„Ich bin total überbewertet“

Mit Blur und den Gorillaz spielte sich Damon Albarn an die Spitze der Charts, mit Weltmusik und Opern überzeugte er auch die skeptischsten Kritiker. Nun veröffentlicht der 46-Jährige „Everyday Robots“, sein erstes Soloalbum. Ein Gespräch über die Orte seiner Kindheit, Liebeslieder und bohrenden Ehrgeiz.

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Bei einem Besuch in Damon Albarns West-Londoner Studio erkennt man schon am Interieur, dass hier ein umtriebiger Künstler haust: An der Wand hängt die Landkarte von Mali, im Regal liegt ein Saiteninstrument, das aus einem Ölkanister gebaut worden ist, und der Couchtisch zeigt einen Ausschnitt des Streckennetzes der Londoner U-Bahn.

Damon, passiert in diesen Räumlichkeiten die Magie?

Manchmal. An einem guten Tag.

Unten am Eingang steht ein Bücherregal. Hast du die drei Bücher über okkulte Philosophien wirklich gelesen?

Das habe ich, ja. Als ich vor zwei Jahren meine Oper „Dr Dee“ gemacht habe, musste ich das sogar. Sonst hätte ich nicht gewusst, wovon der Protagonist spricht. John Dee war der medizinische und wissenschaftliche Berater von Elisabeth I. Er war sehr dem Okkultismus zugetan. Aber ich lese generell viel über Okkultismus, weil mich das schon immer interessiert hat.

Was daran genau?

Ich habe ja immer gespürt, dass ich spirituell eher dem Heidentum und der nordischen Mythologie zugetan bin. Aber wenn man wie ich oft nach Afrika reist, kann man eigentlich nichts anderes tun, als die Spiritualität in sich aufzunehmen. Sie ist dort in der DNA der Musik, zeigt sich in Traditionen und Ritualen. Dort gibt es Musik für das Leben, Musik für die Liebe, Musik für die Schwermut, Musik zum Feiern, Musik für den Tod. Das gefällt mir. Ich bin jedoch kein Satanist! (lacht) Aber ich habe auch kein Problem mit der Idee eines Satans. Die dunkle Seite gehört dazu.

Fühlst du dich von der dunklen Seite angezogen?

Nein, ich bin ja kein Goth. (lacht) Mehr als alles andere bin ich ein Wikinger.

Wie drückt sich das aus?

Wenn ich in meinen Songs den Blick auf die modernen Zeiten werfe, kommt bei mir auch immer eine gewisse Melancholie hinsichtlich uralter historischer Ideen durch. Das können Religionen sein, Glaube oder Rituale. In der ersten Zeile des Eröffnungssongs „Everyday Robots“ heißt es: „We are everyday robots on our phones / In the process of getting home / Looking like standing stones / Out there on our own.“ Ich denke, das ist ein gutes Beispiel für die Art, wie ich das Alte und das Neue verbinde.

Magst du den Song „Wir sind die Roboter“ von Kraftwerk?

Schon. Aber meine Roboter sind anders als ihre. Es sind keine elektronischen Droiden, sie sind organischer, menschlicher. Mit „Everyday Robots“ meine ich eigentlich uns selbst, so wie wir heute leben. Wir sind doch längst fremdgesteuert. Es ist verrückt, wie Smartphones innerhalb relativ kurzer Zeit unsere Leben übernommen haben.

Die ersten drei Songs des Albums scheinen ein Kommentar dazu zu sein, wie in unserer Gesellschaft miteinander kommuniziert wird.

Stimmt, „Hostiles“ ist in dieser Hinsicht ein interessanter Song, denn ich bediene mich dafür der Charaktere gewalttätiger Computerspiele. Es ist doch verrückt, dass Menschen viele Stunden damit verbringen, um einfach nur zu töten … Solche Spiele berühren einen sehr dunklen Teil der menschlichen Psyche und ursprünglichen Instinkte.

Bild(er) © Warner Music
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