Wie ethnisch korrekt kann Techno eigentlich sein? Ist das, was ein Berliner DJ aus seinem Nähkästchen plaudert auch wirklich kein Seemannsgarn? Diesen und anderen Rätseln hat sich Julia Melcher auf die Spur begeben.
Dort, wo derzeit unsere Mizzis und Babsis an den nationalen, wie auch geistigen Grenzen feilen, scheint die Musik diese weltumspannend zu ignorieren. Oder doch nicht? Wer in Österreich, als Frau geboren, nach idealistischen Gallionsfiguren dürstet, wird bald von ähnlichen Erfahrungen erzählen, wie Antoine de Saint-Exupéry. Aber dies nur als ein kleiner Exkurs zum Weltfrauentag, der gar nicht das eigentliche Thema dieses Beitrags ist, thematisch jedoch durchaus geneigt sein wird wiederzukehren. So wie in der Musik.
Tolga Fidan ist ein Musiker, der mit Themen spielt. Das, was er macht als Ethno-Techno zu bezeichnen, wäre zwar gewagt, würde aber durchaus auf die richtige Fährte locken. Dass der gebürtige Türke viel gereist ist, hört man auch in seinen Live-Sets, so wie er Eines letzten Freitag im Forum Stadtpark an die geneigte Hörerschaft spendierte. If travelling broadens your mind, it will do so with your inspiration. Doch auch seine musikalischen Wurzeln sind tief verankert, in den Tracks, die er kreiert. Seit einiger Zeit lebt Tolga Fidan in Berlin und weiß so Einiges über die Veränderungen zu erzählen, die in der Szene, nicht erst seit der Wirtschaftskrise, stattfinden.
From Berlin to Paris
"Vor ein paar Jahren noch, spielte ich auf fünf Gigs in der Woche, ich war maximal zwei Tage zu Hause, bin ständig herumgereist, von einer Party zur nächsten. Jetzt ist das anders, es hat sich beinahe umgekehrt. Es geht uns allen so. DJs werden nicht mehr so oft gebucht wie früher, es finden auch weniger Partys statt." Woran das liegt? Natürlich spürt man die Krise überall, aber nicht nur das ist ein Problem. "Es liegt auch an den neuen Sperrstunden-Gesetzen für die Clubs, seitens der EU," meint Fidan. "Die Clubs müssen alle schon um fünf Uhr in der Früh den Laden dicht machen. Es gibt keine Partys mehr, bis in den Nachmittag hinein, wo die Afterhour gleich drangehängt wird. Sogar in Paris oder London ist um Sechs in der Früh alles tot. Berlin ist in Europa mittlerweile die einzige Ausnahme geworden."
Den Clubs ginge damit viel Geld verloren, sowie auch den DJs. "Die EU-Gesetze schaden der Szene." Mittlerweile würden sogar die ganz Großen auf Billig-Fluglinien umsteigen, weil aufgrund der schlechten Auftragslage das Reisebudget reduziert werden muss. Doch was, wenn es auch die Fluglienien erwischt und Flüge drastisch eingespart werden müssen? "Dann wird es immer schwieriger werden, international aufzutreten und die Clubs zu bespielen. Schade. Dadurch geht viel an gegenseitigem Austausch verloren." Was man sich als DJ angesichts dieser Umstände von der Zukunft erhofft und wünscht? "Vinyl darf nicht aussterben! Ich möchte meinen Kindern nicht irgendwann einen USB-Stick in die Hand drücken müssen und sagen: `Hört euch das an, das hat euer Papa mal gemacht früher!´ Ich möchte ihnen lieber eine Schallplatte in die Hände geben, etwas, dass sie wirklich angreifen können, etwas, das nicht digital ist." Ein frommer Wunsch, in Zeiten des Beat DJ. Möge er erhört werden!
Im Stadtpark
Die New-Season-Opening Party von Wide-Open-Eyes-Shut begann allerdings mit Soundbeschallungen ganz anderer Gefielde. Die international umtriebige Linzer Rockband Valina eröffnete den Abend und bedankte sich für ein charmantes, diszipliniertes Publikum. Sie dürften aus Chicago, wo sie erst kürzlich ein Album gemeinsam mit Steve Albini aufgenommen haben, wohl stürmischeres gewohnt sein. Ebenfalls mit von der Party waren The Tweakers alias Bitz und Martin Riegelnegg, die wieder eifrig im Studio gewerkt hatten und ein neues Live-Set an die geneigte und disziplinierte HörerInnenschaft kredenzten. Der Abend verlief ruhig, in beschaulich kleiner Schar, ohne nenneswerte Zwischenfälle.
In Zukunft
Es bleibt nun nur noch übrig, der Zukunft außer dem Vinyl noch etwas zu wünschen: ein zwar durchaus rundes aber weniger schwarz-braunes Rollenbild und Frauen, die mit dem Feministinnen-Klischee brechen, ohne es zu entwurzeln. Einfluss ist besser als Macht. Und: "Man´s design is not, to repeat himself in time!" (Simone de Beauvoir)