Wenn ein Kino sich selbst feiert, dann geht’s rund. Zumindest, wenn dieses Kino Schikaneder heißt. Filme, DJs und Freigetränke. Noch Fragen? Unsererseits schon. Die stehen aber weiter unten.
Johannes Wegenstein leitet bereits seit zwei Jahrzehnten das Kino, dass er übernommen hat, um seinen Job nicht zu verlieren. Wir haben mit ihm über die Vergangenheit, die Zukunft und alles, was dazwischen so passiert ist, geredet. Das ist nämlich eine ganze Menge.
Es gibt euch jetzt 20 Jahre unter deiner Führung. Wie bist du eigentlich dazu gekommen?
Ich war während meines Studiums gerade ein halbes Jahr Filmvorführer im Schikaneder, als die alten Besitzer für mich überraschend entschieden haben das Kino zu schließen. Ich habe mich damals – gemeinsam mit Stefan Stiglbauer – spontan und durch jugendlichen Übermut dazu hinreißen lassen, das Kino zu übernehmen – vor allem um meine Arbeit als Filmvorführer nicht zu verlieren. Die Branche hat uns damals belächelt und uns eine maximale Überlebensdauer von zwei Monaten prognostiziert.
20 Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Lief alles immer gut, oder gab es Schwierigkeiten, schwere Zeiten, Rohrbrüche und Leute, die sich mit Geld abgesetzt haben?
Von allem ein bisschen – und das ständig. Ein unabhängiges, nicht kommunales Kino mit diesem großen Aufwand, der Qualität und Vielfalt zu führen, ist immer schwierig. Die richtige Frage müsste daher lauten: Gab es irgendwann einfache Zeiten? Nein! Es was aber immer schön, überraschend und kurzweilig! Heute sind seit mittlerweile auch schon 10 Jahren Laura Samaraweerová und Bruno Batinic und Joachim Wegenstein [Bruder, Anm.] Garanten für die Qualität unserer Kinoprogramme bzw. der Gastronomie. Ich hoffe, sie werden sich noch lange nicht absetzen, zumal sowieso kein Geld dabei mitzunehmen wäre.
Lag der Fokus damals in den Neunzigern mehr auf dem Kino oder dem Barbetrieb? Oder so wie jetzt, auf beiden gleichermaßen?
Der Fokus lag zunächst ausschließlich auf Kino. Mit Gastronomie wollte ich zunächst nie mehr als Popcorn-Verkauf zu tun haben. Es war aber schnell klar, dass ohne zusätzliches finanzielles Standbein kein Weg und vor allem kein gutes Kinoprogramm zu machen sein wird. Als 1998 das neben dem Schikaneder befindliche Geschäftslokal frei wurde, kam die bald legendäre Schikaneder-Bar dazu. Das erst hat den Durchbruch des heute so bestehenden Schikaneders bedeutet.
Die damals neue Partnerschaft mit Lisa Angerer – heute Lisa Wegenstein – und Markus Alzinger sowie deren Engagement für das neue Gesamtkonzept waren 1998 wesentlich für den Erfolg dieses neuen, größeren Schikaneders verantwortlich. Hauptverantwortlich aber waren die jungen KünstlerInnen, die dieses alte, neue Kino ab 1998 für sich entdeckt haben und hier ihre ersten Ausstellungen, Lesungen, Musik, Filme präsentieren und mit den entsprechenden Afterpartys verbinden konnten. Fokus unserer Arbeit war somit immer erstrangig das Kulturprogramm. Die Bar unsere willige Helferin dafür.
Wie hat sich die Gegend in den letzten 20 Jahren verändert? Wurden die Leute freundlicher? Die Gäste spendabler? Mehr Bobo? Mehr Wombats? Und ist die Stadt freundlicher zu euch?
Das neue Schikaneder und seine jungen KünstlerInnen waren vor 20 Jahren sicherlich Mitbegründer des heutigen Freihausviertel-Booms. Seit 1996 hat sich dieses Viertel enorm entwickelt und eine große Zahl unterschiedlichster, toller Gastronomie, Shops und v.a. die besten Galerien der Stadt angezogen.
Was waren drei der seltsameren Geschichten, die bei euch passiert sind?
1.Liebe mit – nicht in – einem Kino
Gleich zu Beginn hat sich von gegenüber dem Kino eine junge Dame vorgestellt, die uns beim Aufräumen behilflich sein wollte. Das wir sie anfangs nur mit gratis Kinotickets bezahlen konnten, war ihr egal. Sie hat in den schwierigen Anfangszeiten heimlich dafür gesorgt, dass wir nie Snacks nachkaufen mussten. Es gab immer genug Popcorn, Chips und Gummibärli im Lager. Stefan und ich sind davon ausgegangen, dass der jeweils andere für Nachschub gesorgt hatte. In Wahrheit war die nicht versiegende Gummibärliquelle ihr zu verdanken.
Die gleiche Person hatte sich bald mit allen dazugehörigen Merkmalen ins Schikaneder Kino verliebt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt war sie Tag und Nacht dort anzutreffen. Ja, sie hat sogar heimlich die Schlüssel nachmachen lassen, um im Kino zu übernachten. So seltsam es klingt, sie wollte auch Kinder mit dem Schikaneder Kino haben. Kein Psychologe konnte sie von dieser Leidenschaft abbringen. Die österreichische Filmmacherin Anja Salomonowitz hat sie und diese Geschichte später in ihrem preisgekrönten Erstlingsfilm "Carmen" porträtiert. Dieser "Carmen" und auch ihrem heutigen Geliebten Helmut, der sie als Mädchen für alles nach ein paar Jahren ablöste, gebühren eigentlich eine Gedenktafel im Schikaneder
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