Ein Model mit Hijab hat in einem H&M-Spot für viel Aufregung gesorgt. Wir haben uns auf der Vienna Fashion Week umgehört, wie groß die Toleranz der dortigen Modeszene ist.
Theoretisch ist das Werbevideo von H&M ein klassischer Marketing-Move, wie wir ihn schon unzählige Male gesehen haben. In der Praxis spalten allerdings nur zwei Sekunden des Videos „Close the Loop“ die Meinungen. Der Schal eines Models bedeckt nahtlos ihren ganzen Kopf, dabei ist kein Haar zu sehen. Ihr Teint ist dunkel. Die Schönheit in dem Video ist eine Muslima und trägt ein traditionelles, muslimisches Kopftuch – eine Hijab. Der schwedische Textildiskonter setzt damit nicht nur auf kulturelle Vielfalt, sondern auch ein Zeichen. Doch wo stehen eigentlich Muslimas dieser Welt in der High End Fashionindustrie von Gucci, Prada und Co?
Mode ist nicht politisch
Die bulgarisch-österreichische Modedesignerin Anelia Peschev ist kein Fan von Politisierung, vor allem nicht wenn es um Kunst geht. Obwohl sie sich prinzipiell vorstellen kann, Kleidung für eine muslimische Zielgruppe zu entwerfen, hat der Diskurs für sie keinen Platz auf der diesjährigen Vienna Fashion Week. Warum Hijabs auf den Laufstegen europäischer Großstädte nicht schon längst zu sehen sind, kann sich keiner von den anwesenden Modeschwergewichten so recht erklären. Für viele Designer sind Muslime eine Kundengruppe, die eine interessante Herausforderung mit sich bringt.
AND_I, das sind Andreas Eberharter und Nora Rieser, sind dem gegenüber besonders aufgeschlossen. Das exzentrische Designer-Duo hatte seinen großen Auftritt am 5. Tag der Fashion Week. Neben schwarzen Armverlängerungen, Goldgeweihen und jeder Menge Kufen riss zum Schluss der Kollektion ein Bodybuilder mit rotem Gefiederkostüm das Publikum von den Sitzen. Für Designer Andreas Eberharter ist der facettenreiche Charakter von Hijabs besonders interessant. „Es ist eine Religion, in der man das Öffentliche stark vom Privaten trennen muss. Man designt quasi drunter und drüber komplett anders, aber trotzdem alles in einem “. Eine Dualität, die durchaus offenbar ihren Reiz hat.
Valentino made in Qatar
Man müsse nur zwischen den Zeilen der europäischen Modehäuser lesen, erklärt der österreichische Designer Claus Tyler. Für ihn braucht es ein geschultes Auge um zu erkennen, dass Mode für die arabische Welt schon längst in unseren Markt eingezogen ist. Das italienische Modehaus Valentino wurde 2012 von Qatar Holding aufgekauft und ist somit fest im Besitz der aktuellen Herrscherdynastie aus Katar. Neben den üblich kurzen und knappen, westlichen Kleidungsstücken finden sich im Herzen jeder Valentino Kollektion auch langärmelige und verhüllende Gewänder aus den edelsten Stoffen. Dieser dezente Versuch, Kultur und Mode zu mischen, fällt dem Laien kaum auf, ist aber für den Profi klar ersichtlich. Der nicht-modeversierte Otto-Normalverbraucher tut sich bei aller Dezenz sicher schwerer, hinter die Fashion-Fassade zu blicken.
Accessoire: Hijab
Nicht nur die Designer, sondern auch die Models der diesjährigen Fashion Week haben ihre Meinung zu Muslimas auf europäischen Catwalks. Kristina ist 22 und schon seit sechs Jahren im Business. Ihre Karriere hat sie bereits rund um den Globus fliegen lassen. Auch für einen türkischen Modedesigner hat sie bereits Hijabs in Fashionshows präsentiert – und würde es wieder tun. Sie spricht das an, was man bei aller Offenheit trotzdem nicht direkt thematisieren will. Sie sieht die Zaghaftigkeit der österreichischen Designer bezüglich muslimischer Mode darin, dass die Religion für ein extrem konservatives Frauenbild steht – eine Ideologie, die mit der Idee von westlicher, liberalisierender Kleidung stark im Kontrast steht.
Auch Johanna, 19, aus Norddeutschland, sieht das ähnlich. Sie modelt zwar erst seit einem Jahr, ist aber von der Idee der Hijab auf dem Laufsteg begeistert. Weg vom Tuch der Unterdrückung, hin zum hippen Accessoire. „Sie sieht ja auch wirklich gut aus“, merkt sie zu dem H&M Werbeausschnitt an. Auch Johanna hätte kein Problem mit einer Hijab über den Laufsteg zu stöckeln, ganz im Gegenteil. „Wenn es so gut wie in dem Video aussieht, dann ist das sogar extrem cool“.
Die Ausdruckskraft von Mode ist stets eine feine Gradwanderung. Wer seine Fantasie etwas schweifen lässt wird erkennen, dass auf so manchem eleganten Designerstück der diesjährigen Vienna Fashion Walk auch eine Hijab gut gepasst hätte. Schlussendlich obliegt es den begabten Händen des einen oder anderen Modeschöpfers das Kopftuch auf dem Laufsteg in Szene zu setzen. Das Interesse und die Toleranz scheinen jedenfalls auf den ersten Blick gegeben und zeigen, dass trotz aller politischen und religiösen Stigmas, Kunst immer noch seinen eigenen Regeln unterliegt.
Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Praxis-Seminars am i>Institut für Journalismus & Medienmanagement der FHWien der WKW entstanden.
Die Vienna Fashion Week fand dieses Jahr vom 7.9.-13.9 im Museumsquartier statt. Designer wie Marina Hoermanseder, Juan Carlos Gordillo, Prototype. Schumacher und viele mehr gaben sich ein Stelldichein.