Der Upcycling-Pionier Freitag feiert heuer sein 30-Jahr-Jubiläum. Auch hierzulande prägen die Taschen aus ausgemusterten Lkw-Planen schon lange das Stadtbild – von Bregenz bis Eisenstadt. Ob beim Bobo der ersten Generation oder bei der Fridays-for-Future-Aktivistin, Design und Weltbild des Schweizer Unternehmens kommen an. Mit eigens entwickelten Planen soll der Materialkreislauf in Zukunft noch weiter geschlossen werden.
»Endlos ist ein großes Wort«, sagt Anna Blattert, Circular Technologist bei Freitag. Sie verwendet es dennoch, weil es dem Unternehmen um eine Vision gehe: Irgendwann einmal sollen die Lkw-Planen, aus denen Freitag-Taschen gefertigt sind, im technischen Kreislauf gehalten werden können. Idealerweise eben: endlos. Blattert bezieht sich damit auf das Konzept der Circular Economy bzw. Kreislaufwirtschaft, die entweder – im biologischen Kreislauf – die Verwendung von biologisch abbaubaren und nachwachsenden Rohstoffen vorsieht oder – im technischen Kreislauf – das verlustfreie Recycling von nicht abbaubaren Rohstoffen.
Ein zweites Leben
Schon bisher war man bei Freitag um eine möglichst lange Nutzung der Lkw-Planen bemüht. Zwischen fünf und acht Jahre verbringen sie im Durchschnitt auf der Straße. Die ausgemusterten Planen werden dann bei Logistikunternehmen aus ganz Europa angekauft und nach Zürich-Oerlikon verfrachtet. Dort, am Fabriksgelände des Taschenherstellers, beginnt die Arbeit am zweiten Leben des Materials: Die Planen von mehreren Metern Länge werden in einem ersten Schritt zerteilt, Ösen und Nähte entfernt. In riesigen Waschmaschinen im Untergeschoß werden die »Planenfilets« gewaschen, anschließend getrocknet, farblich sortiert und auf Rollen aufgewickelt.
Im Bag Design wird das Material dann mittels Schablonen zugeschnitten. Für Freitag, so Unternehmenssprecherin Lis Isenegger, ein eigener Designschritt: »Es geht darum, die schönstmöglichen Unikate zu schneiden und dabei so wenig Material wie möglich zu verschwenden.«
Partner*innenbetriebe in Bulgarien, Portugal, Tschechien, Rumänien und der Schweiz vernähen die diversen Taschen und Accessoires wie Geldbörsen oder Schlüsselanhänger schließlich. Etwa 400.000 Stück davon setzt das Unternehmen pro Jahr um, bei einem Materialverbrauch von 350 Tonnen Lkw-Planen, 106.000 Autogurten und 28.000 Fahrradschläuchen. Hinzu kommen – für neuere Modelle – 32.000 m2 recyceltes PET-Textil und 9.700 m2 Airbag-B-Ware.
Damit die Produkte möglichst lange in Verwendung bleiben, bietet Freitag einen Reparaturservice an. Und am Black Friday – als Kontrapunkt zum Konsumspektakel – Tauschmöglichkeiten in zahlreichen Freitag-Stores in Europa und Asien, zusätzlich zu einer Online-Tauschplattform, die das ganze Jahr über genutzt werden kann. Dass Freitag-Taschen auch secondhand sehr beliebt sind, finde man erfreulich, so Isenegger, weil es gut zur Idee der Kreislaufwirtschaft passe.
Dennoch: Irgendwann lande jede Tasche in der Tonne, erklärt die Unternehmenssprecherin. »Und selbst wenn wir bei Freitag mit dem Restmüll Fernwärme generieren – kreislauftechnisch ist das noch nicht das Ende der Fahnenstange. Recycling ist toll, aber das alleine reicht uns nicht mehr. Es geht darum, dass Materialien von Anfang an so gefertigt sind, dass sie wieder in den Materialkreislauf zurückgeführt werden können. So wie wir es von Glas kennen, das man x-fach einschmelzen und wieder neu verwenden kann.«
Hier kommt das Projekt »Circular Tarp« ins Spiel. Anna Blattert: »Lkw-Planen sind ein Verbund aus Polyestergewebe, beschichtet mit weichem PVC. Das macht es sehr schwer, sie zu recyceln. Unser Ziel ist es, eine kreislauffähige Plane auf die Straße zu schicken, um daraus dann später Taschen zu nähen.« Gemeinsam mit Partner*innen aus der Planenherstellung und der chemischen Industrie arbeitet Freitag aktuell an neuen Materialien, zwei davon fahren bereits als Prototypen auf Lkws durch die Schweiz. Bis Haptik, Optik und Verarbeitbarkeit dem gewohnten Standard für Freitag-Taschen entsprechen, werde es aber noch dauern, so die Circular-Technology-Spezialistin. »Und auch die Bauart der Produkte wird sich ändern müssen, wenn wir voll kreislauffähig sein wollen. Sie müssen leicht zerlegbar sein, damit wir die reine Plane ins Recycling geben können und nicht Klebstoff, Nähte oder andere Materialien mit dabeihaben.«
Neue Geschäftsmodelle
Eine weitere Herausforderung: PVC sei unschlagbar günstig, so Blattert, aber ihre Projektpartner*innen hätten verstanden, dass man sich an das anpassen müsse, was in Zukunft am Markt gefragt oder gar gesetzlich gefordert sein werde. »Die Planen werden teurer werden, aber wir glauben daran, dass wir neue Geschäftsmodelle finden können, die es uns ermöglichen, ihren Preis anders zu bewerten, ihn zeitlich auf mehrere Schultern zu verteilen. Vielleicht verleasen wir die Planen ja sogar einmal an die Logistikunternehmen.«
Dass die Produkte des Unternehmens – nicht nur in ökologischer Hinsicht – gut durchdacht sind, war schon bei der Messenger-Bag F13 Top Cat der Fall, der allerersten Freitag-Tasche. Die Firmengründer Markus und Daniel Freitag, beide Grafikdesigner und passionierte Radfahrer, ließen sich dazu 1993 vom Lkw-Verkehr inspirieren, der vor ihrem WG-Küchenfenster tagtäglich über die Zürcher Hardbrücke donnerte. Seitdem wurden ihre funktionalen Designs zigfach kopiert und mit Preisen ausgezeichnet.
Mit der Kreislaufwirtschaft setzen »die Brüder«, wie es im Freitag-Jargon heißt, seit einigen Jahren auf ein sehr viel umfassenderes Konzept, als es das bloße Upcycling ihrer Anfangstage war. Erfolgreich umgesetzt wurde es etwa schon bei der Materialentwicklung für die Kleiderlinie des Taschenherstellers. Die Stoffe bestehen aus Bastfasern, sind robust sowie nachhaltig in Europa produziert – und sie können am Kompost entsorgt werden.
In Österreich sind die Produkte von Freitag bei diversen Vertriebspartner*innen sowie im Wiener Freitag Store in der Neubaugasse erhältlich. Für alle, die am Thema Kreislaufwirtschaft interessiert sind: Am 27. Februar hält Julia Schmitt von der Johannes Kepler Universität Linz auf Einladung der Beratergruppe Neuwaldegg einen Vortrag zum Thema im Magdas Hotel in Wien. Kostenpflichtige Anmeldung erforderlich.
Offenlegung: Unser Besuch bei Freitag erfolgte auf Einladung des Unternehmens.