»Gendersensibles Design« – braucht es das wirklich? Und ob! Angesichts der sich verschärfenden stereotypen Rollenzuweisungen in Produktkultur, Werbung oder Grafik fragt man sich mitunter, wie fortschrittlich unsere Gesellschaft tatsächlich ist.
Einmal ohne Klischees, bitte!
Natürlich sind sie auch auf positive Beispiele gestoßen. Die Scheren von Fiskars oder die Werkzeuge des deutschen Herstellers Bahco, dessen Linie Ergo neutral und ergonomisch universal (also sowohl für größere als auch für kleinere Hände, aber auch für Linkshänder) gestaltet ist. Oder die Toilette-Taschen der deutschen Marke Authentics. Mitunter ist es auch der ironische Umgang mit Geschlechterklischees, der ein probates Mittel sein kann um aufzufallen, wie die Autorinnen betonen. Es gehe ja nicht um Gleichmacherei, sondern um Vermeidung von Stereotypen. Uta Brandes ergänzt die Reihe der Vorbilder um ein prominentes Beispiel, bei dem Design geschlechtsneutral und zugleich höchst erfolgreich ist: Apple. Dort war es Jonathan Ive, der die Computer vom nerdigen Männerlook befreite.
Um der »Pinkisierung der Welt« etwas entgegenzusetzen, hat Uta Brandes im vorigen Jahr das »International Gender Design Network« gegründet. Expertinnen und Praktikerinnen werden zusammengespannt, um Erfahrungen auszutauschen, Lobbying zu betreiben und sich gegenseitig zu unterstützen. »Ich setze mich dafür ein, dass Gender in Zukunft beim Design die gleiche Rolle spielt wie Funktionalität, Ökologie, Emotionalität. Alle reden derzeit von Sustainability, aber Gender muss auch rein!« Und zugleich geht es bei ihrem Netzwerk auch darum, Designerinnen und Theoretikerinnen sichtbarer zu machen, denn die Szene ist bekanntlich männlich dominiert – von der Ausbildung bis zu den Top-Jobs für große Marken. Dass bei der Wiener Werkstätte und anderswo vor 100 Jahren Frauen in den Textil- und Keramikbereich gedrängt wurden, kann man noch historisch »erklären«. Warum aber sind heute in der Automobilindustrie die Herren der Schöpfung für die Karosserie und die (wenigen) Damen meist fürs weiche Textile zuständig? Wie wäre es mit einem Rollentausch?
Uta Brandes erzählt von einem »Concept Car« bei Volvo, das von Designerinnen entwickelt wurde und so gar nicht den niedlichen Klischees vom rundlichen, kleinen Stadtauto entsprach: »Es war sehr sportlich, cool, mit riesigen Wing-Doors nach oben, aber auch mit viel Stauraum. Außerdem hatte es ein Detail, das für manche Frauen wichtig ist: Die machten nämlich in die Kopflehne ein Loch hinein, damit es mit hochgesteckten Haaren nicht so unbequem ist.« Gebaut wurde das »Frauenauto« leider nie, offenbar rechnete man sich keine Marktchancen damit aus.
Wir müssen immer weiter durchbrechen
Von ein paar Stereotypen können auch Monica Singer und Marie Rahm berichten, die unter dem Namen Polka ein erfolgreiches Studio in Wien betreiben. »Wir selber arbeiten nicht bewusst damit, weibliches Design zu machen, obwohl unsere Arbeit zu unserem Erstaunen manchmal von Journalisten so beschrieben wird. Da wir zwei Frauen sind, reagieren auch die Kunden manchmal mit einer bestimmten Erwartungshaltung.« An ihrer Ausbildungsstätte – der Angewandten – habe das Thema jedenfalls keine Rolle gespielt. »Dadurch, dass das früher eine metallverarbeitende Meisterklasse war und die Werkstätten in der Klasse vorhanden waren, waren wir auch als Frauen in diesem eher männerdominierten Bereich integriert und akzeptiert. Alle haben schweißen und fräsen gelernt«, so Marie Rahm. Monica Singer ergänzt: »Es war kein Thema in der Ausbildung. Man muss aber auch dazu sagen, dass ich während des Studiums ausschließlich männliche Professoren und Assistenten hatte.«
Dass sie eben nicht »nur« Textiles und Lampen, sondern auch Möbel oder Massenprodukte entwerfen, dazu benötigten die beiden Durchsetzungsvermögen. Marie Rahm: »Ich glaube, als Frau muss man sich im technischen Bereich anfangs mehr beweisen. Auf der anderen Seite ist es aber auch einfacher, durch den exotischen Faktor, den wir dadurch haben. Wir fallen mehr auf.«
Mehr zum Thema Lego:
Coverstory: Lego – Renaissance durch Pop und Netz
Lego Film – Vom guten Blockbuster-Pop-Gewitter
Das Buch »Du Tarzan Ich Jane – Gender Codes im Design« ist im Blumhardt Verlag Hannover erschienen.