näherzukommen, was man eigentlich wirklich machen möchte. Das ist ein langer, oft quälender Prozess. Der intensive Austausch mit den Filmemacher_innen und Kolleg_innen an der Schule kann allerdings ein wichtiger Katalysator sein.
Die Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film feiert dieses Jahr ihr 10-jähriges Jubiläum. Inwiefern haben sich der österreichische Film sowie Ihre Schule in den letzten zehn Jahren verändert?
Friedl Kubelka hat die Schule 2006 aus einem Manko heraus gegründet. Ganz einfach, weil es keine Möglichkeit gab, zur Kunstform des analogen Films Praxisunterricht zu bekommen. Das hat sich in den 10 Jahren nicht wirklich geändert. Im Gegenteil: Es kommen mittlerweile auch immer mehr Studierende aus dem Ausland an die Schule. Ich beobachte den österreichischen Film, falls es ihn so einheitlich überhaupt gibt, aus der Sicht der Kunst. Im österreichischen Dokumentarfilm hat sich die letzten zehn Jahren enorm viel getan. Mir kommt vor, man möchte den Themen, Dingen und Personen möglichst nah kommen.
Österreichs Filmschaffende genießen auch im Ausland hohes Ansehen. Welche FilmemacherInnen schätzen Sie besonders in Österreich und warum?
Aktuell bin ich besonders auf den neuen Film "Mister Universo" von Tizza Covi und Rainer Frimmel gespannt. Die beiden zählen zu den wenigen, die weiterhin Ihre Dokmentarfilme auf 16mm Film drehen. 2015 lud ich sie daher ein, an der Schule zu unterrichten – auch weil ich sie selbst unbedingt kennenlernen wollte. Wie Sie mit Ihren Protagonist_innen vor dem Dreh eine persönliche Beziehung aufbauen, und aus deren realen und privaten Gegebenheiten Geschichten entwickeln, die sich auch über einzelne Filme fortsetzen, hat mich tief beeindruckt. Ihr Interesse an den Menschen scheint mir aufrichtig. Antoinette Zwirchmayr, selbst Absolventin der Schule, dreht gerade den dritten Teil ihrer Triologie, die ihre eigene Familiengeschichte als Grundlage hat. Ich schätze Ihren Mut und Ihr formales Können und bin neugierig, wie sie ihre Triologie vervollständigt. Zur Frage wie das Bewegtbild im Ausstellungskontext diskutiert wird, schaue ich mir beispielsweise seit Jahren immer aufmerksam Ausstellungen der Künstlerin Dorit Margreiter an.
Sie leiten die Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film seit 2014/2015. Was sind Ihre beruflichen Pläne für die Zukunft? Welchen Stellenwert soll die Schule in der österreichischen Kulturszene innehaben?
Ganz am Anfang, wenn sich der leise Drang meldet, selbst Kunst machen zu wollen, ist man ja oft unsicher und einsam. Noch fehlen die Verbündeten, Gleichgesinnten, Gesprächs- und Diskussionspartner_innen. Die Schule soll weiterhin diesen Raum darstellen, wo man sich trifft, sich leidenschaftlich über Kunst und Film austauscht und eine Vielzahl an persönlichen und unabhängigen Filmen entsteht.
Nähere Informationen zur Schule Kubelka für unabhängigen Film findet man auch auf ihrer Website oder auf Facebook. Das 10-jährige Jubiläum feiert die Schule im Rahmen dieses Programm im Österreichischen Filmmuseum: The Last Machine. Analoge Filmkunst aus Berlin, Paris, Wien. Programm "Schule für unabhängigen Film", Mittwoch 16.11., 20.15.