Innovationen in Medien und Popkultur: SXSW 2023

Wer zuverlässig erfahren will, wohin sich die Netzgesellschaft bewegt, bewegt sich jedes Jahr im März nach Texas zur SXSW.

Die South by Southwest (SXSW) in Austin ist eines der ungewöhnlichsten Festivals der Welt. Das ist vor allem der Topographie, der texanischen Hauptstadt geschuldet.

In der Innenstadt bilden die paar wenigen kleinen Wolkenkratzer im Geschäftsviertel mit den großen Hotels, dem Convention Center und der berühmten 6th Street während der SXSW ein Dreieck aus Business, Theorie und Party. Die Übergänge zwischen den drei Welten sind so fließend wie der beständige Strom der Festivalbesucher:innen in der Stadt. Über zehn Tage wird die Hybride aus Musik- und Filmfestival, begleitenden Panels, Vorträgen und Workshops sowie der großen Interactive-Konferenz als inhaltlichem Kernstück abgewickelt.

Bekannte Namen aus Medien, Musik und Film füllten auch dieses Jahr Mitte März den großen Ballroom mehrmals täglich. Stundenlanges Anstehen ist bei der South by, wie sie verkürzt von allen genannt wird, trotz einem ausgeklügelten System an Vorreservierungen unvermeidlich. Tilda Swinton, New Order, Amy Webb, Greg Brockman und viele mehr trugen dazu bei, ein aktuelles Bild popkultureller Medienrealität zu zeichnen. Dass Big Names wie Jean Michel Jarre, dann für ein vergleichsweise unspektakuläres Panel via Zoom zugeschalten werden oder Cory Doctorow nur irgendeine Nebenbühne bespaßt, zeigt die Größe und Dichte dieser Veranstaltung. Und ja, Keanu Reeves war auch da, um im städtischen Kino die Premiere „John Wick 5“ einzuklatschen.

Ein Höhepunkt im Theorieteil war sicher das Gespräch mit William Shatner, der mit seinen 94 Jahren seinen Interviewer schmähführend auskonterte, zahlreiche Anekdoten topfit auf der Bühne herummarschierend aus seinem Leben preisgab und keinen Genierer dabei hatte, den Gebärdendolmetsch zwischendurch dazu anzuhalten, dem Publikum die entsprechende Geste für „Fuck“ beizubringen, das ihm als Kraftausdruck zuvor ausgerutscht war.

Showcase Festival

Rund 150.000 Menschen besuchen auf der SXSW die Interactive-Konferenz und das Film-Festival. In etwa die gleiche Zahl gibt sich das Musikfestival mit offiziell etwa 300 Artists. Klingt viel? Das waren aber schon mehr. Vor rund zehn Jahren waren beim Musikteil der South by, der als Showcase Festival primär die Aufgabe hat neue Acts bekannt zu machen, nicht nur richtig große Bands dabei, es wurde auch im Umfeld inoffizielle kleine und mittelriesige Side-Festivals veranstaltet. Knapp 800 Konzerte waren es einmal – ein absoluter Overkill. Da konnte es schon passieren, dass bei einem von Google gesponsorten Auftritt von Gossip dann nur eine Handvoll Leute zuschauen, weil das Angebot einfach alles erschlägt. Der Autor dieser Zeilen konnte 2012 auch Dinosaur Jr. in Garten eines größeren Einfamilienhauses sehen, ein paar Jahre später Beartooth bei einer Garagenshow und Damon Albarn am Dach eines Parkhauses.

Mittlerweile wurde das Angebot übersichtlicher, unbekannter und kompakter, was für die psychische Gesundheit der Besucher:innen nur gut ist. Es stresst nämlich ungemein, fünf Tage mit Permafomo durch die Gegend zu laufen.

Dieses Jahr war für den oben erwähnten Autor der Zeilen das Programm rund um die oben erwähnte 6th Street (Seitenstraßen mitgemeint) mit ihrer enormen Dichte an Clubs und Venues vergleichsweise entspannt, was zu einer guten Auswahl an Postpunk, Goth, Metal und etlichen Genre-Zufallsbegegnungen führt.

In Erinnerung geblieben sind unter anderem Model/Actriz, Curse Mackey, Ist Ist, Automelodi, Patriarchy, Then Comes Silence, Vision Video. Die größte Überraschung lieferte aber ein lokaler Act aus Austin selbst: Nämlich Urban Heat, die mit ihrem Sound an der Vorhut der Artists angesiedelt sind, die eine neue Generation von Dark Wave ausmachen, die wieder ein kleines Stück in die breitere Wahrnehmung reicht.

Nach den Ausfällen der letzten Jahre durch Covid ist die SXSW wieder so relevant wie jemals zuvor.

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