Der Techno- und House-Produzent Michael Siegle aka Drei Farben House hat kürzlich ein Vinyl-Label namens Tenderpark aus dem Boden gestampft. Tenderpark-Platten finden sich seither in unzähligen DJ-Charts wieder und werden von der Musikpresse mit mehr als lobenden Worten bedacht. Anlässlich seines bevorstehenden Wien-Gastspiels hat The Gap ihn zu Labelarbeit, Labelheimat und Labelzukunft befragt.
Nach Jahren als Musiker hast du Ende letzten Jahres ein Vinyl-Only-Label namens Tenderpark gegründet – entstand die Idee spontan oder war das immer schon angedacht?
Die Idee, ein eigenes Label zu gründen, spukte schon lange in meinem Kopf herum. Nachdem ich in den letzten Jahren immer wieder mit anderen Labels zusammengearbeitet hatte, merkte ich mehr und mehr, dass diese mir den Wunsch nach einer musikalischen Heimat nicht in dem Maße erfüllen können, wie ich mir das vorstelle. Also habe ich mir schließlich meine eigene musikalische Heimat geschaffen.
In Zeiten in denen sich mit Musik immer weniger Geld verdienen lässt – ist ein Vinyl-Only-Label nicht etwas anachronistisch und lässt sich ein Label wie Tenderpark ausschließlich über die Verkäufe finanzieren? Wie läuft das bei dir?
Nein, natürlich lässt sich so ein Label nicht ausschließlich über Verkäufe finanzieren. Ich schieße noch was zu durch meine DJ-Einnahmen und meine Text- und Journalismus-Jobs, die ich zusätzlich mache. Ich wechsle aber mit Tenderpark gerade zu einem größeren Vertrieb, und der hat mir auch die „Vinyl-only“-Idee gerade ausgeredet (lacht). Es wird in Zukunft also auch Tenderpark-MP3s geben. Aber anachronistisch finde ich die Vinyl-Idee auf keinen Fall. Vinyl ist ein großartiges Format, das noch lange Bestand haben wird. Es ist ein wunderbares Kulturprodukt mit viel Charme, einer tollen ästhetischen Ausstrahlung und mit einem ideellen Wert, den MP3s niemals bieten können.
Nützt du dein Label hauptsächlich um Musik von Freunden und die eigene zu veröffentlichen oder ist das Label nicht nur Selbstzweck? Gibt es so was wie einen 5-Jahres-Plan?
Nein, so einen langfristigen Plan gibt es natürlich nicht. Ich plane immer die nächsten drei Releases im Voraus. Abgesehen davon will ich meine eigene Musik veröffentlichen und die Musik anderer, die mir gefällt. Das können Freunde sein oder Fremde, das spielt keine Rolle.
Bist du hauptberuflich Labelmacher, Musiker und DJ oder schätzt du die Freiheit eben nicht davon abhängig zu sein und so auch keine Kompromisse eingehen zu müssen?
Ja genau, da ich ja nebenher noch andere Jobs mache, gibt mir das eine gewisse Unabhängigkeit, einfach Musik veröffentlichen zu können, die ich mag, und mich nicht irgendwelchen Marktzwängen des Techno-Business unterwerfen zu müssen. Das würde ich schrecklich finden.
Du bist Wahl-Berliner, wie lebt es sich in einer mittlerweile von elektronischen Musiker überschwemmten Stadt – gibt es Konkurrenz-Kämpfe oder tritt die Community geschlossen auf bzw. supportet man sich gegenseitig?
Ach, ich finde es großartig, dass in Berlin so viele Musiker leben. Konkurrenzkämpfe gibt es bestimmt auch, aber davon bekomme ich nichts mit; ich lebe ja nicht so intensiv in dieser Technoszene. Meine Freunde sind eigentlich alle in anderen Berufen tätig, ich stecke da Gott sei Dank nicht in so einem Techno-Klüngel drin. Aber dass man hier in Berlin trotzdem immer mal wieder ganz leicht andere Musiker kennenlernen kann, finde ich dennoch positiv.
Drei Farben House ist immer schon durch Tracks mit hoher Musikalität und verspielten Strukturen aufgefallen. Müssen für dich Tracks zwingend im Club funktionieren oder ist das kein Kriterium?
Naja, doch, das ist schon mit ein Kriterium, auch wenn es mir natürlich hauptsächlich um den Soul und den Funk und die Musikalität im Allgemeinen geht. Dennoch ist die Musik, die ich unter Drei Farben House mache, für den Club gedacht. Sie soll den DJs, die sie spielen, genauso Freude machen, wie den Leuten, die dazu tanzen.
Welchen Berliner Clubs könnte man dein Label bzw. deinen Labelsound am ehesten zuordnen?
Oh, das kann ich ganz schwer beantworten. Ich habe ja schon in vielen Clubs hier aufgelegt, und ich bin zumindest meistens nicht unangenehm aufgefallen (lacht). Insofern denke ich, dass es viele Berliner Clubs gibt, die ein offenes Ohr für deepen House haben.
Wenn man nach Drei Farben House googelt, kommt einem auch gleich das Drei Farben Haus in Stuttgart unter. Dabei handelt es sich um ein riesiges Bordell. Sag bloß, dass war dein Namensgeber?
Sehr schön, dass Du das ansprichst, denn das war natürlich absolut nicht mein Namensgeber. Wer mich kennt, weiß, dass ich mich niemals nach einem heterosexuellen Bordell benennen würde. Ich bin da tatsächlich ein ganz traditioneller Feminist der alten Schule und halte die Prostitution von Frauen für eine üble Ausbeutung und für männliche Dominanz-Scheiße. Der Name Drei Farben House bezieht sich auf eine Film-Trilogie von Krzysztof Kieslowski: Er hat die Filmreihe „Drei Farben Weiß“, „Drei Farben Rot“ und „Drei Farben Blau“ inszeniert, und mein Name ist einfach eine Art Anlehnung an den Namen der Filme.
Auf deiner Myspace-Seite gehören Indie-Bands wie Radio Dept. zu deinen Top-Freunden, eine zweite Liebe neben House nehme ich mal an – hast du auch musikalische Ambitionen in diese Richtung?
Ich höre sehr gerne Gitarrenpop, gerade aus Schweden, aber auch viel Soul und Disco. Generell liebe ich einfach melodische Popmusik, ob mit Gitarren oder ohne. Ich finde akustische Musik einfach fantastisch, aber ich traue mich selber als Musiker da nicht so richtig ran. Deswegen hänge ich halt notgedrungen auf dieser elektronischen Schiene fest (lacht).
Hast du eine Residency als DJ oder regelmäßige Labelshowcases?
Nein, sowas gibt es aktuell nicht. Labelshowcases selber zu veranstalten reizt mich auch nicht so. Ich bin kein Partyveranstalter, der Beruf liegt mir nicht, glaube ich.
Was steht bei Tenderpark releasetechnisch 2011 an? Womit dürfen wir rechnen?
Anfang Juni erscheint ja die Tenderpark 005 mit zwei sehr feinen House-Tracks von Marquese, der ja schon auf La Peña und Love Letters From Oslo releast hat. Und im September kommt dann die 006 – die wird wieder von mir sein mit drei wunderbaren Stücken, wenn ich das mal in aller Bescheidenheit sagen darf.
”Tenderpark 004” von Drei Farben House ist soeben auf Tenderpark Records erschienen. Mehr Information findet man unter www.dreifarbenhouse.net & soundcloud.com/dreifarbenhouse
Am 27.05. findet übrigens der erste i>The Gap-Club namens i>JACK in den Räumen von von i>Morisson Club & Bar statt. Headliner des Abends ist der soeben von i>De:bug in den Himmel gelobte Berliner House-Produzent, DJ und Labelbetreiber i>Drei Farben House – Unterstützung kommt von Bitm4n, i>Moogle & i>Laminat.