Der britische „Punk-Geiger“ Nigel Kennedy setzt seine musikalische Innovationskraft und schillernde Virtuosität zwei Abende lang auf der Bühne des Wiener Jazzclubs Porgy & Bess frei.
Offenheit gegenüber allen Stilrichtungen und beständiges Überschreiten von musikalischen Grenzen – das macht den britischen Wundergeiger und bunten Vogel der Klassik-Szene Nigel Kennedy so unverwechselbar. Mit seinen radikalen Live-Performances und stilistischen Crossovers gelingt es Kennedy immer wieder ganz locker, die Trennung von U- und E-Musik aufzuheben. Ob er Klezmer neu entdeckt, Bach mit Miles Davis und Beethoven mit Duke Ellington versöhnt, Jimi Hendrix neu interpretiert oder mit Metal- und Drum’n’Bass-Elementen experimentiert – Nigel Kennedy nimmt musikalische Anregungen von überall her und verarbeitet sie zu eigenen Kompositionen und Improvisationen.
Bei diesen Grenzüberschreitungen galt Kennedys besondere Liebe schon immer dem Jazz. Bereits als ungestümer 16-Jähriger geigte er mit Stéphane Grappelli, dem Altmeister der Jazz-Violine, in der Carnegie Hall um die Wette. Dieser war es auch, der ihm das enorme Improvisationspotenzial des Instruments nahebrachte. Auf seiner elektronisch verzerrten Wunderwaffe mit Karbon-Korpus experimentiert er nun seit fünf Jahren mit seinem polnischen Quintett bretthart auf der Bühne, bis aus schreienden Violin-Überlagerungen ein atemberaubender Klangteppich zwischen Blues, Bebop, Bossa Nova und Rock entsteht.
„Ich nähere mich der elektronischen Violine in ähnlicher Weise wie ein Gitarrist mit seiner E-Gitarre umgeht”, erklärte Kennedy dazu in einem Interview. „Ich liebe auch das Spiel von Jazz-Saxofonisten wie Wayne Shorter oder John Coltrane, aber der Sound der E-Gitarre von Jimmy Page, Santana oder Jeff Beck hat mich richtig gepackt. Jimi Hendrix startete einen großen Befreiungsschlag für die Gitarre und machte daraus ein völlig anderes Instrument. Ich benutze Effekte, die ursprünglich für die Gitarre erfunden wurden, aber es funktioniert auch wunderbar für die Violine.“
Dass der Londoner seine aktuellen Mitmusiker in einem Klub in Krakau kennengelernt hat, ist kein Zufall: Kennedy lebt die meiste Zeit des Jahres mit seiner polnischen Frau Agnieszka in seiner Wahlheimat Krakau, wo sich die Beschäftigung mit dem klassischen Repertoire als künstlerischer Leiter des polnischen Kammerorchesters und die Zusammenarbeit mit polnischen Jazzern für ihn wunderbar verbinden lässt. „Krakau ist das Herz der polnischen Jazz-Szene und hat weltweit einen hervorragenden Ruf“, sagt Kennedy. „Man trifft dort großartige Leute, mit denen man in nächtelangen Sessions Musik machen kann, und ich lebe nur 200 Meter vom nächsten Jazz-Club entfernt. Alle Bandmitglieder sind hoch qualifizierte Musiker und lassen live den Funken überspringen.“
Nigel Kennedy Quintet
29. / 30. Mai
Porgy & Bess, Wien