Nach fast zehn Jahren beendet Robert Pinzolits seine Labelarbeit mit Karate Joe. Einmal wird noch gefeiert.
Bist du jetzt erleichtert?
Robert Pinzolits: Jetzt, nach der Entscheidung, fühlt es sich ganz gut an.
Was war die Idee hinter Karate Joe und wie hat sie sich in den 9,5 Jahren verändert?
KJ Rec. hat sich aus einer einfachen Notwendigkeit heraus gegründet: es gab damals kein Label im eigenen Umfeld, das für die recht große Anzahl an Produktionen, die wir als Musiker in der Pipeline hatten, in Frage gekommen wäre. Die Situation der Label- bzw. Musiklandschaft hat sich vor allem ab ca. 2005/ 2006 wesentlich verbessert. Das heißt es gibt nun Menschen, die bereit sind, derartige Arbeit leisten zu wollen. Im Grunde war das der Kern – Kulturarbeit im Experimentierfeld der zeitgenössischen Popularmusik und internationaler Ausrichtung zu leisten.
Eine Besonderheit von Karate Joe war, dass du nie 360°-Betreuer sein wolltest, sondern sich deine Artists immer um vieles selbst kümmern mussten, aber auch viele Freiheiten hatten …
Nun ja, es gab wohl mehrere gute Gründe die gegen ein 360°-Modell sprachen. Die Fokussierung auf die Labelarbeit stand im Vordergrund. Nicht Booking oder Artist-PR. Ein Label zu etablieren und danach am Laufen zu halten, birgt genug Arbeit. Vor allem, wenn man den internationalen Nischenmarkt im Auge hat bzw. diesen Vertriebsmarkt aufgrund der Genre-Ausrichtung genau kennen lernen muss. Es ist ja nicht so, dass man im Alleingang einen internationalen Vertriebsmarkt mit einem 360°- Konzept erfolgreich und längerfristig bedienen kann.
So ein Vorhaben ist nicht sehr glaubwürdig und den Artists gegenüber auch unseriös. Die Rollenverteilung sollte klar kommuniziert und vereinbart sein. Die interne Kommunikation muss daher entsprechend strukturiert sein, andernfalls funktioniert die Aufteilung und die Zusammenarbeit dieser Fachbereiche nicht. Zum Beispiel: Booking sollte nie Teil des Karate Joe-Portfolios sein. Für einige Artists führte das anfänglich zu einer gewissen Irritation. Ich meine, die Erwartungen eines Künstlers an ein Kleinlabel können durchaus sehr hoch gegriffen sein. Zum Glück hat sich diese Sichtweise auf die Tätigkeit eines Labels seitens der Artists mittlerweile stark verändert. DIY als Begriff, sowie als Attitude hat die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Artist und Label erheblich verändert. Musiker und Musikerinnen wissen heute viel mehr über die Zusammenhänge innerhalb des Musikgeschäfts als noch vor wenigen Jahren. Zumindest beobachte ich das in meinem Umfeld sowie auch in meiner Funktion als Interessenvertreter im VTMÖ (Anm.: Österr. Verband der Independent-Labels). Das ist mein Eindruck: eine gute, weil überlebenswichtige Entwicklung!
Eher bekannt von anderen heimischen Indies ist, dass du als Betreiber an vielen Projekten beteiligt warst.
So viele Projekte waren es dann gar nicht. Aber ich sah mich in meiner Rolle als Label-Arbeiter immer auch als Musiker. Das war mir wichtig – das war mein Zugang, denn schließlich wollten wir ja mit unserer Musik weiterkommen. Manche konnten mit meiner Doppelrolle nicht so leicht umgehen, wie ich das selbst vielleicht konnte. Klar, es mag für manche der Band-Kollegen schwierig gewesen sein, wenn der Labelmensch am Schlagzeug gesessen ist. Aber hey, für mich war das fallweise auch nicht so leicht. Da kann man schon mal sein eigenes Inselchen sein.
Es ist dir mit Karate Joe zeitweise gelungen, an internationale Phänomene anzuschließen – Constellation etwa. Wie waren deine Internationalen Kontakte und Verkäufe oder Touren?
Karate Joe wurde am heimischen Markt sowie in den heimischen Medien – ich sage mal – beschränkt wahrgenommen. Hätte das Label erst vor fünf Jahren neben Siluh, Fett Kakao, Seayou oder Comfort Zone begonnen, wäre es hierzulandeande eventuell genauer verfolgt worden. Das hat meines Erachtens auch mit der Bereitschaft der in Österreich genre-spezifischen Leitmedien zu tun. Aber ich habe mich nur selten beklagt, schließlich lief es im internationalen Nischenmarkt ganz zufriedenstellend und dort lag der im Fokus. Herauszustreichen ist sicherlich der asiatische Markt, Japan und Taiwan. KJ Rec. war dort tatsächlich sehr gut vertreten. Zudem gab es ganz gute Lizenz-Deals. Der Kontakt zu Radio- und Print-Journalisten der internationalen Musik-Medien verlief anfangs über den Versand relativ großer Kontingente an Promo-Exemplaren und später meist über die dadurch entstandenen persönlichen Kontakte. Natürlich waren diese von großem Nutzen. Oft waren diese Journalisten die notwendigen Schlüsselfiguren für die mediale Platzierung unserer Releases. Das hat gut funktioniert.
Was war euer größter Verkaufsknaller?
1. Glim – Music for Fieldrecordings
2. Tanz Baby! – Liebe
3. Le Charmant Rouge – Winzer
Einige österreichische Indielabels blühen gerade auf, stellen Leute ein. Warum hörst du gerade jetzt auf?
Karate Joe hat mich nun zehn Jahre lang beschäftigt. Ich denke, dass es an der Zeit ist, damit aufzuhören. Ich möchte den Joe ziehen lassen. Zudem leisten ja Leute wie der Bernhard von Siluh, der Fettkako-Andi und der Ili von Seayou sehr feine Arbeit. Ich denke, das passt gut. Ich selbst möchte mich aber neuen Themen widmen. Aber im Grunde sollte es nur ein einziger Job sein, den ich ausüben möchte. Die letzten Jahre waren es drei!
Wirst du dem VTMÖ erhalten bleiben? Wie behältst du Einblick in die kleinteiligen Probleme des Indie-Label-Machens, wenn du den schwarzen Gürtel von Karate Joe an die Wand hängst? Bleibst du der heimischen Musik-Szene (zb auch der Cselley-Mühle) anderweitig erhalten?
Ich werde meine Funktionen als Vorstand sowie als Verbandssprecher zurücklegen. Ich hab 2003 den Verband mitgegründet um mich ebendiesen kleinteiligen Problemen des Label-Machens, aber auch den strukturellen Problemen der Musikbranche in Österreich zu widmen. Meines Erachtens liegt hier, vor allem strukturell im verwertungsrechtlichen Bereich, einiges im Argen. Der Verband ist mir ebenso wichtig wie das Label. Aber die Entscheidung das Label einzustellen führt konsequenterweise auch zum Ausstieg aus dem Verband.
Ansonsten möchte ich natürlich musikalisch, am Schlagzeug sowie mit der Gitarre weitermachen. Das macht mir mehr Spaß denn je. Ob ich mich in der Cselley Mühle ein weiteres Mal involvieren werde, das ist komplett offen. Aber ist ja nicht so, dass es Subventionen auf unabhängig geführte Kulturzentren und Kulturintitiativen niederregnet. Davon aber mal abgesehen, plane ich hier in der Zieglergasse in Wien eine Art „Mikro-Venue“. Ein Ort, an dem in kleinstem Rahmen „neue Musik-Projekte“ präsentiert werden. Konkret: Im ehemaligen Karate Joe Label-Office sollen 8 bis 10 Mal im Jahr Mini-Showcases stattfinden. Der Planungsprozess läuft allerdings noch, ein entsprechender Verein befindet sich in Gründung.
Gerade wird wieder sehr viel über Musik aus Österreich geredet. Wie schätzt du die heimische Musiklandschaft derzeit ein? Kannst du drei Acts herausgreifen? Und welche Artists hättest du gern selbst auf Karate Joe gehabt?
Meiner Meinung nach führt die hohe Qualität und Eigenständigkeit der in Österreich produzierten Musik zu einem neuen Selbstbewußtein der hier arbeitenden Musiker und Musikerinnen. Dieser Effekt greift auch auf Labels, Booker und Promoter über und das ist eine glückliche, ja notwendige Verkettung. Nicht nur die Musiker selbst, sondern die Hörer und Hörerinnen verfolgen das Musikgeschehen mit regem Interesse. Die Medien müssen und wollen da mittlerweile auch mit – eine gute Entwicklung!
Artists:
Tanz Baby! – sind bzw. waren auf Karate Joe. Es kommt ein richtig gutes, zweites Album!
!Oh – neue Band! – wir suchen ein Label!
Mimu – meines Erachtens herausragend
Wie reagierten die Bands und Musiker auf deine Entscheidung, du warst ja mit vielen persönlich befreundet. Vielleicht wird die persönliche Beziehung ohne Arbeitsbeziehung nun wieder einfacher?
Es gab sehr rührende Zuschriften und Wortmeldungen, über die ich mich wirklich sehr gefreut habe und die meine Entscheidung im Nachhinein bestätigen.
Labelnight: Rhiz, 23. Juni 2011
Live + DJs: David und Mu (Tanz Baby!), Oliver Stotz und Sabine Marte (Pendler), Tom (Kantine) und Clemens (Kantine Band, Bo Candy, Songs of Claire Madison), Berger Andi (Glim, Liquid Loft) (A), und wer halt noch kommt …
Eintritt Frei
Auf der Label-Website lassen sich alle Releases mit allen Tracks an- beziehungsweise durchhören.
Bild Tessi Götz