Im Schweinsgalopp – Drei Szenarien

Der ORF als Nutztier – ausgefressen, ausgeschlachtet oder filetiert? Drei Szenarien zur Zukunft von Public Value in Österreich.

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Da liegt er auf der Weide, der Wiederkäuer ORF, und weiß nicht, wie ihm geschieht: Am 9. August wählt sein Aufsichtsgremium entweder einen neuen Generaldirektor, oder den alten, Alexander Wrabetz. Anstatt um die Zukunft von Public Value – einer gesellschaftlich relevanten, kritischen und unabhängigen Medienpräsenz – geht es dabei um etwas anderes: Die Parteipolitik will den Rundfunk weiter instrumentalisieren. Druckmittel ist die finanzielle Staatshilfe, aus fetter Erde sprießt saftiges Gras. Doch es ist schwül, Mücken wie Schwalben fliegen tief: Ein Donnerwetter aus Internet, Mobilität und Fluktuation zieht auf, rauer Wind weht dem trägen ORF entgegen. Was passiert mit FM4, Ö3, Ö1, den Bundesländerradios und ORF On? Drei Szenarien, wie der Rundfunk 2031 aussehen könnte und wer dann – statt nur Mist – auch Public Value schafft.

Wir trauen Prognosen statt Propheten: 2011+20=2031. Da liegt Österreich, herzig in einem Europa, das geeinter scheint als zuvor – weil ein neuer Konkurrent am Horizont aufgestiegen ist: Asien. Das Bruttoinlandsprodukt des Kontinents hat 2028 die Wirtschaftsleistung der G7, einst die führenden Industrienationen, überholt. Weltweit hungern immer noch eine halben Milliarde Menschen, die meisten von ihnen in Subsahara-Afrika. Der Flugverkehr über Europa hat sich verdoppelt; Kurzstrecken hingegen werden überwiegend mittels Hochgeschwindigkeitszügen zurückgelegt. In Österreich leben 35 Prozent der Menschen als Vegetarier, der Wiener Ring wurde in eine Fußgängerzone umfunktioniert. Und das Parlament hat an Bedeutung verloren, zugunsten der Regierungen in den Bundesländern einerseits und Brüssel andererseits.

Medial herrscht das kostenfrei zugängliche semantische Web, das Bedeutungen erfasst und gewichtet, also »denkt«. Die Informationsmedien haben eine Rolle übernommen, die Berthold Brecht ihnen schon anno 1932 in seiner »Rede über die Funktion des Rundfunks« zugedacht hatte: »Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, d.h., er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen, und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen.«

Hat der ORF dieses Kunststück bis 2031 geschafft? Ist er ausgefressen, ausgeschlachtet oder – filetiert?

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