Gimme Shelter

Die Szene in Wien floriert. Doch neben den großen Locations wird nach wie vor in kleinen Clubs, in den Beisln und Pubs der Hauptstadt gefeiert. Doch tut sich da irgendwas? Genau hier fragen wir nach. Heute bei Martin vom Shelter.

Funktionieren Club-Abende (Bravo Hits Party, New Noize, etc.) besser als reine Konzerte? Wenn ja, woran liegt das eurer Meinung nach?

Die Bravo Hits Party ist mittlerweile ein Selbstläufer. Sie ist aber auch die einzige "Mainstream-Party" im Shelter. New Noize veranstalte ich gemeinsam mit ein paar Freunden – übrigens schon seit 15 Jahren. Da wir die Veranstaltung eigentlich schon lange nur mehr mit Liveacts machen, kommt es hier natürlich auch auf die Bands an, wie viele Leute tatsächlich kommen. Generell sind im Shelter momentan auch am Wochenende meistens Konzerte mit anschließender Aftershow-Party, da immer mehr Bands lieber am Wochenende spielen – es aber gleichzeitig am Wochenende für Bands weniger Auftrittsorte gibt, weil viele Clubs mit reinem DJ-Programm mehr verdienen.

Macht ihr eigentlich viele Eigenveranstaltungen oder überwiegend Fremdveranstaltungen? Findet bei euch jeder Nachwuchsveranstalter ein Zuhause und kann seine verrückteste Idee umsetzen, oder gibt es inhaltliche Grenzen?

An und für sich kann jede Band bei uns spielen, wenn sie den Abend komplett selbst organisiert. Wir stellen eine funktionierende Infrastruktur zur Verfügung – die Bands müssen sich also nur mehr um die Werbung kümmern und um ihre Show und können sich drauf verlassen, dass alles andere passt. Das Shelter selber veranstaltet selber kaum Konzerte, die meisten "Eigenveranstaltungen" laufen über meinen Verein. NachwuchsveranstalterInnen sind natürlich willkommen, solange sie ihren Job gut machen. Wenn sie dann am Wochenende aber nur 20 Leute bringen, ist das natürlich viel zu wenig, damit wir unsere Fixkosten decken können. Aber wir hatten letztes Jahr zum Beispiel zwei Veranstaltungen von La Burlesqueria im Club, mit etwas anderen Burlesque-Shows, beide übrigens "ausverkauft". Wir sind also grundsätzlich offen für alles. Inhaltliche Grenzen darf man bei uns höchstens erwarten, wenn Bands zu Hass und Gewalt aufrufen – das setzt man im Shelter aber ohnehin voraus.

Zeit für eine Anekdote: Was war das legendärste Konzert im Shelter, das ihr bis jetzt veranstaltet habt?

Für Czerny (einer der Gründerväter des Shelter) waren es Fettes Brot, Readymade, Reel Big Fish, TV Smith, The Meteors und The Spudmonsters (bei denen ist die Bühne während des Konzerts eingebrochen). Für Fabio (einer der aktuellen Chefs) waren’s die Konzerte von Reel Big Fish, Spider Crew, Only Attitude Counts, Fucked Up oder Bane. Ich kann mich selber noch an eine volle Staggers-Show erinnern – ein Konzert mit Feuerwehreinsatz. Weil es im Winter durch die Lüftung auf die Straße gedampft hat, hat ein aufmerksamer Nachbar die Feuerwehr alarmiert – und ein Trupp hat sich mit schwerem Atemschutz durch die Menge gekämpft, um zu kontrollieren, ob es auch wirklich nicht brennt im Lokal. Wanda waren auch schon hier – als Supportband von Chili And The Whalekillers vor gut zwei Jahren, noch bevor Problembär Records wussten, dass es die Band Wanda gibt – das Konzert hab ich selber aber leider verpasst. Bei uns spielen natürlich auch immer wieder großartige Bands in einem halb leeren Club – die bekommen dann halt schwer das Prädikat "legendär", diese Shows hinterlassen bei den ZuhörerInnen aber doch oft auch bleibende Eindrücke. Qualität lockt leider nicht immer die Massen an.

Ist die Wiener Konzert-Veranstaltungsszene ein elitärer Kreis?

Konzerte gibt’s im EKH, im TÜWI oder im Venster genau so wie in den "etablierten" Clubs Chelsea oder B72. Neue Venues wie das Chaya Fuera bieten für die Gäste einen etwas "elitäreren" Rahmen. Aber die Konzertszene hat sich in den letzten Jahren generell verändert, durch den Rückgang beim Tonträger-Verkauf sind viel mehr internationale Bands auf Tour – was natürlich auch eine Konkurrenz für kleine Underground-Clubs ist, da sich ja nicht jeder täglich einen Konzertbesuch leisten kann. Die größeren Wiener Booker wie z.B. Ink, Arcadia oder Easy Listening haben ihre "Heimstätten". Die kommen mit ihren Bands (leider) nicht mehr ins Shelter.

Gibt es einen klassischen Shelter-Besucher?

Momentan wohl nicht. Da es ein sehr unterschiedliches Programm gibt, kommen auch sehr unterschiedliche Leute. Obwohl man bei einer Bravo-Hits-Party auch die unterschiedlichsten Menschen trifft – da sind dann oft alle Szenen vertreten, also Indie-Leute genauso wie Punks oder Metalheads, und natürlich auch ganz normale Studierende, die ins Shelter nie wegen eines Konzertes kommen würden, außer vielleicht, wenn der WG-Kollege auftritt.

Was muss ich tun, um bei euch nicht reinzukommen?

Den etwas versteckten Eingang am Wallensteinplatz nicht finden. Und wenn wer mal drinnen ist und glaubt, er muss – besoffen oder auch nicht – seine schlechteste Seite raushängen lassen, den schicken wir schnell wieder die Stufen zum Wallensteinplatz rauf.

Das Shelter feiert dieses Jahr 20 jähriges Jubiläum. Im April kann man sich unter Anderem auf Konzerte von Blacktrain, Jellybeat, Curbs und Data Hero freuen. Am 30.04. feiert das Shelter 15 Jahre New Noize Club mit Diedenbaum & Plastik und Nucleus Mind. Das komplette Programm findet man hier.

Mehr zur kleinen Clubkultur gibt es hier:

Das Bach: Der Punk geht den Bach runter

Polkadot: Jetzt bin ich der Chef

Café Carina: Rock’n Roll im Drogenmilieu

Local: Rock am Ende des Gürtels

B72: Indie Disco Inferno auf zwei Floors

Tüwi: Eine endlose Abrissparty

Kiez: Einmal ohne Bühne, bitte!

Café Prosa: Luft und Liebe

Avalon: Wirtshaus mit Kulturschock

Tonstube: Fusion-Clubbar mit Privatstrand

Zwe: Jazz ist anders

Loop: Nevermind the Cocktails

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