Hinterfragung geschafft

Etwas Frisches erleben, etwas Neues erfahren, etwas Fernes lieben. Die feingewobene Welt der Laokoon Gruppe zieht hinab in einen Sog von Gegensätzlichkeiten und schwimmt damit ganz oben vorne mit. Live im RadioKulturhaus am 13. Februar und für immer im Herzen.

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Die Lakoon Gruppe basiert auf einem suggerierten Schwindel. Es handelt sich um Karl Schwamberger mit Karl Schwamberger und nur mit Karl Schwamberger. Der gebürtige Oberösterreicher hat seine eigene Sprache gefunden und verwirklicht sie im Alleingang. Der Erstling „Walzerkönig“ – Jahre tief unten in der Seele gereift – hat trotz sperriger Variationen verschiedenster Stile in verquerer Ausarbeitung als liebenswerte Kollage einen schleichenden Erfolg verbuchen können. Es ist der charmante Gegensatz, der die Seelen vereint. Es kracht, stampft und fiepst mächtig im rhythmischen Gebälk, wenn sich so ein Sound-Ungetüm erhebt. Dem stellt sich eine weltumarmende Melancholie in deutschem Gesang und harmonischen Melodien, entgegen. Umgarnt und gefangen zwischen den Fronten findet sich der Hörer in den Turbulenzen wieder und amüsiert sich zugleich über die textlichen Zärtlichkeiten als Hommage an die Heimat. Bis mitten in der Unsicherheit klar wird, dass es sich äußerst komfortabel zwischen den Stühlen anfühlt. Der Punkt, wo man den / die Lakoon Gruppe zu schätzen lernt. Man nach mehr wohliger Verwirrnis trachtet. Ob nun Klassik, Volksmusik, derbe Elektronik, einfach einlullende Tonfolgen oder Techno mit Jazz mal kurz zum Fenster der weiten Welt reinschauen, die weit verbreiteten Scheuklappen sind abgelegt. Die skurrile Sammlung an Zitaten voller Tradition mit gewagten Stilbrüchen hat sich zu etwas Neuem verschmolzen. Nicht glatt, konform und griffig, dafür eigenständig und wohltuend verkehrt richtig.

Schwamberger hat dafür einiges an Risiko genommen. Sich von seinem Brotberuf Lehrer für ein Jahr karenzieren lassen und den lange gehegten Wunsch real werden lassen. Es ist schon viel aufgegangen, aber ob es für eine längerfristige Existenz als Musiker reichen wird, steht noch nicht klar ausnotiert in der Partitur. Desto mehr ist es ein Hier und Jetzt. Sowohl für den Künstler – das Wort darf man hier ruhig verwenden – und die geneigten Hörer. Live in verschiedensten Versionen ein erstaunliches Erlebnis. Ob als Alleinunterhalter oder in verschieden Formationen mit Freunden. Das Ding lebt und verhält sich beständig offen gegenüber dem Moment. Das Vatikanische Museum darf seine statische Kunst zweifelsohne behalten.

Besonders opulent zu genießen am 13. Februar im RadioKulturhaus zu Wien in offenem Diskurs mit „Das Trojanische Pferd“, „Kilo“ und VJ bljak.

Wo liegt der Mut und Ansatz, den klassischen Arbeitsalltag pausieren zu lassen und sich voll auf die eigene Musik zu konzentrieren?

Unter welchen Umständen es sich ausgehen würde. Ich habe mich für ein Jahr karenzieren lassen. Das geht sich gerade mal aus. Es müsste sich für eine Verlängerung etwas Größeres ergeben, sonst war es das dann. Ein Tag nach dem anderen und mal abwarten. Sehen, wie die Resonanz ist.

Die war ja in der Presse weitverbreitet und wohlwollend.

Für das, was ich mir erwartet hatte, nicht nur wohlwollend sondern sogar mitunter hymnisch. Man merkt einen langsamen Schneeball-Effekt, alles in kleinen Dosen. Österreich bis Bayern ist mal der übersehbare Rahmen.

Du vereinst in deinen Songs eine kontroversielle Mischung aus der großen Sehnsucht, Romantik, viel Harmonien in Stimme und Bläsern, die unerwartet spröde an Beats und Sounds gebrochen werden. Trotzdem ein Guss am Ende, ein Ganzes.

Es ist der klassische Ansatz aus der deutschen Romantik. Im Sinne von Literatur oder Philosophie. Was man produziert, hinterfragt man sofort als Schaffen – auch mit ironischen Mitteln – und lässt das Ergebnis ebenso wieder in das Werk einfließen. Die Idylle des Heine, die auf der anderen Seite gebrochen wird. Ganz nach Schlegel. Mein Ansatz ist nicht prinzipiell intellektuell, aber es lässt sich vielleicht so leichter erklären. Das Pathos-Gesättigte, Gefühls-Getränkte, da versuche ich den Finger drauf zu legen. Damit es gemacht ist mit Reflexion. Ich bin ja kein Veräußerungskünstler, sondern Musiker. Musikant sogar eher.

Mit was arbeitest du beim Ideen Sammeln und Produzieren?

Prinzipiell mal mit dem Klavier, um dem Song eine prinzipielle kleine Idee abzugewinnen. Und dann hauptsächlich mit meinen diversen Instrumenten, die zu Hause herumkugeln und Ableton. Ganz normales Setup, um die losen Teile zusammenzustückeln. Ein bisschen Collage-artig wie Bilder zusammenkleben. Das kann alles was ich brauche, mir vorstelle und ist intuitiv wie zu hören auf „Walzerkönig“ (der ersten Platte). Ich bin nicht so Technologie-orientiert, dass ich alles ausprobieren muss. Handbücher lesen… ich bin nicht so ein großer Computer-Freak. Ich versuche mit den Ressourcen, die ich habe, mein Zeug zu machen. Das geht. Das erspart mir auch darüber nachzudenken, was es noch an Technologie gäbe und was man wie wo einspannen könnte. Der Negativansatz ist es. Aus dem Wenigen, was ich kann, viel rausholen. Das ergibt einen eigenen Stil.

Bist du mehr der Arbeiter nach Kartei oder wird viel weggeschmissen?

Ich hebe schon alles auf. Weggeschmissen wird prinzipiell nichts. Fertige Nummern sind dann oft so etwas wie der zweite Remix von einer Arbeit. Eine digitale Wühlkiste. Passt es dazu oder kann ich es so bearbeiten, dass es dann trotzdem passt? Es soll trotzdem organisch wirken.

Was macht ein Lied fertig?

Wenn es mir gefällt. Es gibt Nummern, die sind in einem Tag fertig. Andere trage ich Monate mit mir herum. Ich arbeite alleine, das macht vieles einfacher. Andererseits kommt keine Reflexion von außen. Aber ich könnte kein wirkliches Muster ergeben. Ende Februar kommt eine EP als Kollaboration mit Kilo (Laokoongruppe x Kilo: „Menschen Tiere Tanzmusik“). Da habe ich mich auf die Texte und das Musik Machen zurückgezogen. Und die Beiden haben die Produktion übernommen und gesagt, wann es fertig ist.

Kann man in weiterer Folge Remixes erwarten?

Die Remixes bekommt man vielleicht noch um Liebe von gewissen Leuten. Aber die Platte müsste trotzdem jemand pressen und auflegen. Und da ist es die Frage, wo man das Geld, das man nicht hat, investiert. Es müssten sie Zusammenhänge passen. Console in seiner Existenz als Acid-Pauli könnte ich mir sehr gut vorstellen. T Raumschmiere ebenso. Die Liga ist wahrscheinlich nicht greifbar. Deutsche Minimal-Elektroniker mag ich, alles was in den rockig knarzenden Techno geht. Das würde wohl auch Sinn machen.

Wie hat sich die Umsetzung für die Bühne entwickelt?

Das hat für mich besser funktioniert, als ich es anfangs erwartet habe. Ich hatte die Songs zuhause alleine – Spur für Spur – aufgenommen. Homerecording und kein Gedanken an die Bühne. Dann meinten Naked Lunch, dass sie mich als Support für ihre Tour wollten und ich begann zu überlegen und experimentieren. Samt Probekonzerten, zuerst mal ganz simpel mit CD-Playbacks. Ich mit einem Laptop, Blasmusik-Trommel, Snare-Drum, Saxofon und eine Keyboard. Später hab ich dann noch mehr mit Ableton vom Laptop weg gespielt. Das führt dazu, dass einer alleine auf der Bühne versucht eine Gruppe, eine Band zu sein. Also ständig zwischen den Instrumenten unterwegs. Das ergibt eigentlich eine ganz nette Dynamik auf der Bühne und funktioniert erstaunlicherweise.

Mittlerweile hat es sich ergeben, dass ich meistens nicht mehr alleine auf die Bühne gehe. Meistens ist nun Adnan Popovic alias VJ bljak dabei, der auch meine Videos macht und sich eben um die genau abgestimmten Visuals kümmert. Auch mit den Kilo dazu gab es schon einige Gigs in verschiedener Besetzung und allen Kombinationen. Es geht auch mit einer Gitarre, Chello und Bass-Drum. Für das kommende Konzert im Radiokulturhaus gibt es sozusagen das maximale Setup zusammen mit dem Trojanischen Pferd. Wir wollen Streicher und Bläser mitnehmen, uns diese teilen und gegenseitig in den Sets des jeweils Anderen mitspielen. Alles was geht eben, sehr spannend.

Das ist doch deutlich organischer als es auf Platte klingt. Erstaunlich, dass du nicht mehr elektronische Möglichkeiten nutzt. Wie sind die Reaktionen der Leute aufgrund der Erwartungshaltung?

Also ein reines Akustik-Setup ist natürlich weit davon entfernt. Die Elektronik subtrahiert das Straßenmusik-Flair. Mein Live-Setup ist hauptsächlich eines, wo ich Singen muss, Saxofon spiele, Trommeln bediene oder Drei-Finger-Keyboard spiele. Ich mag mich gar nicht noch mehr mit Maschinen oder Live-Elektronik auseinandersetzen. Das sehe ich gar nicht so bei Laokoon-Liedern, die leben eigentlich von ziemlich viel Songwriting. So fühle ich mich wohl dabei. Und wenn die Gustav jodeln soll bei einem Konzert, dann jodelt sie per Sampler-Knopf. Ich spiele ja andauernd mit dem Echt und Falsch, singe mit mir selbst auf zweiter Stimme, drüber ein Blasinstrument. Drehe das gerne um, möchte ein adäquates Live-Set haben. Laokoon definiert sich für mich durch ein paar Eckpunkte wie deutsche Texte, Solo-Performance und ein paar stilistische Mittel wie Klassik oder Jazz. Der Rest ist offen.

Die Leute nehmen das sehr gut auf. Das funktioniert immer besser. Macht natürlich sehr viel Freude.

Du spielst Saxofon, solierst aber kaum in diesem Sinne.

Da gab es den Streitpunkt „Bist du Punker oder Jazzer.“ Von der Zeit her hätte der Punk gepasst, ist aber an mir vorbeigegangen. Aber ich war intensiv im Jazz und stolz, ganz passabel Saxofon spielen zu können. Punk kam eben erst später. Es gibt aber nichts Schlimmeres als das Solo-Saxofon in der Popmusik, das vermeide ich wie die Hölle. Bei mir kommt das entweder in einem Bläsersatz, in Zusammenhang mit Blasmusik oder mit Jazz-Floskeln per Samples mit Rhythmik. Dieses schlecht improvisierte Rock-Saxofon-Solo ist wirklich was vom Fürchterlichsten. Ich habe jahrelang nicht gespielt, weil kein Jazzmusiker aus mir geworden ist. Jetzt hab ich im Zuge von Laokoon das Alt-Saxofon wieder ausgegraben und bin glücklich damit. Wenn ich Zeit und Geld hätte, würde ich eine ordentlichen Instrumentenpark zu Hause haben und wohl noch Trompete lernen. Was mich nicht interessiert ist, so zu spielen oder das zu können wie jemand anderer. Arbeiten mit dem, was ich bringen kann reicht.

Ist dein heutiger Sound noch verbunden mit deiner musikalischen Heimat? Halten die Einflüsse und haben sie Bestand?

Ich bin am katholischen Land in Oberösterreich aufgewachsen. Wahrscheinlich hat alles was ich mache meine musikalische DNA. Das Allerfrüheste war wohl Kirchenmusik, ich war ein begeisterter Ministrant und Marienlied-Sänger. Von der musikalischen Qualität denk ich mir schon, dass das besteht und mir gefällt. Ist ja klassische Musik im weitesten Sinn. Dann war da noch die Blasmusik als zweiter Faktor. Den Sound find ich noch immer cool, die musikalischen Inhalte interessieren mich nicht mehr wirklich. Dylan und Beatles hörte ich durch meinen Bruder. Dann kam Jazz vom Dixieland bis Bebop und Klassik als Teenager. Sounds und Arrangements halten da von vielen Komponisten noch immer. Erst als ich nach Wien gekommen bin, infiltrierte mich der amerikanische Punk wie Hüsker Dü oder Fugazi. Da kann ich mich immer noch sehr begeistern dafür. Der Rückgriff auf die neue oder alternative Volksmusik kam dann noch über Bluegrass und Country. Und nach dem allen kam dann Techno und Elektronik – mit Attitude. Großartig, das hat kein Verfallsdatum.

Die Lakoon Gruppe arbeitet derzeit an seinem zweiten Album. Der Arbeitstitel lautet derzeit "Staatsoper". The Gap hofft es bleibt dabei.

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