„Der schlimmste Fehler von Frauen ist ihr Mangel an Größenwahn“, leiten die Autorinnen des Buches "Das Ende der Krawattenpflicht" ihre Schlussfolgerungen ein.
Also weiblichen Größenwahn hätscheln? So einfach ist das nicht, denn dass der Größenwahn eher von Männern als von Frauen gepflegt wird, hat Gründe, die mittlerweile recht gut erforscht sind. Im Abschnitt, wo die Ursachen beleuchtet werden, beginnt das Buch spannend zu werden, während sich die Leserin und Leser davor denken mögen: „Nicht schon wieder!“, wenn die allzu oft – folgenlos – wiederholten Fakten der Diskriminierung dargelegt werden.
Wie kommt es zur Diskriminierung, wo doch so viel guter Wille da ist, die Gesetze längst Gleichstellung fordern und die Gleichberechtigung für eine Gesellschaft ins Auge fallende Vorteile hat: Gleichstellung und Wohlstand korrelieren ebenso wie Diskriminierung und Armut.
Die Sozialisation beginnt ja schon vor der Geburt
… und sie lässt niemanden aus: Alle hängen wir in einem Geflecht, wo wir unweigerlich zunächst immer nach unserem Geschlecht eingeordnet werden, was wiederum weit reichende Folgen dafür hat, was von uns erwartet wird, womit wir Pluspunkte sammeln und womit wir anecken. Wie das in der Praxis „eingeübt“ wird und wir diesbezüglich funktionieren, beschreiben die Autorinnen sehr greifbar und umfassend mit Literatur belegt.
Welche Folgen hat das für Politikerinnen? Wir erwarten uns vom politischen Personal Führungsstärke und Durchsetzungsvermögen. Doch diese Eigenschaften schreiben wir Frauen grundsätzlich nicht zu, weshalb die Darstellung weiblichen Durchsetzungsvermögens „unweiblich“, daher wenig authentisch und darum auch weniger glaubwürdig wirkt. Wie kommen Frauen aus diesem Double Bind heraus? Gar nicht, sie müssen damit zurecht kommen.
Ist die fachliche Kompetenz ebenso wie das Durchsetzungsvermögen einer Politikerin unwiderlegbar, wirft man ihr – im Gegensatz zu männlichen Konkurrenten – „emotionale Kälte“ vor. Ähnliches gilt für den erlernten Sprachgestus: Auch hier ist den Frauen Bestrafung sicher, schreiben die Autorinnen auf Basis sprachwissenschaftlicher Untersuchungen. Es zählt weniger, was gesagt wird, sondern vielmehr, wer es sagt und wie es gesagt wird. Wenn es nur zu 7% auf den Inhalt einer Aussage, zu 38% auf die Stimme (tiefer ist besser!) und zu 55% auf die begleitende Körpersprache ankommt, haben die Frauen wieder verloren, denn auch hier ist ihr Freiraum durch die Konvention eingeschränkt, deren Verletzung übel genommen wird.
Auch die Medien tun das Ihre dazu, aktive Politkerinnen zu behindern, natürlich nicht bewusst. Doch es ist belegt, dass es weniger Politikerinnen gibt, dass über diese weniger berichtet wird und sie kürzer zu Wort kommen, falls doch berichtet wird, und dann eher in indirekter als direkter Rede. Dass Frauen sich nur in bestimmten politischen Territorien bewegen sollen und die Berichterstattung sonst mehr negative Untertöne hat, wird als weiteres Handicap genannt: Soziales, Gesundheit, Bildung sind „erlaubte“ Bereiche, Verteidigung, Bau und Verkehr, Landwirtschaft sind „verbotenes“ Terrain, in das Frauen gerade deshalb eindringen sollten. So gelingt es den Autorinnen, das Minenfeld, in dem Politikerinnen sich bewegen, gut zu illustrieren. Auswege gibt es nicht, doch da die Fallstricke bekannt sind, kann mit ihnen gerechnet werden.
Role Models, Quote, große Wahlkreise
An Ermutigung lassen es die Autorinnen allerdings auch nicht fehlen. Einerseits gibt es bereits Vorbilder, die den Durchbruch geschafft haben und dadurch die politische Kultur ein Stück weit verändern. Andererseits gibt es Mittel, das Regelwerk so zu ändern, dass Politikerinnen bessere Startbedingung haben. Neben der Quote, die vehement befürwortet wird, sind auch große Wahlkreise für Frauen besser als kleine, Listenwahlen besser als Persönlichkeitswahlen und ein Verhältniswahlrecht besser als ein Mehrheitswahlrecht. Solche Erkenntnisse müssen genutzt werden. Natürlich sind klassische feministische Forderungen wie die gerechte Aufteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit weiterhin wichtig. Die Ungleichverteilung zu Lasten der Frauen wirkt sich natürlich auch auf die politische Präsenz von Frauen aus.
Fazit für die politische Frau: Sich schlau machen – nicht zuletzt durch die Lektüre der vorliegenden Abhandlung, gut sein, machen! Und ein Vorbild sein – öffentlich wie privat.
Juliane Alton ist Geschäftsführerin der IG Kultur Vorarlberg und ist seit März 2012 Obfrau der Grünen Bildungswerkstatt Vorarlberg. http://alton.at/juliane