Cecile Believe und Price lernten sich auf einer Party und einem gemeinsamen Konzertbesuch von Charlie XCX in L.A. kennen. Beim Impulstanz Festival 2021 zeigen sie die Österreich-Premiere ihrer Performance »Melodies are so far my best friend«. Im Interview sprechen sie über die Bedeutung von Pop im Theater, wie sich ihr Stück in den letzten Jahren entwickelt hat und ihre Interpretation von Scheitern.
The Gap: »Melodies are so far my best friend« wird mit Begriffen wie radikale Immersion und gnadenlose Demaskierung von Theaterkonventionen beschrieben. Was kann das Publikum erwarten, ohne dass ihr zu viel vorwegnehmt?
Price: Vieles kann schief gehen, da der Stoff sehr schwer ist und wir bestimmte Teile des Stücks unbestimmt gelassen haben. Und da kommt die Improvisation ins Spiel. Es mag seltsam klingen, aber es minimiert den Stress auf der Bühne, weil ich mich nicht innerhalb einer bestimmten Zeit von A nach B bewegen muss, wie es der Fall wäre, wenn die Performance auf Playback-Samples basieren würde.
Cecile Believe: Ich würde sagen, erwartet nicht, dass ihr euch zu wohl fühlen werdet. Viele Leute lieben das Stück, aber es gab auch einige starke negative Reaktionen. Ich denke, es ist eine Herausforderung und so ist es auch gedacht.
Die Musik um Stück habt ihr gemeinsam komponiert und produziert. Wie hat eure Zusammenarbeit funktioniert – vor allem auf musikalischer Ebene?
Cecile Believe: Price und ich haben ziemlich viel zusammengearbeitet und uns ständig ausgetauscht. Mathias schrieb Melodien und brachte ein paar Akkorde ein und ich füllte sie mit bestimmten Instrumentierungen aus. Manchmal sagte Mathias mir, was er sich vorstellte, und ich versuchte, die Idee umzusetzen.
Price: Ich habe keine fertige Idee von dem, was ich musikalisch in meinen Produktionen transportieren möchte. Cecile hat viele Inputs gegeben und zusammen sind wir in der Lage, gemeinsame Ideen zu entwickeln. Unsere Arbeit dreht sich um Stimmungen und Gefühle und manchmal tauschen wir Demos aus, um uns unseren gemeinsamen Visionen Schritt für Schritt anzunähern. Wenn es um die technische Seite des Produzierens, Mixens und Masterns geht, ist Cecile natürlich der Profi. Es gibt ein gemeinsames Interesse und einen gemeinsamen Humor zwischen uns, also haben wir einfach beschlossen, unseren Weg mit diesem Stück gemeinsam zu gehen, um zu sehen, wohin er uns führen wird. Außerdem ist da noch Sebastian Hirsig, ein Jazzpianist, der während der Show auch live mit uns auftritt. Ihn kenne ich schon länger aus meiner Heimatstadt und ich wollte unbedingt, dass sich die Musik in dieser Performance von den bisherigen Shows unterscheidet. Normalerweise hat man fertige und ausproduzierte Tracks für Szenen und spielt sie nacheinander ab. Aber in »Melodies are so far my best friend« brechen wir daraus aus und lassen Raum für Improvisation, da wir nicht alles so genau vorgeben können.
Das Stück wurde vor etwa drei Jahren in Zürich zum ersten Mal gespielt. Wie viel Interpretationsspielraum bleibt nach so langer Zeit des gemeinsamen Arbeitens und Spielens im Kontext eines Stückes und wie hat sich das Werk selbst insgesamt verändert, seit es zum ersten Mal auf der Bühne war?
Cecile Believe: Es bleibt nicht mehr so viel Spielraum für Interpretationen, das stimmt. Wir halten uns mittlerweile größtenteils an das Skript, aber es gibt unterschiedliche Stimmungen und ein unterschiedliches Publikum, die zu einer Einzigartigkeit in jeder Show beitragen.
Price: Wir haben während des Prozesses mit Sharings begonnen, bei denen wir unfertige Teile einem Publikum gezeigt haben, um herauszufinden, was funktioniert und was auf welche Art und Weise ankommt. Außerdem denke ich, dass die Premiere oft nicht die beste Darstellung einer Aufführung ist. Danach werden einige Teile angepasst und wir verändern kleine Elemente, bis die Show nach einigen Malen des Spielens vor Publikum zu ihrem ganz eigenen Charakter heranwächst. Auch die Architektur des Raumes, in dem wir es zeigen, spielt eine Rolle und verändert Teile des Stückes jedes Mal, wenn wir es an einem neuen Ort spielen. Das Stück an sich ist also größtenteils konstruiert und nicht ein Stück, das mit freier Improvisation funktioniert, bei dem wir uns auf der Bühne gegenseitig überraschen. Und wenn es um das Publikum geht, ist die Show überhaupt nicht partizipativ, die Zuschauer*innen müssen nichts tun, aber trotzdem wird das Publikum seinen Teil zum Stück beitragen.
Melodien begründen teils Identität und Gemeinschaft. Ihr arbeitet mit dem Widerspruch von Melodien, die für das Publikum »funktionieren« und solchen, die auf ihre Art störend und dissonant sind. Woher kommt diese Auseinandersetzung?
Price: Im Grunde ging es bei dem Prozess um die ständige Anpassung der gleichen Akkordprogression, das Covern, das Samplen aus der gleichen Quelle, um zu sehen, wohin wir es bringen können. Wir haben uns also von den unendlichen Möglichkeiten der Melodien, die man spielen kann, abgegrenzt und eine Art von poppigen Melodien festgelegt, von denen wir alle abgewichen sind. Sebastian zum Beispiel bewegte sich direkt in die mehr jazzige Art von Vibe.
Cecile Believe: Wir haben auch viel darüber diskutiert, was Popmusik eigentlich war und ist. Ich denke, sie kann sehr offen sein, so dass Popmusik auch nur ein schräger kleiner Haken sein kann, an den sich die Leute erinnern.
Price: Manchmal war das komisch, weil es so viele Definitionen dafür gibt, was Popmusik ist, und wir haben manche Teile von all diesen Beschreibungen herausgepickt, um unseren musikalischen Weg um das herum zu formen, was wir als Pop verstehen, um von dort aus das Stück zu kreieren.
Hattet ihr bestimmte Popsongs und Künstler im Kopf, als ihr an diesem Stück gearbeitet habt, oder ist es eher als eine Art Selbstreferenz zu verstehen?
Cecile Believe: Ich glaube, wir haben uns vor allem gefragt, was für Räume es gibt, in denen bestimmte Songs gespielt werden. Wir haben uns die Musik so vorgestellt, wie wenn man draußen vor einem Club ist und das Rumpeln hört, aber nicht die klare Musik wie drinnen. Der Raum diktiert das Genre, das war unser Ansatz. Der Kontext, in dem man Songs hört und die Umgebung, in der sie wahrgenommen werden.
Price: Und natürlich beziehen wir uns auf andere Künstler, wir orientieren uns an der Popkultur. Aber bei unserer Kreation geht es mehr um ein Gefühl als um bestimmte Musikstücke.
Das Stück wird mit einem Fokus auf Unvollkommenheit und Scheitern aus einer queeren Perspektive beschrieben. In der heutigen Gesellschaft ist Scheitern so etwas wie ein Tabu. Wir lernen, dass es nicht normal ist, Fehler zuzugeben. Was sind eure Erfahrungen diesbezüglich?
Cecile Believe: Nachdem das meine erste musikalische Arbeit für ein Theaterstück in dieser Art war, denke ich, dass ich gelernt habe, dass das Konzept des Scheiterns auf der Annahme einer gewissen Vorstellung von Erfolg basiert. Denn Erfolg ist eine vorgefasste Meinung über ein klares Ergebnis. Oder eben die Vorstellung von diesem Ergebnis. Ich persönlich musste mich dahingehend anpassen, dass ich meine Erwartungen an die Musik und die Rolle, die sie spielt, gelockert habe. Denn normalerweise veröffentliche ich Platten und spiele Popmusik-Shows in Clubs und Bars. Dort findet man eine völlig andere Struktur vor als in dem Stück, das Mathias und ich zusammen erarbeitet haben. Im Prozess hatte ich auch manchmal das Gefühl, in meinem Job, Popmusik zu machen, zu scheitern. Letztlich war es allerdings eine Erweiterung meines Arbeitsportfolios und meiner Fähigkeiten, zu dieser Welt beizutragen. Meine eigene Wahrnehmung von Musik im Live-Kontext hat sich während dieses Prozesses sehr verändert.
Price: Ich wurde immer wieder gefragt, warum ich versuche, Pop in die Kunstwelt einzubringen, weil es als seichte Musik mit anderen Werten als sie im Rest der Kunstwelt vorherrschen wahrgenommen wird. Meiner Meinung nach ist das ein Missverständnis, da sich gesellschaftliche Werte ohnehin die ganze Zeit über verändern und alles vom Kontext abhängt, in dem man seine Kunst zeigt. Diese Wahrnehmung von Popmusik hat mich von Zeit zu Zeit verunsichert und in die Nähe des Gefühls des Scheiterns gebracht. Die Verortung eines Genres in verschiedenen Kontexten ist es, woher die wichtigen Fragen kommen können, denke ich. Außerdem mag ich das Gefühl der Zweideutigkeit.
Cecile, du hast unter dem Namen »Mozart’s Sister« Musik gemacht, gibt es eine tiefere Verbindung zwischen dir und Österreich?
Cecile Believe: Nein. Bei diesem Namen habe ich nicht wirklich an Mozart als Person von einem Ort gedacht, sondern mehr als eine Repräsentation. Sozusagen »Mozart’s Sister« als eine Frau im Schatten eines Genies, die nicht gewürdigt wird. Ich war zuvor aber noch nie in Österreich, und fühle mich jetzt so, als hätte ich meine Recherche diesbezüglich nicht gut gemacht, haha.
Mathias, ist dein Pseudonym Price eine Anspielung auf Prince? Es gibt ja eine gewisse Ähnlichkeit in eurem Aussehen.
Price: Haha, nein. Aber das ist eine berechtigte Frage, da ich manchmal sogar mit meinem Namen als Wortspiel mit Prince vorgestellt werde – aber das habe ich nie erwähnt oder beabsichtigt. Aber hey, wenn die Leute Assoziationen herstellen, woher etwas kommt, ist das okay. Für mich ist das in Ordnung. Eigentlich wollte ich nur einen Namen, der auf eine typografische Art und Weise gut aussieht. Ich erinnere mich, dass ich viel auf Prada und andere Marken geschaut habe und ihn daraus entwickelt habe. Deshalb schreibe ich ihn eigentlich auch nur in Großbuchstaben, damit er mehr wie eine Marke aussieht und sich auch so anfühlt. Für mich ähnelt es der Unterscheidung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Selbst und ich habe diesen Markenbezug gewählt, um es wie ein Material aussehen zu lassen, etwas, mit dem ich arbeite.
Die Österreich-Premieren von »Melodies are so far my best friend« werden am Sonntag, den 8. August 2021, und am Dienstag, den 10. August, jeweils um 21 Uhr im Kasino am Schwarzenbergplatz gezeigt. Tickets sind erhältlich unter impulstanz.com. Cecile Believe wird außerdem am 7. August ein Konzert in der Impulstanz Festival Lounge im Kursalon Wien im Stadtpark spielen – Support gibts von Joja, präsentiert von The Gap.
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