Unser Zero-Inch Album des Monats: 6th Borough Project verschmieren auf ihrem Debüt-Album Disco und Deep House so formvollendet und knackig wie kaum jemand bisher. Ihre Samples sind mächtig, ihr Stil unprätentiös. Kein Werk von Erneuerungs-Fanatikern, sondern von Funk-Göttern.
Seit einigen Jahren bereits spuckt der House-Vulkan wieder heftig Feuer und hat dabei Minimal Techno und Konsorten unter einer mächtigen Aschewolke begraben. Selbst Leute, die sich eher wegen Sex, Alkohol oder anderem in einen Club verirren, haben das schon spitzgekriegt. House und auch dessen älterer Bruder Disco sind omnipräsent und schwängern sämtliche Stile aktueller Clubmusik von Electro bis Dubstep. Diese Umwälzung passierte nicht über Nacht, sondern sukzessive. Minimal-House war dabei die Interimsregierung im Staate Club. Dieser funktionierte und tönte immer noch wie minimaler Techno der Nullerjahre und befriedigte die nach vorne drängende Clubkultur und ihre Jünger nur kurzzeitig. Deep House wurde ausgegraben, einer Frischzellenkur unterzogen und kurz darauf fast einstimmig als passende Staatsvertretung angelobt. Er erfüllte die Chord- und Vocal-Sehnsucht der Tänzer, ohne dabei zu überhitzen.
Die Suche nach dem goldenen Sample
Das Rennen um den smoothesten Chord, die souligsten Vocals und das organischste Sound-Fundstück ist bereits in vollem Gange. Dabei wird auch vom Teller anderer Genres genascht. Disco und House rücken sowieso immer näher aneinander, durch Samples aus Soul, Funk, R’n’B und Jazz erschließen sich neue Möglichkeiten. Bei alledem ist und bleibt der Arsch aber immer noch Kriegsminister – am Schlachtfeld, der da Dancefloor heißt, müssen gerade Tracks funktionieren. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, das den Produzenten zwar instinktiv bewusst ist, aber von manchen zugunsten des Novelty-Effekts zurückgestellt wird. Die schottischen Disco-Nerds Craig Smith und Graeme Clark von 6th Borough Project liefern jetzt auf ihrem Debütalbum den bisher unaufgeregtesten, spannendsten, wenn nicht besten Deep-House-Disco-Hybrid der Gegenwart – und gleichzeitig eine Art Manifest in Form eines uralten Spoken-Word-Samples, wie es kaum schöner sein könnte: »Nothing is original. All human expression is really just endless variations. There are only a limited number of stories you can tell, but there is an unlimited number of ways to tell the same story«, röchelt eine alte Soul-Stimme auf dem Album-Track »Deep C«. Stile niederreißen, um aufregende Musik zu machen, muss nicht sein, eine überzeugende Art Geschichten zu erzählen aber haben 6th Borough Project längst gefunden.
Retro vs. Zeitgeist
Den Nerv der Zeit zu treffen war wohl nicht mal das Anliegen von 6th Borough Project. Ihre bisherigen Produktionen rochen zwar immer schon nach etwas Großem und waren allesamt Underground-Hits, aber so präzise wie auf »One Night In The Borough« wurde die Disco-Deep-House-Symbiose noch nie gemacht. Ihr Wissen um und ihre Samples aus alten Funk und Soul-Platten katapultiert sie allen anderen weit voraus. Die Tracks des Albums pendeln sich eher im Tempo oldschooliger Disco-Platten zwischen 110 und 115 Bpm ein und gerade das lässt ungepitchte Samples zu, die so ihre geballte Kraft entfalten. Aber auch die Beats’n’Claps des Duos haben genügend Eier, um nicht als Chill-Out-Gedudel abgetan zu werden. Und selbst wenn sich synkopische Bassläufe mit discoider African Percussion paaren, halten 6th Borough Project ihre Stücke klar auf Kurs. Ihre Musik vereint mit Leichtigkeit, was House-Connaisseure, Disco-Nerds und Club-Kids gleichermaßen suchen – musikalische Tiefe, organische Fülle, ekstatische Emotionen und eine adäquate Portion Punch. Kommende Disco-House-Hybriden müssen sich ab heute an diesem Album messen.
»One Night In The Borough« von 6th Borough Project erscheint am 13. Mai via Delusions Of Grandeur. Das Album ist unser Zero-Inch Album des Monats. Wir verlosen sechs Exemplare auf Facebook. Hier gibt es das famose Teil.