Das Kaffeehaus als neutraler Ort.
Als vor etwa fünf Jahren das ehemalige Café Haag als Café im Schottenstift wieder eröffnet wurde, war ich froh ein, Café mit nicht vorwiegend studentischem Publikum in Uni-Nähe zu haben und daher oft dort zu Gast. So richtig lieben gelernt habe ich das klassisch eingerichtete aber doch noch sehr neu und steif wirkende Kaffeehaus aber erst jetzt, einige Jahre nach Ende meines Studiums und der entsprechend abgenutzteren aber wesentlich stimmigeren Atmosphäre.
Hier zeigt sich ein weiteres Mal, dass ein Café nicht wegen irgendwelchen bestimmten Getränken, der gelungenen Einrichtung (bis auf das Klo im 1.Stock ohne Lift) oder den Speisen, sondern erst aus einer Mischung dieser Dinge mit dem entsprechend heterogenen Publikum zu einem Wiener Kaffeehaus im eigentlichen Sinn wird. Als solches zeichnet es sich nämlich meiner Meinung nach vor allem durch die vielfältige Nutzbarkeit durch ein bunt gemischtes Publikum aus. Hier kann gelernt, gelesen, gespielt, gespeist, geschlafen und vieles mehr werden, ohne dass diese Nutzung als unangebracht erscheinen würde.
Ein solcher Ort ist im Grunde ein neutraler, da hier Menschen aus sehr vielfältigen gesellschaftlichen Schichten und Kulturen für beschränkte Zeit auf engstem Raum zusammen – oder besser nebeneinander – leben: Ein alternativ gekleideter End-20er verbessert Hausaufgaben, daneben sitzt ein etwa 80jähriger „Herr Hofrat“ und ein paar Tische weiter unterhält sich eine „Austauschstudentin“ mit ihrer Kollegin auf Englisch. Vorne im Raucherbereich sitzt ein Arbeiter im „Blaumann“ und trinkt seinen Kaffee während sich daneben eine Gruppe „Intellektueller“ angeregt mit Zetteln und Stiften in der Hand unterhält. Ein offensichtlich sehr gut situierter junger Mann von nicht viel über 20 Jahren raucht seine standesgemäße Pfeife und blättert gelangweilt in der Kronenzeitung.
Klar schätze ich den guten reinen Arabica Kaffee, das reichhaltige Zeitungsangebot – das vor allem wegen der bei uns sehr teuren Londoner Times und der spanischen El Pais hervorzuheben ist – aber ohne die typische, wesentlich von dem sehr heterogenen Publikum bestimmte Atmosphäre fühle ich mich eben nicht vollends zu Hause.
Das Café im Schottenstift ist trotz seiner angenehm reduzierten aber nicht unangemessen modern wirkenden Einrichtung und den anderen oben erwähnten Vorzügen sicher kein besonders uriges oder herausragendes Exemplar seiner Gattung, aber Kaffeehauskultur ist Alltagskultur, und die zeigt sich besonders gut in solchen gelungenen, aber nicht beeindruckenden Lokalitäten wie eben dem Café im Schottenstift, das im besten Sinn ein neutraler Ort ist.