„Ich will das Urheberrecht nicht abschaffen“

Am Sonntag sind Nationalratswahlen. Wir haben im Vorfeld mit Sonja Ablinger (SPÖ) und Christopher Clay (Piratenpartei) über Festplattenabgabe, Kulturförderung und „Kunst hat Recht“ gesprochen.

Die Piraten „mainstreamisieren“ das quer durch das Parteiprogramm. In der SPÖ hat man manchmal das Gefühl, dass Kultur und Netzpolitik als Vorletztes kommen. Wenn sich Justiz- oder Wirtschaftsministerium einmischen, werden Forderungen kaum noch durchsetzungsfähig.

Ablinger: Aber gerade beim Thema Festplattenabgabe hat es nach Gesprächen eine gemeinsame Position von Kultursprecherin, Kreativwirtschaftssprecherin, Wirtschaftssprecher, Konsumentensprecher und Justizsprecher gegeben.

Auf EU-Ebene scheint es aber sehr schwierig sich innerhalb der Fraktion abzustimmen – wenn es nicht gerade Massenproteste gibt wie zu ACTA.

Ablinger: Ich glaube durch ACTA wurde sichtbar, wie sehr dieses Thema in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Das Urheberrechtsthema ist nach wie vor ein Punkt, wo viele Menschen nicht sehen, welche Bedeutung es für unsere Kommunikation hat. Zusätzlich ist es stark mit Interessensfragen verbunden. ACTA zum Beispiel war eine Frage von großen Wirtschaftsinteressen, auch die Frage um Ausdehnung der Schutzfristen.

Man hat manchmal das Gefühl, dass viele wissen, was für eine offene Gesellschaft wichtig wäre. Nämlich Schutzfristen verkürzen, verwaiste Werke freigeben etc. Auf EU-Ebene ist es dann trotzdem nicht durchsetzbar, warum?

Ablinger: Beim Thema verwaiste Bücher sind sich im Grunde alle schnell mal einig, dass man solche Werke freigeben soll. Wenn es dann aber um Wirtschaftsinteressen, um Profit und Gewinn geht, ist man sich nicht mehr einig. Und dort beginnt dann der Lobbyismus.

Clay: Die Unterscheidung im Urheberrecht „Privat“ vs. „Öffentlich“ ist heute nicht mehr passend. Denn die Frage, was im Internet privat ist, ist heute nicht mehr klar lösbar. Wenn ich etwas im Internet hochlade und mit einem einzigen Freund teile, die URL aber theoretisch für jeden verfügbar ist, ist das dann "privat" oder "öffentlich"? Da verschwimmen die Grenzen.

Warum gibt es in Europa so wenige legale On-Demand-Angebote wie etwa Netflix?

Clay: Es beginnt schon langsam – auch in Österreich – gute Online-Vertriebskanäle zu geben, die auch angenommen werden. Trotzdem gibt es viele Dienste, die bei uns nicht funktionieren. Da fragt man sich schon, warum das so ist.

Ablinger: Euer Vorschlag dazu ist doch: Was es in Österreich nicht legal gibt, soll man auch illegal herunterladen können. Das geht für mich zu weit. Aber es stimmt schon: Viele wären bereit, für Filme und Serien zu zahlen, aber es geht oft gar nicht. Gewisse Sachen entwickeln sich über den Markt – wie damals iTunes – trotzdem hat die Politik meiner Meinung nach die Aufgabe, gewisse Interessen zu wahren.

Clay: Letztlich geht es immer um ein Maßnahmenbündel: Wir müssen einerseits Künstler und Kulturschaffende in dieser Veränderung unterstützen- z.B. indem wir neue Finanzierungsmodelle wie Crowdfunding fördern, also Vorausfinanzierung wie bei „Kickstarter“. Andererseits müssen wir sehr einfache legale Möglichkeiten und Kanäle ermöglichen. Die Unterscheidung im Urheberrecht „privat“ vs. „öffentlich“ ist nicht mehr zeitgemäß. „Gewerblich“ bzw. „kommerziell“ finde ich hier die bessere Schranke.

Ablinger: Die Unterscheidung zwischen „kommerziell“ und „nicht kommerziell“ ist in diesem Zusammenhang wirklich realistischer. Ich möchte aber auch noch etwas anderes ansprechen: Wir brauchen ein starkes Urhebervertragsrecht. Das ist etwas, das zum Beispiel „Kunst hat Recht“ in keiner Weise thematisiert. Meiner Meinung reichen neue Modelle wie Crowdfunding oder „KickStarter“ alleine nicht. Es geht auch darum die Künstler gegen den großen Vertretern der Verwertungsindustrie zu stärken: Das passiert durch ein neues Vertragsrecht. Das gehört in eine Urheberrechtsreform hinein.

Clay: Ich habe mir den Sozialbericht über Künstler in Österreich durchgelesen und das Gefühl, dass die meisten Forderungen, die von Organisationen wie "Kunst hat Recht" gestellt werden, nur einen kleinen Teil der Kunst- und Kulturschaffenden betreffen. Das mittlere künstlerische Einkommen ist 4500 Euro im Jahr. Nur 19% der Kunst und Kulturschaffenden haben überhaupt regelmäßige Einkommen aus ihrer künstlerischen Tätigkeit. Die wahren Probleme der meisten Künstlerinnen und Künstler liegen also woanders. Mir wird innerhalb der Partei immer geraten, diese Themen nicht zu vermischen. Aber ich wage jetzt einmal die These aufzustellen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen mehr für die Vielfalt von Kunst und Kultur und die Verfügbarkeit tun würde, als die Forderungen von „Kunst hat Recht“.

Ist ein neues Urhebervertragsrecht für die SPÖ unabdingbarer Teil eines Reformpakets?

Ablinger: Ich glaube, dass eine Urheberrechsreform, die diesen Namen verdient, ohne Urhebervertragsrecht nicht möglich ist. Schwarz-Blau ist in mehreren intensiven Diskussionen an den großen Interessensblöcken gescheitert, zuletzt 2003. Wir bekennen uns in unserem Positionspapier ganz klar zum Urhebervertragsrecht.

Gehört eine Reform der Verwertungsgesellschaften auch dazu?

Ablinger: Wir halten eine pauschale Vergütung der Privatkopie weiterhin für notwendig. Daran anschließend muss aber natürlich die Verteilungsfrage gestellt werden. Bei den Verwertungsgesellschaften sind viele Abrechnungen und die SKE-Fonds sehr intransparent und schwer nachvollziehbar. Außerdem finde ich den Verteilungsschlüssel nach dem Matthäus-Prinzip „Wer hat, dem wird gegeben“ diskussionwürdig. Man muss auch wissen, dass bei vielen Verwertungsgesellschaften die Verlage und Rechteinhaber, nicht die lebenden Künstler selbst, sehr viel Geld bekommen.

Deutschland hat es vor kurzem geschafft das Kulturbudget zu erhöhen. Ist so etwas bei uns realistisch?

Ablinger: Das Budget ist 2006 erstmals erhöht worden und seitdem nicht gekürzt worden, was mit der Inflation real natürlich ein Verlust ist. Zur Kunstförderung in Österreich: Etwa ein Drittel kommt aus den Kommunen, ein Drittel aus den Bundesländern und das Letzte vom Bund. Wir haben ca. 470 Millionen Euro Kulturbudget und davon geht der Großteil in die großen Häuser wie Bundestheater und Museen. Wenn dann nur 70 bis 80 Millionen für Kleinkunstförderungen bleibt, ist das zu wenig.

Clay: Zur Erhöhung des Kulturbudgets haben wir noch nichts im Programm abgestimmt. Wir sehen die Rolle des Staates in der Entscheidungsmacht wohl skeptischer als die SPÖ. Ich vermisse sehr viel Transparenz in der Kulturförderung, sprich wie viel eigentlich ausgegeben wird. Zusätzlich sehen wir es als positiv an, die Rolle des Staates ein bisschen zurückzudrängen. Wir haben den Anspruch die Mündigkeit des Bürgers mehr auszubauen. Die Aufgabe der Politik ist es, die Mündigkeit der Einzelnen zu erhöhen und nicht für sie zu bestimmen.

Ablinger: Auf Bundesebene gibt es Transparenz von Förderungen im Kultur- und Kunstbericht. Zum staatlichen Einfluss: Bestimmte kleine Kunstprojekte würden ohne staatliche Subventionen nie überleben. Sonst wird nur noch gefördert, was man kennt. Aber bei Kunst geht es auch darum, gegen den Strich zu bürsten.

Christopher Clay: Das stimmt alles. Aber die Alternative ist doch immer ein gewisser Elitismus: Irgendwer ist schlauer als die anderen und kann entscheiden, wer mehr gefördert gehört als die anderen.

Ablinger: Es gibt unterschiedliche Modelle in der Kunstförderung, Kuratoren-, Beiratsmodelle etc. Wenn Entscheidungen gegen gespiegelt werden, verbessert das die Qualität der Entscheidungen.

Ist die eben erwähnte Dreiteilung der Kulturförderung zwischen Gemeinden, Land und Bund eine Beschreibung des Ist-Zustands oder gibt es Rahmenverträge?

Ablinger: Ersteres. Aber Rahmenverträge wären manchmal notwendig. Nehmen wir einmal ein kleines Theater her. Das muss sich bei der Gemeinde, beim Land und beim Bund für eine Förderung bemühen. Ich fände es besser, wenn sich Bund und Land gemeinsam einigen. Damit meine ich nicht die Abschaffung der „Doppelförderung“, sondern spreche die gemeinsame Verantwortung an. Ich fände ich es gut, wenn man sich zum Beispiel bei der zeitgenössischen Kunst Themenschwerpunkte setzt und eine gemeinsame Verantwortung für die notwendigen finanziellen Mittel übernimmt.

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