Das Leben und Leiden des heimischen Comics

Die Comic Con zieht ins Land und trotz überschwänglicher Popkultur in Form von Game of Thrones und Cosplay gibt sich die österreichische Comic Szene ein kleines aber feines Stelldichein. Der wohl erfolgreichste heimische Autor unter ihnen erzählt was es bedeutet, Comic zum Leben zu machen.

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„Das ist schon ein Metier für Wahnsinnige“

Das sagt Nicolas Mahler, der seit seinem 18. Lebensjahr von seinen „Manderln“ lebt – und das überrascht selbst ihn. Heute ist er 45 und blickt auf viele Publikationen nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland, Frankreich, Schweiz und den USA zurück. Dieses Jahr hat er den Preis der Literaturhäuser verliehen bekommen und fühlt sich immer noch kein bisschen wie ein Star, ganz im Gegenteil. Vor Kameras läuft er davon und ob er in fünf Jahren noch Comics zeichnen wird, kann er nicht vorhersagen.

Dabei hatte der gebürtige Wiener nach seiner Gymnasiumszeit eigentlich einen ganz anderen Plan. Als Student wollte er lange ausschlafen und das Leben ein bisschen gemütlicher angehen. Doch mit einem Freund gemeinsam startet er nach der Matura eine Comicserie, bei der Mahler zeichnete und sein Kumpel die Texte schrieb. Blauäugig schickten sie ihren Strip an unzählige österreichische Zeitungen aus, bis sich zu ihrer Überraschung tatsächlich eine meldete. Die damalige sozialdemokratische Arbeiterzeitung brachte den Comicstrip sechs Tage die Woche, mit 300 Schilling pro Strip. „Das scheint zwar wenig, aber nachdem der Strip sechs Tage die Woche gebracht wurde, war das mehr als gutes Taschengeld für uns damals“, freut sich Mahler rückblickend.

„Die Zeit für Comics ist heute gut, verglichen zu damals“

Auf den zweiten Blick hätte er seinen Start in den 90ern allerdings etwas besser erwischen können. Die Arbeiterzeitung wurde im Jahre 1991 eingestellt und der österreichische Comic befand sich in einer Talsohle. „In den 80iger Jahren war der erste Boom. Da wurden Comics zum ersten Mal ernsthaft und hochwertig produziert, auch in Form von Alben. In den 90er Jahren hat das dann stark nachgelassen und es gab eine lange Durststrecke. Da habe ich angefangen.“ Nach seinem ersten Auftrag schlug sich Mahler alleine und bewaffnet mit einer Skizzenmappe in Wien von Redaktion zu Redaktion durch. Sein Stil ist bis heute sehr markant und basiert auf präzisem Minimalismus. Komisch, lustiger Humor ist dabei der rote Faden, der sich durch all seine Zeichnungen zieht.

Mahler wusste, dass seine Art des Comics in heimischen Zeitungen schwierig funktionieren wird. Die 90er zwangen ihn daher nebenher in einer Videothek zu arbeiten und vermehrt auf Illustrationen in Wirtschaftsmagazinen, Kinder- und Schulbüchern umzusatteln. Rückblickend war die Arbeit in der Videothek für Mahler eine angenehme Zeit. Nachdem relativ wenige Kunden ins Geschäft kamen, konnte er hinter der Kassa ganz ungeniert weiter zeichnen und wurde dafür auch noch bezahlt.

„Ich hab festgestellt, in Österreich macht Comic wenig Sinn“

Obwohl Mahler bereits unzählige Buchpublikationen wie die Thomas Bernhard Adaption des Klassikers der "Alte Meister", "Alice in Sussex" (basierend auf Alice im Wunderland) oder das Philosophiehandbuch "Partyspaß mit Kant" auf den Markt gebracht hat, wird Comic hierzulande noch immer nicht als vollwertig angesehen. Seine Bücher findet er prinzipiell ganz hinten in den Buchhandlungen, weit weg von der vermeintlich hochwertigen Literatur. „Mir wurden in Österreich meine Bücher oft um die Ohren gehaut, so quasi, was ist das für ein wertloser Dreck. Irgendwann bin ich dann drauf gekommen, dass dieser wertlose Dreck im Ausland wirklich geschätzt wird. Nach vielen Jahren hab ich dann das Fazit gezogen, dass ich einfach am falschen Ort sitze und aus meinem Kammerl in Wien raus muss.“ Der deutsche Verlag Suhrkamp und der französische Verlag L’Association, aber auch Zeitungen wie Die Zeit, NZZ oder FAZ arbeiten gerne und oft mit Mahler zusammen. Auf internationalen Festivals kennt man ihn gut und er sieht, dass Comics in anderen Ländern durchaus funktionieren.

„Im Ausland traut man sich einfach mehr, da ist die Angst zu Versagen nicht ganz so groß. In Österreich musst du in eine klar definierte Schublade passen, sonst hast du kaum eine Chance.“ Für Mahler ist diese Einstellung nur hinderlich für die Kunst. Jahrelang hat er versucht ein Stipendium zu erhalten, doch funktioniert hat es nie. Als er in jungen Jahren auf der Kunsthochschule studieren wollte, hat man ihn samt seiner Mappe voller Zeichnungen abgelehnt. Urteil der Fakultät: Die Zeichnungen wären zwar irgendwie interessant, aber keine hohe Kunst. Hier unterrichte man hohe Kunst. Seine Comic Kollegen im Ausland haben bereits Professuren an Universitäten erhalten und reichen ihr Können an die nächste Generation weiter. Undenkbar in Österreich. „Hier wurschtelt sich eben jeder auf seine Art und Weise durch, sehr eigenbrödlerisch. Das hat aber auch seine Vorteile, weil der Stil jedes Künstlers einzigartig bleibt.“ Wo es nun tatsächlich besser ist, sieht Mahler gespalten. „Wir jammern alle.“ Comic ist und bleibt ein Nischenprodukt, dass aber durchaus auf treue Fans zurückgreifen kann.

„Du kannst nicht zu Hause sitzen und warten bis etwas passiert“

Die Zeiten um Comics zu publizieren sind laut Mahler momentan sehr gut. Durch das Internet ist man besser vernetzt und Verlage sind wesentlich offener als vor 10 Jahren. Trotzdem muss man am Boden der Realität bleiben. „In Österreich startest du nicht einfach so durch. Das geht Schritt für Schritt. Wichtig ist zu überlegen, was passt wo hin und nicht blind Comics ausschicken.“, lautet der Appell Mahlers an junge Comic Künstler. Zusätzlich darf einen der Mikrokosmos Österreich nicht entmutigen und ein gewisser Blick über den Tellerrand, kombiniert mit einer gehörigen Portion Eigenititaive, ist immer von Vorteil.

Die Comic Con ist selbst für ihn ein kleines Überraschungsei, denn als Underdog zum Mainstream Popspektakel weiß er nicht, wie viele Bücher er im Endeffekt signieren wird. Nichtsdestotrotz freut er sich auf den neuen Wind, den die Comic Con mit sich bringt und darauf, ein paar neue sowie alte Gesichter wieder zu sehen.

Seit cirka 20 Jahren gibt es im Rüdigerhof auf Tisch 14 einen Stammtisch für heimische Comic Künstler und aktuell wird dort auch an einem gemeinsamen Magazin gebastelt. Comic Interessierte sind jederzeit willkommen.

Die erste Wiener Comic Con findet von 21. bis 22. November im Wiener Messegelände statt. Zwischen 14uhr und 16uhr wird Nicolas Mahler vor Ort sein.

Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Praxis-Seminars am Institut für Journalismus & Medienmanagement der FHWien der WKW entstanden.

Bild(er) © Nicolas Mahler
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