Inzwischen glauben mehr Menschen an die Existenz von Engeln als an Gott. Engelsdolmetscher waren uns aber neu. Zum Glück sind die sich nicht so blöd, das Ganze vor der Kamera zu tun.
Alexa Kriele hat angeblich Philosophie und Psychologie studiert, im Journalismus gearbeitet, Manager fortgebildet. Heute dolmetscht sie für Engel und genau das macht sie auf dieser DVD einige Sitzungen lang für eine Kamera. Alexa Kriele, geboren 1961, sitzt in einem Ohrensessel in einer Stube, sie trägt einen roten engen Pullover, ihre Augen sind geschlossen. Sie dolmetscht durchgehend für ihren häufigsten Engel – Elion. Dazu stellt ein Mann Fragen, der aber selbst nicht im Bild(e) ist. Los geht’s. Elion ist allumfassend in reines Weiß gekleidet: Wer bist du? „Einer der Engel, der im Friedensdom arbeitet.“ Aha.
Und sonst so?
„Alle Menschen waren schon mal in einem ihrer Leben Mitglieder einer jeden Religion.“ „Wer wohlerzogen und tüchtig ist, wird früher oder später alles erreichen…das gilt auch für sogenannte bildungsferne Schichten.“ „Kreationismus und Darwinische Evolution sind beide richtig und ergeben ein Ganzes.“ „Unsere Gehirnnutzung ist noch nicht bei 100% angekommen, das können wir noch viel besser nutzen.“ Das macht ja Hoffnung, andererseits: Warum sollten wir, wenn wir doch einfach die Engel befragen können?
Viele gute Momente zum Ausschalten
Immerhin gibt es bereits nach 20 Minuten ein Happy End – die Schöpfung wird nämlich als solches enden, alles wird gut. Eigentlich der zweitbeste Moment auszuschalten (nach dem Intro), aber als Rezensent hat man ja Pflichten. Kierle bzw. Elion haben sich umgezogen und erzählen noch, wie der Himmel aussieht (unter anderem neblig), wie sich Seelen von alleine in so etwas wie eine Hölle begeben, Gott ist im 30. Stock, das macht aber nichts, denn räumliche Ausdehnung gibt es natürlich nicht. Und andere Dinge, die anderen Menschen wohl als Information erscheinen mögen, mir erscheint es als Fantasiewelt und als komplettes Rätsel, wie irgendjemand darin etwas anderes sehen kann.
Ein sehr schönes Zitat aus den privaten Zwischenepisoden: „Engel ohne Flügel waren für mich ein absolutes No-Go.“ Da hört man nicht nur die Engel, sondern auch ein wenig die Vergangenheit der Management-Trainerin. Elion scheint zudem ein eurozentrisches Weltbild zu haben, ist ein Verfechter einer sozialen, sich selbst langsam zurückfahrenden Marktwirtschaft und natürlich gegen die Atomkraft („kollidiert mit unseren Lebenszeiten“). Wir sind übrigens erst bei Minute 56. Es kommt der Ratschlag, wir sollen lernen, auf unseren Regenschirm zu hören, aber eventuell lässt meine Aufmerksamkeit nach.
Dagegen wirkt Scientology wie Wissenschaft
Über die Embryonalentwicklung: „Bis zur 10ten oder 12ten Woche ist es noch ein seelenloses Stück Materie … nach der 12ten Woche sieht es anders aus.“ Fristenlösung auf engelisch, deckt sich erstaunlich gut mit dem, was in Österreich praktiziert wird.
Der Glaube an Engel ist nicht viel absurder als sonstige religiöse Anschauungen. Er ist vielleicht noch eine Spur kindlicher, naiver. Die Antworten von Kierle sind so plakativ simple und märchenhaft, dass die Lehre von Scientology dagegen wirkt wie Wissenschaft: Der Schutzengel ist immer um einen herum, der Führungsengel spaziert vorne weg und sorgt für die Fügung, die viele Menschen missverständlich als Zufall sehen und ein wenig Schatten von den gefallenen Engeln hat auch jeder dabei. Kierle bastelt aus christlichen Lehren, Mythen und wahrscheinlich eigenen Fantasien eine Engelswelt zusammen, deren Bewohner seltsamerweise genau so heiße Luft absondern, wie andere irdische Vertreter jeder anderen esoterischen Weltsicht. Eigentlich wäre es total spannend zu lesen, was ein Theologe zu diesem Engelsbild zu sagen hätte, aber einen Theologen mit dieser DVD zu foltern, wäre wohl eine Sünde.
Alexa Kriele glaubt, dass ein Engel mit ihr redet. Das kann ich nicht widerlegen, aber auf der DVD ist nichts zu hören oder zu sehen, das mir einen Grund gäbe, ihr zu glauben. Sanfte Ironie mischt sich ein, wenn Kierle beschreibt, wie Menschen über ihre Eitelkeit verführt werden, darüber, dass sie sich einbilden, etwas zu wissen, was andere nicht wissen, „über die Idee, du bist etwas besonderes.“ Da steht die Engelsdolmetscherin ganz kurz vor der Selbsterkenntnis.
Diese DVD der Engelsdometscherin ist letztens irgendwo erschienen. Aber wer für den Shit einen Link will, muss schon selbst den Zeichen im Netz nachspüren.