Hyperreality zwischen Club und Clubkultur
Seit letztem Jahr hat Wien ein eigenes Festival für Clubkultur und damit nicht nur drei Konzert- und Clubabende, die unterschiedlichste Strömungen experimenteller elektronischer Musik abdecken, sondern vor allem auch einen Raum für Entdeckungen und Diskurs, der dringend nötig ist.
von Yasmin VihausHyper.anpassungsfähig
Aber wie sieht dieser Club, als Raum, als Setting aus, der experimentelle Musik fördert und als verbindendes Element zwischen den Genres wirkt? Während verschiedene Subkulturen traditionellerweise in unterschiedlichen Umfeldern gefeiert haben, die man – wenn man an House und Warehouses in Chicago, Disco und Diskothek oder die Ballroom Community denkt – zum Teil sogar am Genre erraten konnte, stellt sich diese Frage bei der Vermischung derselben erneut. Eine klare einfache Antwort gibt es nicht, nicht zuletzt, weil Musik schneller abgewandelt und an das Setting angepasst werden kann und auch vermehrt die Bereitschaft der MusikerInnen dafür besteht, Musik als Gesamterlebnis immer wieder neu zu konzipieren. Jüngstes Beispiel dafür ist etwa das neue Album von Electric Indigo, das in Kombination mit der dazugehörigen visuellen Show fast atmosphärischen Kunstcharakter hat, in einer überarbeiteten Fassung aber auch auf eine Compilation des Techno-Labels Ostgut Ton passt. Ähnliches soll auch bei den Auftragsarbeiten vom Hyperreality möglich werden. So präsentiert Fauna ihr neues Album »Inferno« auf der Bühne mit einem Orchester, Stefan Juster verwandelt das Album seines Soloprojekts Jung an Tagen zu einer audiovisuellen Liveshow. Ob seine Musik nun eher in den Club oder eher in einen künstlerischen Hochkulturrahmen passt, will er nicht beantworten – letztendlich aber auch deshalb, weil sie eben je nach Raum adaptierbar ist, wie er erklärt: »Die Grenze ist die Kickdrum. Ich kann polyrhythmische Strukturen oder elektroakustische Texturen komponieren und in Konzerthäuser spielen, wenn ich dann eine Kickdrum hinzufüge, kann ich mit dem gleichen Material in einem Club auftreten.«
Hyper.Club
So wandelbar experimentelle elektronische Musik auch sein mag und so unabhängig sie vom klassischen Clubkonzept scheint, letztendlich braucht sie dennoch einen Raum, um zu wirken. Sucht man nach diesen Räumen in Wien, wird man nur schwer fündig, wie auch Juster erkennt: »Ich gehe nicht oft aus und spiele auch selten in Wien. Was man aber schon merkt, ist, dass es seit einiger Zeit keine kohärente Subkultur mehr gibt. Das hat Vor- und Nachteile. Jedenfalls hat es meine Generation bis jetzt leider verabsäumt ihren eigenen Club aufzusperren.« Betrachtet man die Szene in Wien, findet man zwar etwa mit Ashida Park, Bliss, Common Contact, Utopia 3000 oder Struma & Idione zwar Labels, Veranstaltungskollektive und KünstlerInnen, die in genau diese experimentellere Kerbe schlagen, eine fixe Location haben sie dabei aber nicht. Die Gründe dafür könnten einerseits in einer viel diverseren Community, andererseits aber auch an den verfügbaren Locations liegen. »Wirkliche Freiräume, Orte an denen kaum Paradigmen vorherrschen, zu finden, ist schwer. Viele Clubs folgen in der Art, wie sie operieren und gebaut wurden, gewissen Merkmalen, die sich eher aus der kapitalistischen Vereinnahmung von Clubkultur ergeben haben«, so Marlene Engel, die für das Hyperreality mit dem Schloss Neugebäude im letzten Jahr und dem F23 in diesem Jahr ebenfalls Orte gewählt hat, die per se nicht im Clubkontext bekannt sind. Als generelles Konzept funktioniert das aber auch nur bedingt, denn gerade bei Off-Locations ist der logistische und finanzielle Aufwand, der betrieben werden muss, um behördlichen Auflagen zu entsprechen, nicht selten größer, als wenn man auf kleine Clubs ausweicht, die soundtechnisch aber wiederum oft selbst zu kämpfen haben. Beim Hyperreality-Festival befindet man sich gewissermaßen in einer privilegierten Situation, wie Marlene Engel zugibt: »Im Rahmen der Festwochen arbeiten wir mit Soundsystemen, die extrem hochwertig sind und auch unter gewissen Auflagen sehr gut klingen. Viele Clubs, die auch eine gute Programmierung hätten, können sich das nicht leisten und müssen Bassmusik unter Umständen präsentieren, die der Musik ihr Herzstück nimmt.« Letztendlich bietet das Festival aber vielleicht auch eine Grundlage für Diskurse rund um fehlende Räume und neue Raumansprüche, um hyperreal in real zu verwandeln.
Das Hyperreality Festival for Club Culture by Wiener Festwochen findet von 24. Mai bis 26. Mai im F23 am Gelände der ehemaligen Sargerzeugung Atzgersdorf statt. Highlights sind neben den genannten Artists etwa die Konzerte von Arca und Kelela am Donnerstag und Freitag, sowie das Qweenbeat-Showcase am Samstag, mit dem wir uns in einem morgen folgenden Artikel noch genauer auseinandersetzen. Karten und das gesamte Programm gibt’s hier.