Rausch, Kontrolle verlieren, Grenzen ausloten sind mit dem Heranwachsen untrennbar verbunden. Ob nun von Drogen oder Alkohol induziert, von Liebe oder vom Erwachsenwerden selbst – Rausch ist oft gewollt, manchmal unentrinnbar. Und Thema des Eröffnungsfilms beim Youki in Wels.
»Blokes« basiert auf einer Kurzgeschichte von Pedro Lemebel und spielt im Jahr 1986 in Chile. Er zeigt den 13-jährigen Luchito zwischen Diktatur und Sexualität. Das, worum es hier geht, ist längst nicht mehr am Aufkeimen. Sowohl Pinochets Regime als auch Luchitos heimliche Begierde ist bereits in vollem Gange. Der Teenager lebt auf engem Raum mit seiner Mutter. In seinem Häuserblock ist Privatsphäre ein Fremdwort. Für Luchito wird dadurch das Kopfkino zur persönlichen Peep-Show. Der Junge im Fenster gegenüber hat es ihm angetan. Luchito kann Stunden damit verbringen, aus dem Fenster seines kleinen Zimmers zu blicken und seinen Angebeteten zu beobachten. Das Fenster zum Hof bietet ihm die reizvolle Aussicht auf den Fußball spielenden Manuel. Der Fensterrahmen wird dabei zum Bildschirm bzw. zur Leinwand und Luchito sieht zu, als Manuel sich seinerseits im gegenüberliegenden Haus sexuell auslebt. Im Taumel der Sinne verschmelzen Bilder und Gefühle zu einer rauschhaften Collage der Ekstase. »Blokes« vergegenwärtigt retrospektiv die Bedrängnis einer Diktatur – sowohl räumlich als auch affektiv – und bebildert dabei den jugendlichen Liebesrausch, der Luchito psychisch und physisch einnimmt.
Hohe Häuser, dicke Luft
Als das Militär eines Nachts in die Wohnungen des Blocks einfällt und Frauen und Männer separat im Innenhof aufreiht, nimmt Luchito alles durch den Schleier der jugendlichen Ekstase wahr. Vor ihm, mit hinter dem Kopf verschränkten Armen, das Objekt seiner Begierde in Unterwäsche. Greifbar nah und doch so fern. Ein Annäherungsversuch wird im Keim erstickt – der Nachbarsjunge muss sich identifizieren. Luchito wiederholt wie in Trance den Namen seines Schwarms. Seine Sehnsucht überlagert den Terror der Geschehnisse. Ohne Romantik schildert »Blokes« den Alltag jugendlichen Begehrens und ist dennoch gefühlvoll und atmosphärisch. Ein Teenagerfilm, der den Bogen zwischen Benommenheit und Verwirrung in bestmöglicher Rausch-Manier spannt.
Rausch ist das Thema des diesjährigen Medienfestivals Youki in Wels. Es verschwimmen die Grenzen der Themenkreise der vergangenen Festival-Jahre. Sowohl von den »Probierräumen« (2011), als auch von »Teenager in Love« (2012) lassen sich Rauschzustände ableiten. Jugendliche finden und erfinden sich stets neu, experimentieren und verlieren sich – in sich selbst, im Rausch der Sinne oder der Gefühle. Filmisch festgehalten wurde dieses jugendliche Ungestüm nicht zuletzt glänzend in Richard Linklaters »Dazed And Confused« (1993). Der Film inspirierte zum Untertitel des diesjährigen Festivals und ist auch Teil des kuratierten Filmprogramms abseits des Wettbewerbs. Die Regisseurin von »Blokes«, Marialy Rivas, die bereits im Vorjahr mit ihrem Langfilm »Joven y Alocada (Young And Wild)« (2012) vertreten war, ist dabei zweifellos eine der authentischsten Stimmen des gegenwärtigen Coming-of-Age-Kinos. Immer am Puls der Zeit, gelingt auch dieser Blick in die Vergangenheit als überzeugende, zeitlose Visualisierung unverfälschten Erlebens.
Der Schwerpunkt der Youki liegt heuer auf Kurzfilmprogrammen. Der Eröffnungskurzfilm »Blokes (Blocks)« (2010) der chilenischen
Regisseurin Marialy Rivas sticht dabei besonders hervor. Marialy
Rivas wird beim Screening anwesend sein und bei der Youki außerdem einen Regie-Workshop leiten.