Um ein bisschen Kunst zu machen braucht man eigentlich nicht viel – einen Bleistift und einen Zettel, oder einen orangenen Gurt und eine Hausmauer. Wie das zusammenpasst kann man sich bei Drawing Now in der Albertina ansehen.
Nach welchen Kriterien wurden die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler ausgewählt?
Die Ausstellung ist eine Bestandsaufnahme der letzten 10 Jahre – mit Werken der letzten 10 Jahre. Sie ist sicher eine Ausstellung aus europäischer Perspektive und hat nicht den Anspruch einen globalen Überblick geben zu wollen. Uns ging es darum, auch etwas jüngere Generationen zum Teil erstmals in Österreich zu zeigen. Ausnahmen bilden etwa Fritz Panzer oder Silva Bächli, die erst in den letzten 10 Jahren einen neuen Weg in der Zeichnung eingeschlagen haben.
Es ist auch selbstverständlich, dass, wenn die Albertina so eine Ausstellung konzipiert, auch österreichische Kunstschaffende vertreten sind, nicht, um damit eine Quote zu erfüllen, sondern weil sie einen ganz bestimmten Stellenwert im internationalen Kontext haben.
Es ist nicht leicht, aus einer langen Liste von Künstlerinnen und Künstlern einige wenige herauszupicken. Mir war es jedoch wichtig, die ausgewählten Positionen mit mehr als nur einer kleinen Arbeit zeigen zu können. Daher diese Anzahl. Aber ich denke, so bekommt man tatsächlich einen guten Eindruck davon, wie jemand arbeitet. So eine Ausstellung bedarf auch sicher eines Muts zur Lücke. Das soll heißen, dass dem einen oder anderen Besucher, der sich mit Zeichnung befasst, vielleicht ein bestimmter Künstler, ein bestimmter Aspekt in der Ausstellung fehlt. Und das ist gut so. Denn so eine Ausstellung kann niemals alles abdecken, aber durchaus weitere Denkanstöße geben. Wir planen auch, die Ausstellung in unregelmäßigen Abständen als Reihe fortzusetzen und dann zu zeigen, wenn wir Bedarf für eine neuerliche Bestandsaufnahme sehen.
Wieso war es dir wichtig, dass die bestehende Struktur des Hauses, außen wie auch innen, miteinbezogen wird?
Zeichnung hat sich spätestens in den 1960er Jahren emanzipiert. Eine gespannte Schnur im Raum oder eine Spur im Gras, eine Performance konnten nun eine Zeichnung sein. In einer Bestandsaufnahme zu Zeichnung heute ist klar, dass auch solche Positionen vorkommen – ohne, dass es rein um diese formalen Kriterien geht. Aber dieser erweiterte Zeichnungsbegriff ist für die Künstlerinnen und Künstler heute selbstverständlich. Sie arbeiten genau so. Daher sind einige Arbeiten im engen Austausch mit den Künstlern eigens für diese Ausstellung und teils auch raumbezogen entstanden.
Wie würden Sie die Position der Albertina in der österreichischen Kunstszene beschreiben? Braucht sie nicht nur einen Gurt außen herum, sondern vielleicht auch einen neuen Anstrich?
Die Albertina zählt sicher zu den wichtigsten Institutionen in der österreichischen Kulturlandschaft. Mit inzwischen fünf Ausstellungsflächen und den Interventionen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, mit denen wir 2012 begonnen haben, zeigen wir ein sehr umfangreiches Programm auf höchstem Niveau.
Ich würde behaupten, es lohnt sich immer in die Albertina zu kommen. Es gibt auch für mich immer etwas zu entdecken und mitzunehmen. Ob es nun die wunderbaren Pastelle aus dem Musée d’Orsay sind, die Aquarelle der Kammermaler oder die Fotoausstellung „Blow up“. Da spielt der äußere rosa Anstrich vermutlich nur eine kleine Rolle.
Was wird bei „Animation Now“ passieren?
Ich freue mich, dass wir für „Animation Now“ mit Tricky Women kooperieren. In der Ausstellung selbst wird schon die animierte Linie, die animierte Zeichnung im Video, im Film behandelt. Aber ich fand es schön, im Rahmenprogramm nochmals einen Schwerpunkt darauf zu setzen. Es werden bei „Animation Now“ also Filme gezeigt, in denen es genau darum geht.
Auch hier wird deutlich: die Künstlerinnen bedienen sich der verschiedensten Techniken. Zeichnung ist auch hier sehr vielseitig. Es sind sowohl Künstlerinnen vertreten, die hauptsächlich im Bereich des Animationsfilms arbeiten, aber auch solche, die sonst eher in der bildenden Kunst verankert sind, wie etwa Maria Lassnig oder Veronika Schubert.
Kann man mit bewegten Bildern ein breiteres Publikum zur Zeichnung verführen?
Ich hoffe, dass auch die Werke in unserer Ausstellung auf ähnliche Weise verführen und begeistern. Die Ausstellung ist, denke ich, eine sehr lebendige, die die verschiedensten Facetten von Zeichnung zeigt. Von schnell skizziert bis akribisch durchgeplant. Von humorvoll bis zu eher komplexen Inhalten. Der eine wird sich vielleicht für die Videoarbeiten von David Shrigley begeistern, während die andere für die Drahtobjekte und die Wandzeichnung von Constantin Luser oder die mit Wachs bezogenen Zeichnungen von Sandra Vásquez de la Horra schwärmt. Wer anderer wiederum ist von Paul Nobles großformatigen Bleistiftzeichnungen fasziniert.
Die Ausstellung Drawing Now gibt es noch bis 11. Oktober 2015 in der Albertina zu sehen. Alle die ein bisschen zusätzliche Animation gebrauchen, können ihren Kunsthunger bei Animation Now am 29. Juli stillen.