Bat for Lashes klingt jetzt hörbar. Artwork, Video und Sounds sind hochwertige, routinierte Abziehbilder. Was langweilig klingt, erfüllt dennoch alle Voraussetzungen für ein großes Album.
Bat for Lashes aka Natasha Kahn entlässt ihr drittes Album in die Welt. Es heißt »The Haunted Man«. Auf dem Cover ist sie nackt. Grob gesagt ist das alles, was bislang berichtet wurde. Ein bisschen merkwürdig ist das schon, denn nach einem innovativen ersten und einem relativ erfolgreichen zweiten Album lag auf dem dritten Album die Hoffnung nach einem reifen und einflussreichen Werk der mittlerweile 32-jährigen Sängerin. Was aber »The Haunted Man« scheinbar am stärksten zu charakterisieren scheint, ist die Tatsache, dass Natasha Kahn auf dem Cover nicht viel anhat. Das Foto soll übrigens unretuschiert sein. Dem britischen Guardian sagte Kahn, sie wolle mit diesem Cover Patti Smith ehren, die sich auf ihrem Debüt »Horses« ungeschminkt und übervoll mit Selbstbewusstsein ablichten ließ. Coole Poetin, das könnte Bat For Lashes eventuell werden – abhängig eben von diesem Album. Dafür müsste Bat For Lashes aber für etwas stehen, sie müsste festlegbar sein.
Hochwertiges Selbstplagiat
Ryan McGinley als Fotografen für das Cover anzuheuern war daher naheliegend. Der hatte das Coverfoto bereits im Portfolio, nur mit einem Wolf auf den Schultern. Bat For Lashes musste das Foto also nur noch nachstellen. Vor allem aber ist Ryan McGinley der zurzeit wohl gehypteste Fotograf der Welt. Und das, obwohl die Welt momentan mehr Fotografen beherbergt als je zuvor. McGinley selbst hat vieles richtig gemacht. Er sieht ziemlich gut aus, ist ziemlich schwul, zog mit 18 nach New York und macht Fotos, die das Potenzial haben, die Postmoderne ikonisch zu erklären und die wie zufällig auch noch wunderschön sind (hier hier hier). Ryan McGinley ist bewiesenermaßen spätestens 20-jährig schon brutal cool gewesen und hatte viele spannende Freunde. Wikipedia weiß sogar, dass er 1998 ins East Village gezogen ist und sein Appartement mit Polaroids von Leuten, die ihn dort besucht haben, übersät hat. OMFG – Polaroids! Eigentlich erfüllt er damit schon die wichtigste Voraussetzung, ein richtig stilprägender Künstler zu sein.
Rückblickend epochal
Es überrascht nicht, dass McGinleys Arbeiten, als die eines Künstlers mit Star-Appeal, Covers von Bands zieren, die wohl erst in Zukunft und dann im Rückblick als stilprägend erkannt werden. Ähnlich wie The Velvet Underground oder Joy Division vielleicht. Ähnlich wie Bands also, die zu ihrer Zeit viel weniger Menschen hörten, als sich in den folgenden Jahrzehnten darauf beriefen. Was The Velvet Underground, Joy Division und New Order aber schon damals hatten, waren epochale Plattencover von epochalen Künstlern wie Andy Warhol oder Juergen Teller. Das Sigur Rós-Album mit dem vermutlich erst in 20 Jahren landläufig bekannten Namen »Með suð í eyrum við spilum endalaust« zierte bereits 2008 eines der bekanntesten McGinley-Fotos.
Druckvoll zur Reife gebracht
Und nun also Bat For Lashes mit der McGinley-Kopie eines McGinley-Fotos auf dem Cover. Der Musik andererseits wird derzeit noch bei Weitem nicht so viel Aufmerksamkeit zuteil – zu Unrecht. Was Natasha Kahns Musik, als die einer Tochter eines pakistanischen Squash-Spielers aus Peshawar, immer noch ausmacht, sind die atmosphärisch-exotischen Klangteppiche. Ihr Sound ist sofort da. Er war es, der die ersten beiden Alben interessant machte, damals voller Zäsuren und fast jeder Song ein Experiment. Das neue Album hat ihn zu geradliniger Souveränität gebündelt.
Verloren gegangen ist dadurch einiges vom innovativen Klang der ersten Alben. Das Spiel mit Materialen ist verschwunden, es werden keine neuen Aussagen, Standpunkte, Sounds, Inhalte mehr gesucht, vielmehr schöpft Bat For Lashes aus dem Pool ihrer Arbeit und schafft aus ihm einen leicht greifbaren Status Quo. Der Rhythmus ist nun durchgehend druckvoller, die Stimme fester. Dafür fehlen die lang gedehnten Fantasiereisen des ersten Albums. Damals wurde sie von einem mystischen goldenen Licht geweckt, sie trug eine Rüstung und Kinder sangen ihr, sie sei die Auserwählte und es gebe keinen Weg zurück. Was Bat For Lashes auf »The Haunted Man« beschäftigt, ist, dass sie letzte Nacht nicht schlafen konnte, weil sie versuchte, ihn zu vergessen. Ihr Leben ist offenbar pragmatischer geworden. Es mag mehr oder weniger gefallen, aber »The Haunted Man« ist hörbarer. Selten treffen die typischen Pressetextphrasen vom »erwachsenen Album einer gereiften Künstlerin« so sehr zu wie bei diesem.
Die Ironie endet am Marktplatz
Wie trocken sich Popkultur hier selbst zu professioneller Reife bringt, ist allerdings ein wenig einschüchternd. Denn den Reiz von Bat For Lashes machte ja bisher besonders ihre unreife Verspieltheit aus. McGinleys wirklich gute Reproduktion seiner eigenen wirklich guten Arbeit auf dem Cover streut zusätzliches Salz in diese Wunde. Noel Paul, der Regisseur des Vorab-Videos zu »Laura«, tut es ihm gleich. Ihm verdanken wir eine intensive erste Einstellung, in der eine bitterernst um die eigene Achse kreiselnde Bat For Lashes den Zuseher förmlich in das Video hineinsaugt. Danach flacht es ab, wird glatter und konventioneller, wie zum Beispiel das Video zu »What’s A Girl To Do« vom ersten Album »Fur And Gold«. Die eigentlich bittere Liebesgeschichte des Songs wurde damals durch hüpfende Tiere auf BMX deutlich entspannt. Beim Video zu »Laura« bedient Noel Paul formal und inhaltlich mindestens eine Handvoll Romantik-Klischees mehr. Vermutlich ist ihm das auch bewusst – normalerweise steht er für humorvollere und experimentellere Musikvideos (hier hier hier).
Irgendwann muss bei der Produktion dieses Albums die Festlegung erfolgt sein, dass sich Bat For Lashes in Zukunft absolut unironisch sehen will, dass jetzt Schluss ist mit lustig und mit Ausprobieren. Da die Arbeiten von Ryan McGinley, Noel Paul und Natasha Kahn in den letzten Jahren meistens ziemlich humorschwanger und verspielt waren, kann man umso mehr von einer bewussten Entscheidung ausgehen. Was diese drei Akteure mit ihren Arbeiten zum neuen Album verdeutlichen, ist wie sich angewandte Kunstproduktion, nach der freien Experimentierphase, im popkulturellen Endstadium ihrer Entwicklung verfestigt – wenn der eigene Ausdruck bereits gefunden ist und in der Produktion auf einen breiten Markt anwendet wird. Das klingt vielleicht ein bisschen unromantisch, ist aber eigentlich grunddemokratisch. Eine große Gruppe von Menschen kann sich nämlich jetzt ein hochwertig verarbeitetes Werkstück der Popkultur in den Schrank stellen. Da steht es. Grundsolide.
"Haunted Man" von Bat For Lashes erscheint am 12. Oktober.