"Chucks", die Verfilmung des Erfolgsromans von Cornelia Travnicek, ist ein Film der nicht hält, was er am Anfang verspricht. Zum Glück – denn am Ende siegt die stille Poesie über klischeehafte Rotzigkeit. [Dieser Artikel enthält Spoiler]
Rebellische Mädchen mit roten Haaren gab es schon öfters mal. Zora zum Beispiel. Oder Pippi. Für ein bisschen ältere Mädchen mit Hang zur Rebellion gibt es seit der Veröffentlichung von Cornelia Travniceks Roman "Chucks" ein neues Vorbild. Mae, nämlich, die ihr feuerrotes Haupt der kleinbürgerlichen Welt ihrer Mutter zukehrt und die all das macht, was man sich vom Prototyp dieser "Sorte Mädchen" so erwartet – das alles tut sie in den abgetragenen Chucks ihres verstorbenen Bruders, der immer wieder in Flashback-Szenen auftaucht.
Generation Rebellion
Kennt man eigentlich alles schon, weil das eben die typischen Inhaltsstoffe einer Coming-of-Age Geschichte mit rebelllischer Anti-Heldin sind: Weglaufen von daheim, bisschen Abdriften in die illegale Sprayerszene, billiger Vodka auf Spielplätzen, Smart rauchen und in der Obhut eines Bewährungshelfers landen. Die konservativ-katholische Mutter, die an die Mutter aus Jelineks Klavierspielerin erinnert, heult sich inzwischen daheim am längst abgesessenen Samtfauteuil die Augen aus dem Kopf. Der Klischeesumpf bleibt so zäh und klebrig bis Mae beginnt, ihre Bewährungsstrafe im Aids-Hilfe-Haus abzuarbeiten, wo sie trotz permanenter Rotzigkeit und Arrgoanz gar nichts zu sagen hat. Gerade rechtzeitig kriegen die beiden Regisseure Gerhard Ertl und Sabine Hiebler die Kurve noch, indem sie Mae und den aidskranken Paul in eine ungewöhnliche Liebesgeschickte verwickeln, und so vor dem Ertrinken in der Stereotypie bewahren.
Wieviel Leben steckt in Überleben?
Mae verliebt sich nämlich in Paul, den aidskranken Fotografen, zieht bei ihm ein, startet sogar einen wenig erfolgreichen Versöhnungsversuch mit ihrer Mutter. Sie springt nochmal auf den Zug des Lebens auf, kurz bevor es sie endgültig aus der Bahn wirft. Dass die letzte ihrer gemeinsamen Haltestellen Pauls Tod sein wird, ist zweitrangig, ganz oben steht das Leben. Weil es im Film nämlich genau darum geht – wie es sich mit dem dem Tod leben lässt und wieviel Leben in purem Überleben noch stecken kann. Ziemlich viel nämlich.
Einmal Richtung Klischee und retour
Am Ende entsteht eine Schleife zu Cornelia Travniceks Roman "Chucks" und ihrer Rolle als Autorin – Mae liest aus ihrem eigenen Roman, in den sie ihre Geschichte – also auch die Pauls und ihres kleinen Bruders – verpackt hat. Den Film einfach in die Ecke klischeebehafteter Generation Y-Inhalte zu schieben, reicht deshalb einfach nicht aus. Er lässt einen mit einem weinenden Auge und einem ratterenden Kopf zurück. Verstört nicht in dem Ausmaß, wie es der österreichische Film sonst ganz gern tut, aber wirft doch einige Fragen auf, die sich abseits der ganzen Riot-Girl-Bilderwelt auftun. Das Regie-Duo wollte den Film poetisch und aneckend zugleich gestalten, weil auch schon der Roman so war. Das ist ihnen zum Großteil auch gelungen.
Was als ganz eindeutig großartig heraussticht, ist der Soundtrack, das meiste kommt von Soap&Skin, der Rest von Monsterheart, Julian und der Fux, Bilderbuch, Propella und Clara Luzia. Allein deshalb lohnt es sich für "Chucks" mal wieder ins Kino zu gehen.
"Chucks" kann man seit 25. September im Kino sehen. Im Rahmen des Waves Vienna läuft der Film von 1.-3.10 im Stadtkino. Der Roman von Cornelia Travnicek ist bei DVA erschienen. Ihr neuer Roman "Junge Hunde" erscheint am 12. Oktober ebenso bei DVA.