In ihrem ersten Roman »Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft« erzählt Fiona Sironic vom Sterben der Welt, wie wir sie kennen. Aus Perspektive der Teenagerin Era vermittelt sie, wie die Unbeschwertheit der Jugend zukünftig nur noch ein Wunschtraum sein wird.

Cola-und-Mentos-Experimente im Livestream; proteinreiche Frühstückscerealien; der schöne Schein des Momfluencings; das (un)happy Vlog-Face: In »Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft« von Fiona Sironic versammeln sich Vokabeln der Gegenwart, die mit einer unangenehmen Zukunft kollidieren – einer dystopischen Welt, in der »echte Bananen« eine Rarität sind und gemeinsam mit »richtigen Tomaten« Erinnerungen an ein Gestern erschaffen, das für uns Leser*innen noch Heute ist.
In der Geschichte rund um die Jugendlichen Era, Maja und Merle kann die Klimakrise längst nicht mehr als drohendes Szenario bezeichnet werden – sie ist omnipräsente Realität geworden. Subtil apokalyptisch anmutende Bilder verweben sich mit alltäglichen Erlebnissen des Heranwachsens. Statt Stillstand zeigen sie ein Weitermachen in dieser sich stetig verschlechternden Welt. So entfacht ein Treffen mit dem Schwarm nach wie vor Aufregung, während fortwährende Brände und das Tragen von Atemschutzmasken längst zum Normalzustand gehören.

Bewusst sperrig
Der Einstieg in die Erzählung fällt dabei nicht unbedingt leicht – die dicht gestrickten Kapitel bewegen sich nah an gesprochener Sprache und Gedanken von Era, einer verliebten Teenagerin. Sie variieren daher zwischen auffällig kurzen – gar abgehackten – und äußerst langen, ausufernden Sätzen. Beides ist durchsetzt mit technischen Begriffen sowie Social-Media-Codes. Das fühlt sich sperrig an und wirkt bisweilen konstruiert. Und doch liegt gerade darin eine starke Verbindung zur Gegenwart: Die scheinbare Überbetonung von Sprache und Ausdruck wird zum Vehikel zwischen Heute und dem unbequemen Morgen.
Dabei wird im großen Stil mit Kontrasten gearbeitet, etwa in Form von scheinbar willkürlich eingestreuten, aber oft überbordenden Abschweifungen und Querverweisen – etwa über Vogelarten, die bereits ausgestorben sind oder dies gerade tun. Wenn Era die Rufe mancher Vögel nur noch mit Hilfe von Audiodateien hören kann löst dies Fragen über Vergänglichkeit aus: Was ist wesentlich? Was, wenn selbst diese Dateien verschwinden? Solchen Exkursen zu folgen, erfordert einiges an Reflexionswillen, stellt dann aber einen Bezug zur heutigen Zeit und der vermeintlichen Höherwertigkeit moderner Informationssysteme her. Und es lässt darüber nachdenken, wie wir als Menschheit das Wesentliche aus den Augen verlieren, während wir in unserer hochtechnisierten Welt damit beschäftigt sind, zu sammeln, zu dokumentieren – und dabei unser eigenes fortschreitendes Verschwinden vielleicht nicht einmal realisieren.
Collage des Vergessen(werdens)
In Kombination mit dem Fokus auf Heranwachsende – deren Geschichten um Liebe, Angst und ein emotionales Aufbegehren in einer Welt kreisen, in der das Unfassbare nicht mehr nur bevorsteht, sondern sich immer mehr im Alltag zeigt – entsteht so eine vielsagende Collage über das In-Luft-Auflösen. Das Ende zeichnet sich nämlich nicht durch ein schlichtes »BUMM!« aus, sondern ihm geht ein langwieriger, schmerzhafter, aber scheinbar unabwendbarer Prozess voraus. Dieses Auflösen betrifft uns bereits jetzt und wird die nächste Generation nur noch stärker betreffen. Gewichtige Motive – wie etwa eine dreckige Matratze, auf der die Jugend nach uns schlafen muss – bleiben dabei besonders haften.
So sperrig die Übergänge auch wirken mögen, macht gerade die aufrechterhaltene Reibung den Roman nahbar und vermittelt das, was viele der heute Lebenden so gerne verdrängen: eine Welt, die bereits zerfällt, während diejenigen, die heute noch leben und atmen – ja, sprechen, sich austauschen und vloggen – vielfach keine oder zu wenig Initiative ergreifen, um dem Drohenden entgegenzuwirken.

»Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft« von Fiona Sironic ist am 25. März 2025 im Ecco Verlag erschienen.