Eine endlose Abrissparty

Die Szene in Wien floriert. Doch neben den großen Locations wird nach wie vor in kleinen Clubs, in den Beisln und Pubs der Hauptstadt gefeiert. Doch tut sich da irgendwas? Genau hier fragen wir nach. Heute bei Walter, Malika, Stefan und Nottl vom Tüwi.

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Vor mehr als 20 Jahren wurde aus dem Hotel- & Restaurantbetrieb Türkenwirt das autonome Zentrum Tüwi. Konzerte, politischer Diskurs und ein Gastgarten direkt neben dem Türkenschanzpark machten das Tüwi in den Neunzigern zu einer der ersten Anlaufstellen für Punks, Rockers, Bokustudenten und generell Leute, die irgendwie alternativ orientiert waren.

In den 2000er Jahren drohte dem Tüwi der Abriss. Mit der Parole "Tüwi bleibt!" zogen Studenten, Tüwifans und -kollektiv um die Häuser um das Schlimmste zu verhindern. 2015: Das Tüwi steht noch immer, wenn auch der Putz von der Fassade kommt. Veranstaltungen gibt es hier immer noch genug sowie ein immer größer werdendes Kollektiv aus netten Leuten und das gefühlt günstigste & kühlste Krügerl in Wien. Was im Tüwi sonst noch so passiert, haben uns Walter, Malika, Stefan und Nottl vom Tüwi Kollektiv erzählt.

Was ist in euren Augen das Tüwi?

W: Es gibt den Spruch: "Kultur und Politik – unser Kaffee". Das bringt es gut auf den Punkt. Es ist halt ein Café mit Essensbetrieb, aber dann auch sehr viel Kultur und Abendveranstaltungen mit Diskurs anzettelndem Inhalt.

M: Für mich ist das Tüwi ein Experiment der Selbstverwaltung. Obwohl ich schon 5 Jahre dabei bin, bin ich immer wieder überrascht, wie schwierig das ist. Im Tüwi lernt man sich zu organisieren, zu kommunizieren, antihierarchisch zu sein, abseits der Mainstreamkultur. Dadurch sind viele Projekte, wie zum Beispiel das Gagarin, das Venster oder das Einbaumöbel von (Ex-)Tüwis (mit-)gegründet worden.

Wie wird man denn eigentlich Ex-Tüwi?

N: Da muss man sich schon sehr aufführen.

M: Man ist eigentlich immer Tüwi in seinem Herzen. Irgendwann kommt dann der Punkt, wo man was Eigenes auf die Beine stellt. Aber alleine, dass man sich immer Ex-Tüwi nennt, sagt schon einiges.

S: Im Normalfall: "Einmal Tüwi- immer Tüwi". Die Atmosphäre, der Umgang der Leute untereinander – Das ist schon etwas, was ich im Alltag vermisse. Das ist schon alleine Motivation genug, mich aktiv im Tüwi Verein einzubringen. Mit all deinen Vorteilen und Nachteilen wirst du hier als Mensch geschätzt. Das ist nicht selbstverständlich heutzutage.

Das Tüwi hat ja eine enge Verbundenheit mit der Boku. Kann man dann auch sagen: "Einmal Boku, immer Boku"?

W: Wir sind quasi eine gefährdete Art: LangzeitstudentInnen. Denn wenn man mal im Tüwi involviert ist, geht man meistens ins Tüwi und nicht auf die Boku. Doch wenn die Mama anruft, kann man trotzdem noch immer sagen "Ich bin eh auf der Uni".

Es heißt ja schon seit Langem, dass das Tüwi abgerissen wird und unter dem Leitspruch "Tüwi bleibt!" gab es viele Demonstrationen und Aktionen. Wie sieht es aktuell aus? Tüwi bleibt?

M: Seit 15 Jahren heißt es schon, dass es abgerissen wird, doch jetzt konkretisiert es sich schon sehr. Wir haben allerdings bereits einen Vertrag für die neuen Flächen verhandelt und bekommen im neuen Gebäude wieder Flächen zur Verfügung gestellt. Die Verhandlungen haben mehr als zwei Jahre gedauert, brachten viel Frustration mit sich, aber jetzt hat es gefruchtet. Die Frage ist nun, was in der Übergangszeit passiert.

N: Ich glaube immer noch nicht, dass es jemals abgerissen wird. Ich höre das jetzt schon seit 20 Jahren und nichts ist passiert. Bis dort hin gibt es wieder neue ÖH Wahlen, einen neuen Rektor oder eine Wirtschaftskrise. Ich glaube, das bricht uns eher alles noch von alleine weg, bevor es abgerissen wird. Die Renovierungen wären jetzt wahrscheinlich schon günstiger gekommen als das ganze Theater der letzten Jahre.

Mir kommt trotzdem vor, dass das Tüwi für Nicht-Tüwis oder BokustudentInnen in letzter Zeit etwas untergegangen ist. Gab es vor 8-10 Jahren mehr Veranstaltungen?

N: Veranstaltungen gab es nicht wesentlich mehr. Vor zehn Jahren waren sie einfach besser besucht. Das Tüwi hatte in Wien einen anderen Stellenwert. Wir konnten etwas bieten, was andere nicht konnten. Außer das alte Flex, die Arena, das alte Chelsea, später dann das EKH, gab es damals nicht so viel. Es ist immer mehr geworden, zum Beispiel die ganze Gürtelmeile. Jetzt verteilt es sich mehr.

S: Die Lage des Tüwis spielt da sicherlich auch eine große Rolle. Unsere Location ist eigentlich nicht schwer zu erreichen, aber man kommt sehr schwer wieder weg von hier.

Darf bei euch jeder und jede veranstalten? Was muss ich tun?

W: So lange du die Tüwi-Grundsätze: Antisexismus, Antifaschismus, Antirassismus und kein Platz für Homophobie, beachtest, darf jeder hier veranstalten. Ansonsten sind die Leute relativ frei in der Gestaltung und die finanzielle Hürde ist relativ gering.

M: Es gibt auch einige Soliveranstaltungen, bei denen Leute Spenden für ein Projekt oder einen anderen Zweck sammeln. Das ist nach Anfrage möglich und die Konditionen sind zusätzlich entgegenkommender.

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