"Jetzt ist schon wieder was passiert." Ein Gesicht zu diesem Satz bekommt das Publikum in Pia Hierzeggers Bühnenfassung von Wolf Haas´ "Das ewige Leben" präsentiert. Derzeit zu sehen am Grazer Schauspielhaus. Mit der Dramatikerin hat sich Julia Melcher für The Gap getroffen.
Wolf Haas ist hierzulande ein Begriff, der neuerdings all zu schnell mit Josef Hader in Verbindung gebracht wird. Denn selbst die Lesefaulen kennen den Schriftsteller spätestens seit den Verfilmungen seiner Kriminalromane, in denen der Kabarettist den mürrischen Protagonisten, Simon Brenner, mimt. Der Brenner ist eine Figur, die viel beinhaltet und widerspiegelt, das angeblich so typisch an Österreichisch ist: Jammern, Selbstmitleid, passive Wut auf die Obrigkeit und sogar eine Portion unbeabsichtigtes Heldentum. Das sind normalerweise Eigenschaften, die man gerne einmal, unangenehm berührt, beiseite schiebt, sobald man sie an sich selbst entdeckt. An einem illustren, lockeren Theaterabend darf jedoch herzlich darüber gelacht werden. "Lustig samma, lustig," ist daher auch das Motto der Bühnenadaption. Wolf Haas ist mit der Erschaffung der Figur des Brenner etwas Einmaliges gelungen. Wie bringt man nun eine exemplarische Personifikation des österreichischen Grantlers glaubwürdig auf die Bühne?
Auf die Bretter Brenner!
Das grazer Schauspielhaus hat sich an dieses Projekt herangewagt und dafür eine Dramatikerin und Schauspielerin an Bord geholt, der die Materie nicht fremd ist. Pia Hierzegger vom Theater im Bahnhof hat nämlich selbst in der letzten Wolf Haas Verfilmung mitgewirkt. Für das Schauspielhaus schrieb sie das Bühnenstück zum Roman und lieferte den Text zu einer Inszenierung, über die sich Graz derzeit köstlich amüsiert; immerhin regelmäßig in einem ausverkauften Haus. Dennoch ist die Konkurrenz des Mediums Film groß. Theater trägt den Hauch der Elite mit sich, der nur einen schmalen Breitengrad der luxusgesellschaftlichen Konsumentenschaft erreicht. Was vermittelt Theater und mit welchen Mitteln? Hierzegger schafft einen gelungenen Kontrast zum Film, der eine Neu-Interpretation des Brenner-Universums zulässt. Eine Figur, die in den Romanen ständig präsent ist, aber im Film nur eine kaum merkliche Randerscheinung ist, kommt in ihrer Fassung zu entscheidender Bedeutung: der Erzähler. Er wird zum Gegespieler Brenners, quatscht ihm ständig dazwischen und streitet mit ihm um die Gunst des Publikums. Die Stimme aus dem Buch bekommt hier eine fast unsympathische Komponente, gehüllt in einen grauen Strickpulli.
Doch wie ist das jetzt eigentlich genau mit Theater im Allgemeinen? Dem Theater in der institutionalisierten Form, wie dem Schauspielhaus, und dem freien Thater im Vergleich dazu nämlich? Die grundlegenden und maßgeblichen Unterschiede sind in erster Linie die finanziellen Mittel, mit denen das jeweilige Haus vom Staat bedacht wird. Während das Theater im Bahnhof, das laufend Projekte der "Marke Eigenbau" auf die Beine stellt, um Förderungen ansuchen und zittern muss, kann sich das Schauspielhaus auf eine relativ gesichterte Finanzierung seiner Produktionen verlassen. Und doch ist "Das ewige Leben" ein Theaterstück, das mit einem simplen Bühnenbild, wenig Requisiten und minimalem Aufwand auskommt. Die visuelle Komponente der Bühne verändert sich im Laufe des Abends kaum. Dagegen wird mit unerwarteten Mitteln (Tupper-Ware-Dosen zum Beispiel) und einem Heimorgelspieler eine Geräuschkulisse geschaffen, die vorgibt, das Ganze in ein multimediales Erlebnis zu verwandeln. Weg vom Film, weg von visuellen Effekten und Dolby-Surround? Theater, das Möglichkeiten ausschöpft und dennoch nur Illusion bleibt. Auch wenn der Erzähler diese im Brecht´schen Sinne durchbricht.
Graz als Parkett
Aber ist Theater wirklich nur Schauspiel und Fiktion? In gewisser Weise bringt schon Wolf Haas in seinem Buch ein paar wichtige Kritikpunkte an, die an den Werten unserer Gesellschaft rütteln. Diese werden im Stück aufgegriffen und passen in das derzeitige politische Geschehen der Stadt Graz, die auch Ort und Handlung des Geschehens auf der Bühne ist. Die langjährige Diskussion um das Bettelverbot und der Umgang mit den Leuten aus unseren Nachbarländern seitens der "Gutmenschen", wird zur Farce. Ebenso wie eine Institution derjenigen, die im Glauben an die eigene Unbescholtenheit, seit einiger Zeit in Graz zur legalen Selbstjustiz die Straßen einherschreitet: die Bürgerwehr. Im Stück degradiert sich deren Rädelsführer zum Hampelmann des Kleinbürgertums, und inszeniert sich bis an die Grenze der Lächerlichkeit vor den Augen des lachenden Publikums.
Perspektiven
"Politik, die Show", zu dieser wird regelmäßig vom Theater im Bahnhof geladen, ab 31. Jänner auch wieder auf der Probebühne des Schauspielhauses zu sehen. Ein Theaterformat das genau auf diese brennenden Themen der österreichischen Gesellschaftspolitik reagiert. Pia Hierzeggers theatralische Heimat ist das Theater im Bahnhof; ein Aspekt, der im "Ewigen Leben" kaum übersehbar ist. Eine Regisseurin, die weniger risikofreudig als die Dramatikerin zu sein scheint, lässt jedoch die Stimme von Wolf Haas im Stück dominieren. Auch ein sehr österreichischer Zug: lieber bei den gewöhnten Mustern bleiben! Steckt da womöglich die Angst dahinter, die Gunst des Publikums zu verlieren, wenn man es zu sehr mit neuem Input verschreckt? In Zeiten wie in diesen Krisen hat es auch die Kunst schwer und doch sollte der Motor des Dramas stets bleiben: "Mutig samma, mutig!"
Improcup, Theater im Bahnhof/Orpheum, 11.1.-13.2. 2010
Das ewige Leben, Schauspielhaus Graz, 29.1. u. 24.2. 2010
Politik, die Show, Probebühne Schauspielhaus,31.1. 2010