Fritz Ofner und Co-Regisseurin Eva Hausberger verfolgen in ihrem neuen Dokumentarfilm »Weapon Of Choice« die Spuren der Waffen – von der Produktion bis hin zu den unterschiedlichen AnwenderInnen. The Gap hat den Filmemacher zum Gespräch getroffen.
Gibt es besondere Momente und Erinnerungen, die dir von den Dreharbeiten in Erinnerung geblieben sind? Gab es auch überraschende Situationen, mit denen du nicht gerechnet hattest?
Folgende Szene war eine große Überraschung für mich: Als wir in Deutsch-Wagram waren und unsere Protagonistin, die ehemalige Vize-Bürgermeisterin Deutsch-Wagrams, uns über das Werksgelände führte, stießen wir plötzlich auf den jüdische Friedhof, der von den Betonmauern der Firma Glock eingefriedet ist. Das ist für mich ein sehr starkes Symbol für den Umgang Österreichs mit dem Thema Waffenproduktion und Waffenexporte: Österreichs Rolle im Waffenhandel und die Verantwortung sowie Beteiligung werden verdrängt.
War es jemals Thema für dich, auch Österreichs Politikszene in diesen Film zu involvieren?
Was mich bei der Recherche so erstaunt hat, war, dass die Waffengeschäfte der Firma Glock in Österreichs Politik kein Thema sind. Die Geschichte für mich war, dass es hier in Österreich keine Geschichte ist. Deshalb habe ich dann versucht, das über mehrere starke Bilder festzuhalten – etwa über den Friedhof in Deutsch-Wagram und über die Geschichte mit den Waffenlieferungen in den Irak. Glock wollte Waffen an die dortige Polizei liefern. Dieser Deal war umstritten. Glock drohte dann mit dem Abzug der Produktion aus Österreich und das Wirtschaftsministerium hat schließlich umgeschwenkt. Die Lieferungen wurden zugelassen – mit der Auflage, dass diese Waffen nicht bei Terroristen landen dürfen, was schlussendlich aber passiert ist. Ich finde, an diesen beiden Beispielen sieht man ganz gut, wie man ein Problem ignoriert.
Kann man vorher überhaupt einschätzen, ob Waffen nicht doch einmal bei Terroristen landen werden?
Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt: Wenn man Waffen in Kriegsgebiete liefert – sei es nach Syrien oder in den Irak –, dann kann man relativ sicher sein, dass diese Waffen an andere Parteien, die man vielleicht nicht unterstützen möchte, weitergegeben werden. Da muss ich nun kein Nobelpreisträger sein, um das zu erkennen. Das ist eine Dynamik, die Kriegsgebiete entwickeln, das ist eine Dynamik, die der Waffenhandel ebenso entwickelt: dass Waffen irgendwann ihre Besitzer wechseln und dann in den Händen von Menschen landen, von denen man nicht will, dass sie diese Waffen besitzen.
Die meisten deiner ProtagonistInnen im Film sind Männer. Wie siehst du den Zusammenhang zwischen Waffen und Geschlecht? Gab es für dich neue Erkenntnisse?
Waffen sind natürlich Fetischobjekte. Der Großteil der Menschen, die im Film vorkommen, sind Männer. Am interessantesten in diesem Gender-Kontext finde ich aber die Waffentrainerin, die ihre Glock-Pistole als feministisches Argument begreift, da ihrer Ansicht nach damit Machtunterschiede zwischen Männern und Frauen ausgeglichen werden können. Diese Form des Gender-Diskurses habe ich zuvor noch nie gehört. Ansonsten ist das schon lang und breit diskutiert worden: Die Pistole ist ein Fetischobjekt. Gerade im Zusammenhang mit Saddam Husseins Waffe, die später George W. Bush übergeben worden ist. Die ist quasi wie eine Trophäe, die vom Untergebenen an den neuen Herrscher übergeben wird. Damit wird – symbolisch betrachtet – die Macht von der einen zur anderen Person übertragen. Das ist freudianisch gesehen eine Kastration.
Wie erklärst du dir den ausgeprägten Bezug zu Hip-Hop?
Glock ist in den späten 1980ern und frühen 1990ern in den USA populär geworden, das ist derselbe Zeitraum, in dem Hip-Hop und Gangster-Rap populär geworden sind. Das heißt: Hip-Hop und Gangster-Rap haben diese Waffe sehr schnell für sich entdeckt. Einerseits, weil sich viele Wörter auf Glock reimen – wie etwa lock, drop, cock – andererseits, weil die Ästhetik dieser Waffe sehr gut in das Hip-Hop-Milieu passt. Sie ist sehr minimalistisch designt, sie ist schwarz. Dirty Harry hat eine Magnum, die passt zu ihm, aber zum Hip-Hop passt eben Glock. Da sind einfach zwei Dinge zusammengekommen: Viele Rapper, die über Glock rappten, meinten gar nicht Glock – das Wort Glock wurde vielmehr zum generischen Ausdruck für Pistole an sich. All das hat zu diesem Mythos beigetragen. Egal, ob Gangster-Rapper, IS-Kämpfer oder Anders Behring Breivik: Alle haben den Mythos dieser Waffe befeuert.
Hast du auch an dein Publikum gedacht, als du den Film gedreht hast?
Absolut. Wenn man an einem Film arbeitet, dann denkt man ebenso an das Publikum. In erster Linie wollte ich einen spannenden Film machen, der die Geschichte der Glock und deren Verbreitung erzählt und davon, wie diese Firma zum Global Player der Rüstungsindustrie wurde, aber auf eine spannende Weise – wie ein Thriller oder ein Film noir. Das Publikum muss emotional mitgehen.
Welche anderen Themen würdest du als Filmemacher noch gerne näher beleuchten?
Ich habe mich zwölf Jahre lang in meinem Filmen mit Gewalt, Krieg und Waffen befasst. Für meine zukünftigen Projekte möchte ich mein Augenmerk mehr auf Positives lenken. Nicht nur Missstände beleuchten, sondern auch positive Nachrichten verbreiten. Insofern wird der nächste Film definitiv ein anderes Thema haben.
Was treibt dich als Filmemacher an?
Ich glaube, dass es eine sehr privilegierte Position ist, Dokumentarfilme machen zu können. Ich sehe das ein Stück weit so: Die Gesellschaft leistet es sich, dass jemand jahrelang Dokumentationen dreht und sich lange mit einem bestimmten Thema befassen kann und diese Erkenntnisse in einem 90-minütigen Film präsentiert. Ich habe mich eben die ganzen letzten Jahre mit dem Thema Glock und Waffenexporten auseinandergesetzt, weil ich das Anliegen hatte, zu einer gesellschaftlichen Bewusstseinsbildung beizutragen. Das war mein Beweggrund. Ich glaube, dass dieses Thema zu wenig Präsenz hat und dass es mehr gesellschaftliches Bewusstsein dafür braucht, dass Österreich im großen Stil am Waffenhandel partizipiert. Es muss diskutiert werden, ob wir das gut finden oder nicht. Das war meine Intention und Motivation, diesen Film zu realisieren.
»Weapon Of Choice« ist zur Zeit in den österreichischen Kinos zu sehen.