Zwischen Soundsystem und Songwriting, zwischen elektronischen Klängen und wortgewandter Zunge und zwischen Graz und London. Dort sind Klumzy Tung und Mr. Dero. The Gap hat sie zum Interview getroffen. Und das neue Video gibt’s oben drauf.
Mit ihrem Song “Headscrews” haben sie es sogar ins britische Fernsehen geschafft. Der Londoner Klumzy Tung und Mr.Dero aus Graz zaubern mit ihrem neuen Album “Happy Accidents” ein Lächeln ins Gesicht. Das alles mit einer eigenen Veröffentlichungsstrategie: seit Juni 2012 werden immer wieder einzelne Songs von ihrem Album veröffentlicht. 1230km entfernt voneinander aufgewachsen, haben sich die zwei gefunden. Die zwei, die Happy Accidents mögen. Die zwei, die uns noch mit tanzenden Giraffen überraschen werden und die zwei, die, hört hört, Bob Ross Fans sind. Aber das wichtigere: sie stehen auch noch dazu.
Kennt ihr diese happy accidents beim Musikmachen?
Mr.Dero: Ja, klar. Oft geht etwas in eine Richtung los, wie es so überhaupt nicht geplant war. Oder es passieren Fehler. Das ist menschlich. Und am Ende entsteht genau daraus etwas Grosses, Neues.
Klumzy Tung: Mir passieren beim Musikmachen ständig Happy Accidents. Dass ich angefangen hab Gitarre zu spielen, war ein Happy Accident. Dass ich MC wurde, war ein Happy Accident. Ich hab auch den Verdacht, dass ich ein Happy Accident war. Oder vielleicht auch nur ein Accident.
Schafft ihr auch eure eigene Welt, und in eurer Welt erschafft ihr dann was auch immer ihr euch vorstellt – weil ihr es machen könnt?
Klumzy Tung: Für mich geht’s vielmehr darum, das richtige Umfeld zu finden, in dem ich produktiv sein kann, als eine eigene Welt zu schaffen. Unsere Welt ist ja schon geschaffen worden, das verwende ich eher als meine Inspiration.
Wenn so ein Grazer aus dem kleinen Österreich im britischen Fernsehen bei „Skins“ gespielt wird. Ziemlich nice. Da fühlt man sich schon cool oder? Und haben sich daraus andere Sachen ergeben?
Mr.Dero: Ja das war schon sehr nett. Wir haben uns natürlich extrem gefreut, dass unser Track für die Serie ausgesucht wurde. Als wir die Folge dann gesehen haben, war´s lustig plötzlich den eigenen Song in diesem Kontext im Fernsehen zu hören. Allerdings ist´s ja mittlerweile nicht mehr so wichtig, ob du aus einer eher kleinen Stadt oder aus einer Metropole kommst. Die Qualität und der Content machen´s schliesslich aus.
Klumzy Tung: Es ist ziemlich surreal, wenn du im Wohnzimmer deiner Mutter sitzt, dir eine bekannte Serie anschaust und dann wird dein Song gespielt. Das waren auf jeden Fall aufregende 50 Sekunden!
Es gibt kein Licht ohne Dunkelheit, sagt Bob Ross schon. Kann man euer neues Video „Shoot You To The Ground“ so verstehen, mit dem Mann im Astronautenanzug, der dann erst ganz am Ende die Welt klarer wahrnimmt, als er den Helm abnimmt?
Klumzy Tung: Das Video zu ‚Shoot You To The Ground‘ ist eine Metapher für den Songtext. Es geht um die Entschlossenheit etwas zu erreichen, obwohl die Dinge um dich herum anders laufen als du dachtest. Es geht auch darum sich mit der Realität abzufinden und positiv nach vorne zu blicken.
Euer Stil hat sich in den letzten Jahren geändert. Mehr Melodie, statt Rap. Mehr Akustik, statt elektronisch produzierten Beats. Habt ihr langsam euer inneres Gleichgewicht gefunden?
Klumzy Tung: Unsere Live Show beinhaltet viel Rap, Turntablism und Freestyle mit ganz verschiedenen elektronischen Beats. Die Verlagerung zu akustischen Releases passierte, als ich im Badezimmer meiner Schwester in London einige Songs aufnahm, die ich auf Gitarre geschrieben hatte. Davor schrieb ich nur zu elektronisch produzierten Beats, aber als ich auf der Gitarre schrieb, hat mich das zu melodischeren Vocals inspiriert und es entstand ein natürlicher lyrischer Output. Mr. Dero hat einen super Job geleistet, als es darum ging, bei der Albumproduktion dem ursprünglichen Feeling der Demos treu zu bleiben. Der Unterschied bei der EP “The Little Things” aus dem Jahr 2007 ist, dass es damals mehr ein Experimentieren mit verschiedenen Styles war, ohne dabei viel zu erwarten. Du weißt erst, dass du deine innere Balance verloren hast, wenn du drüberstolperst.
Mr.Dero: Ich fand die Reise, wo dieses Album uns hingeführt hat, echt sehr geil und für mich als Produzenten sehr herausfordernd. Es war nicht nur musikalisch neues Terrain, das wir mit unseren bisherigen Stilen verbunden haben. Es war auch das erste Mal, dass ich eine ganze Band recordet habe, also Drums, Bläser, Gitarre, Keys und Bass, um dann dieses Material mit meiner Art des Beatbauens und meinem Style weiterzuverwursten. Aber ich glaube nicht, dass ich jetzt wo angekommen wäre. Es gibt immer wieder was Neues auszuprobieren. Ausserdem liebe ich das, wo ich ursprünglich herkomme viel zu sehr, um mich wo festzusetzen.
Ihr bastelt an einer Video-Serie für das neue Album. Auf was darf man sich da noch gefasst machen? Ein krachender Abschluß? DVD-Releases? Wie viele Leute waren da insgesamt eingebunden?
Klumzy Tung: Wir sind gerade bei Nummer acht von zehn, und haben schon unglaublich viel Zeit in die Videoaufnahmen gesteckt. Aber ein paar Überraschungen kommen noch. Ich kann noch nicht zu viel verraten, aber ihr könnt euch auf Explosionen, berühmte Nebenrollen, tanzenden Giraffen und komplette Nacktheit einstellen.
Ich hab übrigens grad versucht auszurechnen, wie viele Leute an der Produktion von “Happy Accidents” beteiligt waren und es waren Hunderte, was ziemlich verrückt ist, wenn ich drüber nachdenk. Das zeigt auch ein bisschen, welcher Herausforderung wir uns annahmen. Wir hätten es einfach nicht geschafft ohne die Hilfe von so vielen talentierten Menschen.
Mr.Dero: Genau, aber schwer zu sagen wieviele…zu viele, um ihnen hier allen für ihre tolle Arbeit und den Input zu danken. Nachdem wir wirklich lange und sehr intensiv am Album selber gearbeitet hatten, und dachten, jetzt wird endlich released, hatten wir beim Label die Idee mit den 10 Videos. Haha, das heisst, dann ging´s schnurstracks weiter mit der Arbeit. Und zwar jetzt über ein Jahr! Super produktiv und viel erlebt!
Die Grazer Musikszene? Fühlt man sich da wohl? Seid ihr lokal vernetzt, oder eher über das Internet?
Mr.Dero: In Graz existiert schon lange eine sehr vitale Musikszene. Auch im Hip Hop. Wir sind auch gut vernetzt, da wir mit unserem Label Tiefparterre schon seit über 12 Jahren Platten, Parties, Workshops und mehr machen und in der Zeit natürlich viel passiert ist. Aber klarerweise schauen wir schon lange auch über den Tellerrand hinaus, also über die Landesgrenzen.
Klumzy Tung: Ich denke im Internetzeitalter gibt’s keine Grenzen mehr, wie viele Leute du erreichen kannst. Deshalb geht’s auch nicht wirklich darum, sich auf eine Musikszene oder einen geographischen Ort zu beschränken.
Seid ihr aufrichtige Bob Ross Fans? Hilft Bob Ross euch mit seinen kleinen Lebensweisheiten dabei bessere Musiker zu sein?
Mr.Dero: Ich finde Bob Ross echt cool. Es gibt glaub ich niemanden, der etwas gegen ihn haben könnte, so ausgeglichen, entspannt und zuversichtlich, wie er in seinen Sendungen war, oder? Ausserdem muss man ja wirklich sagen – auch wenn der Style für viele nicht geht – war´s schon echt beeindruckend, wenn er plötzlich mit einem Pinselstrich einen verschneiten Baum aus dem Nichts hergezaubert hat. Und das mit seiner smoothen Art..
Klumzy Tung: Wir sind wirklich Bob Ross-Fans, wer ist das nicht? Die Bob Ross-Idee enstand durch die Technik die Songs in einem Take aufzunehmen. Die Herausforderung mit mehreren Takes den “perfekten Take” zu schaffen führte dazu, dass ich mich beschwerte den letzten Take versaut zu haben, worauf unser Gitarrist Andreas Fürstner sagte: “Bob Ross sagte immer – Wir machen keine Fehler, nur Happy Accidents” und daraus entstand das. Seine Lebensweisheiten halfen uns also in gewisser Weise, aber jetzt nicht unbedingt dabei bessere Musiker zu sein.